Faust's Leben, Taten und Höllenfahrt
Friedrich Maximilian Klinger
Faust's Leben, Taten und Höllenfahrt
In fünf Büchern
All this with indignation have I hurl'd
nospace; nospace; At the pretending Part of the proud World;
nospace; nospace; Who, swol'n with selfish vanity, devise
nospace; nospace; False Freedoms, holy Cheats, and formal Lies,
nospace; nospace; Over their Fellow-Slaves to tyrannize.
Der Verfasser dieses Buchs hat von allem, was bisher über Fausten gedichtet
und geschrieben worden, nichts genutzt, noch nutzen wollen.
Dieses hier ist sein
eignes Werk, es sei wie es wolle.
Davon wenigstens wird sich jeder Leser leicht
aus der Darstellungsart, der Charakteristik und dem Zweck überzeugen. 1791.
- Erstes Buch
- Zweites Buch
- Drittes Buch
- Viertes Buch
- Fünftes Buch
- Epilogus
Erstes Buch
1
Lange hatte sich Faust mit den Seifenblasen der Metaphysik, den
Irrwischen der Moral, und den Schatten der Theologie herumgeschlagen,
ohne eine feste, haltbare Gestalt für seinen Sinn herauszukämpfen.
Ergrimmt warf er sich in die dunklen Gefilde der Magie, und hoffte
nun der Natur gewaltsam abzuzwingen, was sie uns so eigensinnig
verbirgt.
Sein erster Gewinn war die merkwürdige Erfindung
der Buchdruckerei , der zweite war schaudervoller.
Er entdeckte
durch Forschen und Zufall die furchtbare Formel, den Teufel aus
der Hölle zu rufen, und ihn dem Willen des Menschen untertänig
zu machen.
Bis jetzt konnte er sich noch nicht, aus Vorliebe zu
seiner unsterblichen Seele, für die jeder Christ wacht, ohne
sie weiter zu kennen, zu diesem gefährlichen Schritt entschließen.
In diesem Augenblick war er ein Mann in seiner vollen Blüte.
Die Natur hatte ihn wie einen ihrer Günstlinge behandelt,
ihm einen schönen, festen Körper, und eine bedeutende,
edle Gesichtsbildung verliehen.
Genug um Glück in der Welt
zu machen; aber da sie die gefährlichen Gaben, strebende,
stolze Kraft des Geistes, hohes, feuriges Gefühl des Herzens,
und eine glühende Einbildungskraft hinzufügte, die das
Gegenwärtige nie befriedigte, die das Leere, Unzulängliche
des Erhaschten in dem Augenblick des Genusses aufspürte,
und alle seine übrigen Fähigkeiten beherrschte, so verlor
er bald den Pfad des Glücks, auf den nur Beschränktheit
den Sterblichen zu führen scheint, und auf welchem ihn nur
Bescheidenheit erhält.
Früh fand er die Grenzen der
Menschheit zu enge, und stieß mit wilder Kraft dagegen an,
um sie über die Würklichkeit hinüber zu rücken.
Durch das, was er in frühern Jahren begriffen und gefühlt
zu haben glaubte, faßte er eine hohe Meinung von den Fähigkeiten,
dem moralischen Wert des Menschen, und in der Vergleichung mit
andern legte er natürlich seinem eignen Selbst (welches der
größte Geist mit dem flachsten Schafskopf gemein hat)
den größten Teil der Hauptsumme bei.
Zunder genug zu
Größe und Ruhm; da aber wahre Größe und
wahrer Ruhm, gleich dem Glücke, den am meisten zu fliehen
scheinen, der sie dann schon erhaschen will, bevor er ihre feinen,
reinen Gestalten von dem Dunst und Nebel absondert, den der Wahn
um sie gezogen, so umarmte er nur zu oft eine Wolke für die
Gemahlin des Donnerers.
In seiner Lage schien ihm der kürzeste
und bequemste Weg zum Glück und Ruhm die Wissenschaften zu
sein; doch kaum hatte er ihren Zauber gekostet, als der heftigste
Durst nach Wahrheit in seiner Seele entbrannte.
Jeder, der diese
Sirenen kennt, und ihnen ihren betrügrischen Gesang abgelernt
hat, fühlt (wenn er die Wissenschaften nicht als Handwerk
treibt) ohne mein Erinnern, daß ihm sein Zweck, diesen brennenden
Durst zu stillen, entwischen mußte.
Nach langem Herumtaumeln
in diesem Labyrinthe waren seine Ernte: Zweifel, Unwille über
die Kurzsichtigkeit des Menschen, Mißmut und Murren gegen
den, der ihn geschaffen, das Licht zu ahnden, ohne die dicke Finsternis
durchbrechen zu können.
Noch wäre er glücklich
gewesen, hätte er mit diesen Empfindungen allein zu kämpfen
gehabt; da aber das Lesen der Weisen und Dichter tausend neue
Bedürfnisse in seiner Seele erweckte, und seine nun beflügelte
und zugekünstelte Einbildungskraft die reizenden Gegenstände
des Genusses, die Ansehen und Gold allein verschaffen können,
unablässig vor seine Augen zauberte, so rann sein Blut wie
Feuer in seinen Adern, und seine übrigen Fähigkeiten
wurden bald von diesem Gefühl allein verschlungen.
Durch
die merkwürdige Erfindung der Buchdruckerei glaubte er sich
endlich, die Tore zum Reichtum, Ruhm und Genuß aufgesprengt
zu haben.
Er hatte sein ganzes Vermögen darauf gewandt, sie
zur Vollkommenheit zu bringen, und trat nun vor die Menschen mit
seiner Entdeckung; aber ihre Laulichkeit und Kälte überzeugten
ihn bald, daß er, der größte Erfinder seines
Jahrhunderts, mit seinem jungen Weibe und seinen Kindern Hungers
sterben könnte, wenn er nichts anders zu treiben wüßte.
Von dieser stolzen Hoffnung so tief herabgesunken, gedrückt
von einer schweren Schuldenlast, die er sich durch leichtsinnige
Lebensart, übertriebene Freigebigkeit, unvorsichtige Bürgschaften
und Unterstützung falscher Freunde auf den Hals gezogen,
warf er einen Blick auf die Menschen, sein Groll färbte ihn
schwarz, sein häusliches Band, da er seine Familie nicht
mehr zu erhalten wußte, ward ihm zur Last, und er fing für
immer an zu glauben, daß die Gerechtigkeit nicht den Vorsitz
bei der Austeilung des Glücks der Menschen habe.
Er nagte
an dem Gedanken: wie und woher es käme, daß der fähige
Kopf und der edle Mann überall unterdrückt, vernachlässigt
sei, im Elende schmachten während der Schelm und der Dummkopf
reich, glücklich und angesehen wären.
So leicht nun
Weisen und Prediger diesen Zweifel zu heben wissen, so erbittert
er gleichwohl, da sie nur zu dem Verstande reden, und das Gefühl
durch die tägliche Erfahrung verwundet wird, das Herz des
Stolzen, und schlägt den Sanftern nieder.
Zu den erstern
gehörte Faust.
Von diesem Augenblick strebte sein gekränkter
Geist, den verschlungenen Knäuel aufzuwickeln, über
dessen Auflösung so viele Tausende die Ruhe und das Glück
ihres Lebens umsonst verloren haben.
Er wollte nun den Grund des
moralischen übels, das Verhältnis des Menschen mit dem
Ewigen erforschen.
Wollte wissen, ob er es sei, der das Menschengeschlecht
leite, und wenn?
- woher die ihn plagenden Widersprüche entständen?
Er wollte die Finsternis erleuchten, die ihm die Bestimmung des
Menschen zu umhüllen schien.
Ja er faßte selbst den
verwegnen Gedanken, den erforschen zu wollen, dessen Sein uns
so unbegreiflich, und dessen Würken uns so klar ist.
Die
Hoffnung, mit diesen wichtigen Kenntnissen ausgerüstet, die
Welt in Erstaunen zu setzen, und als ein Geist erster Größe
unter die Menschen zu treten, versüßte eine Zeitlang
seine fruchtlose, peinliche Anstrengung.
Da aber seine Lage immer
trauriger ward, die Menschen, die ihm so viel zu danken hatten,
sich immer mehr von ihm entfernten, und all sein Streben, Licht
in diese Finsternis zu bringen, nur dazu diente, sie noch schwärzer
und quälender zu machen, so senkte sich bald der Gedanke
tief in seine Seele, nur ein Geist der andern Welt könnte
seinem Elend abhelfen, und ihm Licht über diese Gegenstände
geben.
Zwar schlummerte dieser Gedanke noch in seinem Busen, aber
seine Begierden, sein Unmut brauchten nur einen neuen, äußern
Reiz, um ihn über die Grenzen zu treiben, gegen die er so
wild anstieß.
2
In dieser düstern Stimmung wanderte Faust von Mainz nach
Frankfurt, dem Hochweisen Magistrat eine von ihm gedruckte lateinische
Bibel zu verkaufen, um seine hungrige Kinder von dem gelösten
Gelde zu sättigen.
In seiner Vaterstadt hatte er darum nichts
ausrichten können, weil damals der Erzbischof mit seinem
Kapitul in einen großen Krieg verwickelt war, und sich ganz
Mainz in der größten Verwirrung befand.
Die Ursache
davon war folgende: Es hatte einem Dominikanermönch geträumt,
er schliefe mit seinem Beichtkinde, der schönen Klara, einer
weißen Nonne und Nichte des Erzbischofs.
Morgens sollte
er die heilige Messe lesen, er las sie, und empfing ohngeachtet
der sündlichen Nacht den Leib des Herrn.
Abends erzählt
er, in der Begeisterung des Rheinweins, einem jungen Novizen seinen
Traum.
Der Traum kitzelte die Einbildungskraft des Novizen, er
erzählte ihn mit einigen Zusätzen einem Mönche,
und so lief er durch das ganze Kloster, verbrämt mit Greuel
und lüsternen Bildern, bis er zu den Ohren des strengen Priors
kam.
Der heilige Mann, der den Pater Gebhardt wegen seinem Ansehen
in vornehmen Häusern haßte, erschrak vor dieser ärgernis,
und da er's als eine Entweihung des heiligen Sakraments ansah,
so wagte er nicht über den wichtigen Fall zu entscheiden,
und meldete ihn dem Erzbischof.
Der Erzbischof, vermöge des
richtigen Schlusses, was der sündige Mensch bei Tage denkt
und wünscht, davon träumt er des Nachts, sprach den
Kirchenbann über den Mönch aus.
Das Domkapitul, dessen
Haß immer mehr zunimmt, je länger ein Erzbischof lebt,
und gern jede Gelegenheit, ihn zu quälen, ergreift, nahm
den Pater Gebhardt in Schutz, und widersetzte sich dem Banne aus
dem Grunde: >>Es sei weltbekannt, daß der Teufel den
heiligen Antonius mit den üppigsten Vorstellungen und lüsternsten
Lockungen in Versuchung geführt habe, und wenn dies der Teufel
mit einem Heiligen getrieben hätte, so könnte ihm auch
wohl einmal einfallen, sein Gaukelspiel mit einem Dominikaner
zu treiben.
Man müsse den Mönch vermahnen, dem Beispiel
des heiligen Antonius zu folgen, und gleich ihm gegen die Versuchungen
des Teufels mit den Waffen des Gebets und des Fastens zu kämpfen.
übrigens bedauerte man sehr, daß der Satan nicht mehr
Achtung vor dem Erzbischof hätte, und so unverschämt
wäre, seine höllische Vorspieglungen, nach den Gestalten
seiner hohen Familie zu bilden.
<< Das Domkapitul führte
sich hierbei ganz so auf wie die Erbprinzen, denen ihre Väter
zu lange regieren.
Was aber den Fall gänzlich verwirrte,
war ein Bericht aus dem Nonnen-Kloster.
Die Nonnen waren alle
im Refectorio versammelt, eine Mutter Gottes zum nächsten
Fest aufzuputzen, um es durch ihren Pracht den schwarzen Nonnen
zuvorzutun, als die alte Pförtnerin hereintrat, die höllische
Geschichte erzählte, und hinzusetzte: >>der Dominikaner
würde gewiß lebendig verbrannt werden, denn eben sei
das Domkapitul versammelt, sein Urteil zu sprechen.<<
Während
die Pförtnerin die Geschichte mit allen Umständen erzählte,
färbten sich die Wangen der jungen Nonnen hochrot, und die
Sünde, die keine Gelegenheit entwischen läßt,
unschuldige Herzen zu vergiften, schoß in ihr Blut, und
dramatisierte in flüchtiger Eile ihrer Einbildungskraft alle
die gefährlichen Szenen vor.
Wut und Zorn zogen indessen
ihre grimmigen Larven über die Gesichter der Alten.
Die äbtissin
zitterte an ihrem Stabe, die Brille fiel von ihrer Nase; die Mutter
Gottes stund indessen nackend in der Mitte, und schien den erstaunten
und erzürnten Nonnen zuzurufen, ihre Blöße zu
decken.
Da aber die Pförtnerin hinzusetzte, es sei die Schwester
Klara, die der Teufel dem Dominikaner zugeführt hätte,
so erfüllte ein wilder Schrei den ganzen Saal.
Nur Klara
allein blieb gelassen, und nachdem eine kleine Pause auf das Zetergeschrei
erfolgte, so sagte sie lächelnd: >>Liebe Schwestern,
warum schreit ihr so fürchterlich?
Träumte mir doch
auch, ich schliefe mit dem Pater Gebhardt, meinem Beichtvater,
und wenn es der böse Feind getan hat<<, (hier machte
sie und die übrigen alle ein Kreuz) >>so mögen sie
ihm die Disziplin geben.
Ich für meinen Teil, habe nie eine
kurzweiligere Nacht gehabt, sie komme, woher sie wolle.<<
>>Der Pater Gebhardt?
<< schrie die Pförtnerin.
>>Nun
alle ihr Engel und Schutzheiligen!
das ist er eben, dem von euch
geträumt hat, dem euch vielmehr der Teufel zugeführt
hat, und den sie nun darum verbrennen wollen.<<
So ging die
Pförtnerin noch einen Schritt weiter, verkörperte den
Traum, und in dieser Gestalt flog er in die Stadt.
Man ließ
die Mutter Gottes so nackend stehen, wie sie war, bekümmerte
sich nichts mehr darum, ob es die weißen Nonnen den schwarzen
zuvortun würden.
Die äbtissin machte sich auf den Weg,
um die höllische Geschichte auszubreiten, ihr folgte die
Schaffnerin; die Pförtnerin hielt eine Versammlung an ihrem
Pförtchen, und Klärchen beantwortete naiv die noch naiveren
Fragen der Schwestern.
Die Trompeten des jüngsten Gerichts
können einst in Mainz nicht mehr Schrecken und Verwirrung
verbreiten, als diese Geschichte.
Nur der Schrecken in den rheinischen
Bistümern war größer, als es sich die muntern
Franzosen einfallen ließen, die schon bei dem ersten Zusammentreten
in Gesellschaft verlorne Rechte der Menschheit hervorzusuchen.
Und natürlich; man erinnerte sich hierbei des berühmten
Sankt Veits Tanzes, der einstens ansteckend durch alle Provinzen
und Reiche Europas sich ausbreitete, und die Köpfe der Europäer,
besonders der Teutschen, so verwirrte und erhitzte, daß
sich Ritter und Bauer, Graf und Troßknecht, Bischof und
Dorfpfarrer, Edelfrau und Bettlerin, Gräfin und Kammerjungfer
untereinander und durcheinander an den Händen faßten,
und in wilden, unsinnigen Kreisen, von Dorf zu Dorfe, von Stadt
zu Stadt, herum tanzten, bis sie alle erschöpft, und die
Geschwächtesten von ihnen leblos niedersanken.
Da nun der Prior der Dominikaner diesen Vorfall erfuhr, rannte
er nach dem versammelten Kapitul, und gab durch diesen Bericht
auf einmal der Sache eine neue Wendung.
Der Erzbischof hätte
nun gern den ganzen Handel unterdrückt; aber jetzt lag dem
Kapitul dran, ihn auszubreiten, und alle Domherrn stimmten einmütig
darauf, die bedenkliche Sache müßte dem Heiligen Vater
in Rom vorgelegt werden.
Man schrie, raste, tobte, drohte, und
nur die Mittagsglocke konnte die Streitenden auseinander bringen.
Die offne Fehde verwandelte sich bald in eine feinere.
Von Hofe
aus fing man an zu bestechen, im Kapitul zu intrigieren, und ganz
Mainz, Mönch und Laie, zerfiel auf einige Jahre in zwei Teile,
so daß sie nichts sahen, hörten, von nichts sprachen
und träumten, als dem Teufel, der weißen Nonne und
dem Pater Gebhardt.
Auf den Kathedern jeder Fakultät ward
darüber diskutiert; die Kasuisten, nachdem sie die Nonne
und den Pater ad protocollum genommen und gegeneinander gestellt
hatten, schrieben Foliobände über alle die möglichen
sündigen und nicht sündigen Fälle der Träume.
War dies eine Zeit für Fausten und seine Erfindung?
3
In Frankfurt nun, dem stillen Sitz der Musen, dem Schutzort der
Wissenschaften, hoffte Faust beßres Glück.
Er bot dem
erlauchten Rat seine Bibel für zweihundert Goldgulden an;
da man aber vor einigen Wochen fünf Stück Fässer
Rheinwein in den Ratskeller gekauft hatte, so fand sein Gesuch
so leicht nicht statt.
Er hofierte den Schöppen, dem Schultheiß,
den Senatoren, vom stolzen Patrizier bis zu dem noch stolzern
Ratsherrn der Schuhmacherzunft.
Man versprach ihm überall
Huld, Schutz und Gnade.
Zuletzt hielt er sich vorzüglich
an den regierenden Bürgermeister, wobei er aber bisher weiter
nichts gewann, als daß die Frau Bürgermeisterin eine
gewaltige Flamme in seinem leichtfangenden Busen anzündete.
Eines Abends versicherte ihn der Bürgermeister, daß
man ersten Tages einen Ratsschluß fassen würde, vermöge
welchem die gesamte Judenschaft gehalten sein sollte, Mann für
Mann, die Summe für die Bibel herzuschießen.
Da Faust
bemerkt hatte, daß seine Kinder Hungers sterben könnten,
bevor eine so aufgeklärte Versammlung einstimmig würde,
so ging er ohne Hoffnung, voller Liebe und Grimm auf seine einsame
Stube.
In diesem Mißmut nahm er seine Zauberformeln vor.
Der Gedanke, etwas Kühnes zu wagen, und Unabhängigkeit
von den Menschen durch die Verbindung mit dem Teufel zu suchen,
schoß lebhafter als je durch sein Gehirn.
Noch erschütterte
ihn die Vorstellung davon.
Mit heftigen Schritten, wütenden
Gebärden, unter fürchterlichen Ausrufungen, ging er
in seinem Zimmer auf und ab, und kämpfte mit seinen innern,
aufrührerischen Kräften.
Kühn strebten diese, das
Dunkel zu durchbrechen, das uns umhüllt, noch schaudert sein
Geist vor dem Entschluß; aber nun wägt der Lüsterne
die Befriedigung der unersättlichen Begierden seines Herzens,
die längst gewünschte Genüsse der ganzen Natur,
gegen die Vorurteile der Jugend, die Armut und die Verachtung
der Menschen.
Schon schwankt die Zunge der Waage.
Die Glocke schlägt
elf auf dem nahen Turme.
Schwarze Nacht liegt auf der Erde.
Der
Sturm heult aus Norden, die Wolken verhallen den vollen Mond,
die Natur ist im Aufruhr.
Eine herrliche Nacht, die empörte
Einbildungskraft zu verwildern.
Noch schwankt die Zunge der Waage.
In dieser Schale tanzen leicht Religion und ihre Stütze,
die Furcht vor der Zukunft.
Die Gegenschale schlägt sie hinauf;
Durst nach Unabhängigkeit und Wissen, Stolz, Wollust, Groll
und Bitterkeit füllen sie.
Ewigkeit und Verdammnis schallen
nur dumpf in seiner Seele.
So strauchelt die Jungfrau, welche
die glühenden Küsse des Geliebten auf dem Busen fühlt,
zwischen den Lehren der Mutter und dem Zuge der Natur.
So schwankt
der Philosoph zwischen zwei Sätzen, dieser ist wahr, jener
glänzend und führt zu dem Ruhme; welchen wird er wählen?
Nun zog Faust, nach der Vorschrift der Magie, den fürchterlichen
Kreis, der ihn auf ewig der Ob- und Vorsicht des Höchsten,
und den süßen Banden der Menschheit entreißen
sollte.
Seine Augen glühten, sein Herz schlug, seine Haare
stiegen auf seinem Haupt empor.
In diesem Augenblick glaubte er
seinen alten Vater, sein junges Weib und seine Kinder zu sehen,
die in Verzweiflung die Hände rangen.
Dann sah er sie auf
die Knie fallen, und für ihn zu dem beten, dem er eben entsagen
wollte.
>>Es ist der Mangel, es ist mein Elend, das sie in
Verzweiflung stürzt<<; schrie er wild, und stampfte mit
dem Fuße auf den Boden.
Sein stolzer Geist zürnte der
Schwäche seines Herzens.
Er drang abermals nach dem Kreise,
der Sturm rasselte an seinen Fenstern, die Grundfeste des Hauses
zitterte.
Eine edle Gestalt trat vor ihn, und rief ihm zu:
>>Faust!
Faust!
<<
Faust.
Wer bist du, der du mein kühnes Werk unterbrichst?
Gestalt.
Ich bin der Genius der Menschheit, und will dich
retten, wenn du zu retten bist.
Faust.
Was kannst du mir geben, meinen Durst nach Wissen,
meinen Drang nach Genuß und Freiheit zu stillen?
Gestalt.
Demut, Unterwerfung im Leiden, Gnügsamkeit
und hohes Gefühl deines Selbsts; sanften Tod und Licht nach
diesem Leben.
Faust.
Verschwinde, Traumbild meiner erhitzten Phantasie,
ich erkenne dich an der List, womit du die Elenden täuschest,
die du der Gewalt unterworfen hast.
Gaukele vor der Stirne des
Bettlers, des zertretnen Sklaven, des Mönchs, und aller derer,
die ihr Herz durch unnatürliche Bande gefesselt haben, und
ihren Sinn durch Kunst hinaufschrauben, um der Klaue der Verzweiflung
zu entwischen.
Die Kräfte meines Herzens wollen Raum, und
der verantworte für ihr Würken, der mir sie gegeben
hat.
>>Du wirst mich wiedersehen<<, seufzte der Genius, und
verschwand.
Faust rief: >>Necken mich die Märchen der Amme noch am
Rande der Hölle?
Sie sollen mich nicht abhalten, das Dunkel
zu durchbrechen.
Ich will Wissen, was der düstre Vorhang
verbirgt, den eine tyrannische Hand vor unsre Augen gezogen hat.
Hab ich mich so gebildet, daß das Los der Beschränktheit
meine Kraft empört?
Hab ich die Flamme der Leidenschaft in
meinem Busen angeblasen?
Hab ich den Trieb, immer zu wachsen,
und nie stille zu stehen, in mein Herz gelegt?
Hab ich meinen
Geist so gestimmt, daß er sich nicht unterwerfen, und die
Verachtung nicht ertragen kann?
Wie ich, der Topf, von fremder
Hand gebildet, soll darum einst gewaltsam zerschlagen werden,
weil er dem Werkmeister nicht nach seinem Sinn gelang, weil er
dem niedrigen Gebrauche nicht entspricht, zu dem er ihn geformt
zu haben scheint?
Und immer nur Gefäß, immer nur Werkzeug,
immer nur Unterwerfung; wozu denn dies widersprechende lautschreiende
Gefühl von Freiheit und eigner Kraft dem Sklaven?
Ewigkeit!
Dauer!
Schallt ein Sinn heraus?
Was der Mensch fühlt, genießt
und faßt, nur das ist sein, alles übrige ist Erscheinung,
die er nicht erklären kann.
Der Stier nutzt die Kraft seiner
Hörner und trotzt auf sie, der Hirsch seine Leichtigkeit,
dem Jäger zu entfliehen; ist das, was den Menschen von ihnen
unterscheidet, weniger sein?
Ich hab es lange genug mit den Menschen,
und allem dem, was sie ersonnen, versucht; sie haben mich in Staub
getreten, Schatten habe ich für Wahrheit ergriffen, laß
mich's nun mit dem Teufel versuchen!
<<
Hier sprang er wild begeistert in den Kreis hinein, und Klagegetön
seines Weibes, seiner Kinder, seines Vaters erschollen in der
Ferne: >>Ach verloren!
ewig verloren!
<<
4
Satan, der Herrscher der Hölle, hatte durch schrecklichen
Hörner-Schall, der an der glühenden Scheibe der Sonne
widertönte, allen gefallnen Geistern, auf der Ober- und in
der Unterwelt, kund tun lassen, daß er heute ein großes
Freudenfest geben würde.
Die höllischen Geister versammelten
sich auf den mächtigen Ruf.
Selbst seine Abgesandten beim
päpstlichen Stuhl und den Herrschern Europas verließen
ihre Posten, denn die Einladung ließ etwas Großes
und Wichtiges vermuten.
Schon ertönte das ungeheure Gewölbe
der Hölle von dem wilden Geschrei des Pöbels der Geister.
Myriaden lagerten sich auf den verbrannten, unfruchtbaren Boden.
Nun traten die Fürsten hervor, und geboten Schweigen der
Menge, damit Satan die Berichte seiner Abgesandten der Oberwelt
vernehmen könnte.
Die Teufel gehorchten, und eine schaudervolle
Stille herrschte durch die dicke, düstre Finsternis, die
nur das Gewinsel der Verdammten unterbrach.
Die Sklaven der Teufel,
Schatten, die weder der Seligkeit noch der Verdammnis wert sind,
bereiteten die unzählichen Tische zum Schmause, und sie verdienen
dies Los der schändlichsten Knechtschaft.
Als sie noch in
Fleisch und Bein die Früchte der Erde aßen, waren sie
von jener zweideutigen Art, die aller Menschen Freund sind, ohne
es von einem zu sein.
Deren Zungen von den herrlichen Lehren der
Tugend plappern, ohne daß ihr Herz sie fühlt.
Die das
Böse nur darum unterlassen, weil es Gefahr mit sich führt,
und das Gute, weil es Mut und Verleugnung erfordert.
Die mit der
Religion wuchern, und sie wie der filzigte Jude sein Kapital auf
Zinsen legen, in der Meinung, ihren elenden Seelen ein gutes Behältnis
zu sichern.
Die Gott aus Furcht anbeten, und vor ihm wie Sklaven
zittern.
Die Teufel, die wahrlich keine beßre Herren sind,
als die polnischen, ungarischen und livländischen Edelleute,
reiten sie dafür in der Hölle wacker herum.
Indessen
schwitzten ihre Brüder in den höllischen Küchen,
das Mahl für ihre strengen Herren zuzurüsten; ein schreckliches
Geschäft für eine Seele, die einst einen menschlichen
Körper durch Fraß, Soff und üppigkeit aufgerieben
hat.
Denn obgleich die Teufel weder essen noch trinken, so haben
sie den Menschen doch den Gebrauch abgelernt, jede Feierlichkeit
durch Fressen und Saufen merkwürdig zu machen, und bei solchen
Gelegenheiten halten sie ein Seelenmahl.
Der Anführer jeder
Legion (denn die Hölle ist auf militärischen Fuß
eingerichtet, und gleicht darin jedem despotischen Reiche; oder
vielmehr jedes despotische Reich gleicht darin der Hölle)
wählt eine gefällige Anzahl verdammter Seelen zum Schmause
für seine Untergebenen.
Diese übergeben sie den Sklaven,
die sie sieden, braten und mit höllischer Brühe begießen.
Oft trifft es sich, daß einer dieser Elenden seinen Vater,
sein Weib, Sohn, Tochter oder Bruder an den Spieß stecken,
und das peinliche Feuer unter ihm unterhalten muß - eine
schreckliche, wahrhaft tragische Lage, noch tragischer, da ihre
Aufseher, mutwillige Teufel, wie alle Diener großer Herren,
mit der Geißel hinter ihnen stehen, das Werk zu befördern.
Ich empfehle diese Situation den Tragikern Teutschlands.
Heute
wurden für den Gaumen des Großherrn, seiner Viziere
und Günstlinge zwei Päpste, ein Eroberer, ein berühmter
Philosoph, und ein neu geprägter Heiliger zugerichtet.
Für
den Pöbel der Hölle waren ganz frische Viktualien angekommen.
Der Papst hatte vor kurzem zwei Heere Franzosen, Teutscher, Italiener
und Spanier gegen einander getrieben, um einige Herrschaften in
dem Tumult zu fischen, die Verlassenschaft des heiligen Peters
zu ründen.
Sie schlugen sich wie Helden, und fuhren zu Tausenden
zur Hölle.
Welch ein Glück wäre es für die
zu der Tafel der Teufel bestimmten Seelen, wenn sie dadurch das
Ende ihrer Qual fänden; da sie diese aber stückweise
in die Sümpfe der Hölle ausschütten, so wachsen
sie wieder zusammen, und stehen zu neuen Martern auf.
Während diese an den Bratspießen winselten, besetzten
die Kellermeister und Schenken, alle Schatten gemeldeter Art,
die Kredenztische.
Die Flaschen waren gefüllt mit Tränen
der Heuchler, falscher Witwen, der Scheinheiligen, der Empfindsamen,
und der aus Schwäche Reuigen.
Mit Tränen, die der Neid
bei dem Glück eines andern auspreßt, mit Tränen
der Egoisten, die sie bei dem Unglück eines andern aus Freude
weinen, daß es sie nicht getroffen.
Mit Tränen lustiger
Erben, und mit Tränen der Söhne, die sie bei dem Sarge
der geizigen, harten Väter weinen.
Die Flaschen zu dem Nachtische
waren gefüllt mit Tränen der Priester, die die Rolle
des Komödianten auf den Kanzeln spielen, ihre Zuhörer
zu rühren; und um das Getränk schärfer zu machen,
mischte man Tränen der H--n darunter, die aus Hunger so lange
weinen, bis ein Kunde kommt, die Sünde für Geld mit
ihnen zu treiben.
Zu diesen goß man noch Tränen der
Kuppler, Kupplerinnen, der ärzte und schelmischen Advokaten,
die sie über schlechte Zeiten vergießen.
Für den
Satan und die Fürsten stunden, auf besondern Kredenztischen,
Flaschen des edelsten Getränks.
Es war berauschend, schäumend
und sprudelnd; ein Gemisch von Tränen der Herrscher der Welt,
die sie über das Unglück ihrer Untertanen weinen, während
sie Befehle erteilen, die es auf Jahrhunderte befördern.
Von Tränen der Jungfrauen, die den Verlust ihrer Keuschheit
betrauern, und sich mit noch nassen Augen prostituieren.
Zu diesen
hatte man Tränen begünstigter Großen gegossen,
die in Ungnade gefallen sind, und nun weinen, daß sie unter
dem Schutz ihres Herrn nicht mehr rauben und unterdrücken
können.
5
Als nun diese Elenden die Tische besorgt hatten, und so demütig
hinter den Sitzen ihrer Gebieter stunden, als ein Teutscher vor
einem Fürsten, so traten die Großen der Hölle
aus den Gemächern des Satans.
Die Gefährten der Menschen
- die Sünde, das scheußliche Gespenst der Vernichtung,
der Hunger, die Krankheit, die Pest, der Krieg, die Ungerechtigkeit,
die Armut, die Verzweiflung, die Herrschsucht, die Gewalt, der
Stolz, die Verachtung, der Reichtum, der Geiz, die Wollust, der
Wahn, der Neid, die Neugierde und die Lüsternheit, gingen
als wohlbestallte Fouriere des satanischen Hofes voraus.
Ihnen
folgten Trabanten, diesen die Kammerherren.
Nun die Pagen mit
brennenden Fackeln, die aus Seelen der Mönche geflochten
waren, die den Weibern die Kinder machen, und den Ehemann auf
dem Todbette drängen, sein Vermögen der Kirche zu vermachen,
ohne Rücksicht, daß ihre eigne ehebrecherische Brut
im Lande herumbetteln muß.
Dann trat der mächtige Satan
heraus, und ihm folgten die übrigen Großen seines Hofs,
nach Gunst und Rang.
Die Teufel beugten sich ehrfurchtsvoll nieder,
die Pagen stellten die Fackeln auf den Tisch des Großherrn,
und nun stieg er mit stolzer und siegreicher Miene auf seinen
erhabenen Thron, und hielt folgende Rede:
>>Fürsten, Mächtige, unsterbliche Geister, seid
mir alle willkommen!
Wollust durchglüht mich, wenn ich über
euch zahllose Helden hinblicke!
Noch sind wir, was wir damals
waren, da wir zum erstenmal in diesem Pfuhl aufwachten, zum erstenmal
uns sammelten!
Nur hier herrscht Ein Gefühl, nur in
der Hölle herrscht Einigkeit, nur hier arbeitet jeder auf
einen gewissen Zweck.
Wer über euch gebietet, kann leicht
den einförmigen Glanz des Himmels vergessen.
Ich gestehe,
wir haben viel gelitten, und leiden noch, da die Ausübung
unsrer Kräfte von dem beschränkt ist, der uns mehr zu
fürchten scheint, als wir ihn; aber in dem Gefühl der
Rache, die wir an den Söhnen des Staubs, seinen schwachen
Günstlingen nehmen, in der Betrachtung ihres Wahnsinns und
ihrer Laster, wodurch sie unaufhörlich seine Zwecke zerrütten,
liegt Ersatz für dieses Leiden.
Heil euch allen, die dieser
Gedanke hoch entflammt!
Vernehmt nun die Veranlassung zu dem Feste, das ich heute mit
euch feiren will.
Faust, ein kühner Sterblicher, der
gleich uns mit dem Ewigen hadert, und durch die Kraft seines Geistes
würdig werden kann, die Hölle einst mit uns zu bewohnen,
hat die Kunst erfunden, die Bücher, das gefährliche
Spielzeug der Menschen, die Fortpflanzer des Wahnsinns, der lrrtümer,
der Lügen und Greuel, die Quelle des Stolzes, und die Mutter
peinlicher Zweifel, auf eine leichte Art tausend und tausendmal
zu vervielfältigen.
Bisher waren sie zu kostbar, und nur
in den Händen der Reichen, blähten nur diese mit Wahn
auf, und zogen sie von der Einfalt und Demut ab, die der Ewige
zu ihrem Glück in ihr Herz gelegt hat, und die er von ihnen
fordert.
Triumph!
bald wird sich das gefährliche Gift des
Wissens und Forschens allen Ständen mitteilen!
Wahnwitz,
Zweifel, Unruhe und neue Bedürfnisse werden sich ausbreiten,
und ich zweifle, ob mein ungeheures Reich sie alle fassen möge,
die sich durch dieses reizende Gift hinrichten werden.
Doch dieses
wäre nur ein kleiner Sieg, mein Blick dringt tiefer in die
ferne Zeit, die für uns der Umlauf des Seigers ist.
Die Zeit
ist nah, wo die Gedanken und Meinungen kühner Erneurer und
Beeckler des Alten, durch Fausts Erfindung, um sich greifen werden,
wie die Pest.
Sogenannte Reformatoren des Himmels und der Erde
werden aufstehen, und ihre Lehren werden, durch die Leichtigkeit
der Mitteilung, bis in die Hütte des Bettlers dringen.
Sie
werden wähnen, Gutes zu stiften, und den Gegenstand ihres
Heils und ihrer Hoffnung vom falschen Zusatze zu reinigen; aber
wenn gelingt dem Menschen das Gute, und wie lange ist er dessen
mächtig?
die Sünde ist ihnen nicht näher, als böse
Folgen und Mißbrauch ihren edelsten Bemühungen.
Das
vielgeliebte Volk des Mächtigen, das er durch ein uns furchtbares
Wunder der Hölle auf immer entreißen wollte, wird über
Meinungen, die keiner begreift, in blutigen Krieg zerfallen, und
sich zerreißen wie die wilden Tiere des Waldes.
Greuel werden
Europa verwüsten, die allen Wahnsinn übertreffen, den
die Menschen von ihrem Beginnen gerast haben.
Meine Hoffnungen
scheinen euch zu kühn, ich sehe es an euren zweifelnden Blicken,
so hört denn: Religionskrieg heißt diese neue Wut,
wovon die alte Geschichte der Frevel und Rasereien der Menschen
kein Beispiel hat.
Aus der uns furchtbaren Religion sogen ihn
die Unsinnigen.
Einmal hat er schon gewütet, und dort heulen
die in dem glühenden Pfuhl, die ihn erweckten; aber nun erst
wird der Fanatismus, der wilde Sohn des Hasses und des Aberglaubens,
alle Bande der Natur und der Menschheit gänzlich auflösen.
Dem Furchtbaren zu gefallen, wird der Vater den Sohn, der Sohn
den Vater ermorden.
Könige werden frohlockend ihre Hände
in das Blut ihrer Untertanen tauchen, den Schwärmern das
Schwert überliefern, ihre Brüder zu Tausenden zu ermorden,
weil sie andrer Meinung wie sie sind.
Dann wird sich das Wasser
der Ströme in Blut verwandeln, und das Geschrei der Ermordeten
wird selbst die Hölle erschüttern.
Wir werden Verbrecher
mit Lastern besudelt herunterfahren sehen, wofür wir bis
jetzo weder Namen noch Strafe haben.
Schon seh ich sie den päpstlichen
Stuhl anfallen, der das lockre Gebäude durch List und Betrug
zusammenhält, während er sich durch Laster und üppigkeit
selbst untergräbt.
Die Stützen der uns fürchterlichen
Religion stürzen zusammen, und wenn der Ewige dem sinkenden
Gebäude nicht durch neue Wunder zu Hülfe eilt, so wird
sie von der Erde verschwinden, und wir werden nochmals in den
Tempeln als angebetete Götter glänzen.
Wo bleibt der
Geist des Menschen stehen, wenn er angefangen hat, das zu beleuchten,
was er als Heiligtum verehrt hat?
Er tanzt auf dem Grabe des Tyrannen,
vor dem er noch gestern gezittert, zerschlägt gänzlich
den Altar, auf dem er geopfert hat, wenn er einmal unternimmt,
dem Weg zum Himmel auf seine Weise nachzuspähen.
Wer mag
ihren rastlosen Geist auf Jahrtausende fesseln?
Vermag der, der
sie geschaffen, nur einen sich so zuzueignen, daß er nicht
millionenmal unserm Reiche näher, als dem seinen sei?
Alles
mißbraucht der Mensch, die Kraft seiner Seele und seines
Leibes; alles, was er sieht, hört, betastet, fühlt und
denkt, womit er spielt und womit er sich ernsthaft beschäftigt.
Nicht zufrieden, das zu zertrümmern und zu verunstalten,
was er mit den Händen fassen kann, schwingt er sich auf den
Flügeln der Einbildungskraft in ihm unbekannte Welten, und
verunstaltet sie wenigstens in der Vorstellung.
Selbst die Freiheit,
ihr höchstes Gut, wenn sie auch Ströme Bluts dafür
vergossen, verkaufen sie für Gold, Lust und Wahn, wenn sie
dieselbe kaum gekostet haben.
Des Guten unfähig, zittern
sie vor dem Bösen, häufen Greuel auf Greuel, ihm zu
entfliehen, und zerschlagen dann wieder ihrer Hände Werk.
Nach den blutigen Kriegen werden sie, vom Morden ermüdet,
einen Augenblick rasten, und der giftige Haß wird sich nur
in heimlichen Tücken zeigen.
Einige werden diesen Haß
unter dem Schatten der Gerechtigkeit zum Rächer des Glaubens
machen, Scheiterhaufen errichten, und die lebendig verbrennen,
die nicht ihrer Meinung sind.
Andere werden anfangen, die unerklärbaren
Verhältnisse und dunkle Rätsel zu benagen, und die zur
Finsternis Gebornen werden verwegen um Licht kämpfen.
Ihre
Einbildungskraft wird sich entflammen, und tausend neue Bedürfnisse
erschaffen.
Wahrheit, Einfalt und Religion werden sie mit Füßen
treten, um ein Buch zu schreiben, das einen Namen mache und Gold
einbringe.
Ja so weit wird dieses aufgeblasene Geschlecht hierinnen
den Wahnsinn treiben, daß sogar ihre Weiber - hört
es, alle ihr Kräfte und Geister der Hölle!
- daß
sogar ihre Weiber Bücher schreiben werden.
Ihr kennt die
eitlen Töchter Evas, und ich brauche euch nicht zu sagen,
was dieses für verzerrte Ungeheuer aus ihnen machen muß.
So wird nun das Bücherschreiben ein allgemeines Handwerk
werden, wodurch Genies und Stümper Ruhm und Fortkommen suchen,
unbekümmert, ob sie die Köpfe ihrer Mitbrüder verwirren,
und die Flamme an das Herz der Unschuldigen legen.
Den Himmel,
die Erde, den Furchtbaren selbst, die verborgene Kräfte der
Natur, die dunklen Ursachen ihrer Erscheinungen, die Macht, die
die Gestirne wälzt, und die Kometen durch den Raum schleudert,
die unfaßliche Zeit, alles Sichtbare und Unsichtbare werden
sie betasten, messen und begreifen wollen; für alles Unfaßliche
Worte und Zahlen erfinden, Systeme auf Systeme häufen, bis
sie die Finsternis auf Erden gezogen haben, wodurch nur die Zweifel
gleich den Irrwischen blitzen, die den Wandrer in Sumpf locken.
Nur dann werden sie helle zu sehen glauben!
und da erwarte ich
sie!
Wenn sie die Religion weggeräumt haben, wie alten Schutt,
und gezwungen sind, aus dem stinkenden überbleibsel ein neues
ungeheures Gemische von Menschenweisheit und Aberglauben zusammenzugießen,
dann erwarte ich sie!
Und dann machet weit die Tore der Hölle,
daß das Menschengeschlecht einziehe!
Der erste Schritt ist
geschehen, der zweite ist nah.
Noch eine schreckliche Revolution
auf dem Erdboden steht bevor.
Ich berühre sie nur mit flüchtiger
Eile.
Bald werden die Bewohner der alten Welt ausziehen, um neue,
ihnen bisher unbekannte Erdstriche zu entdecken.
Dort werden sie
Millionen in religiöser Wut erwürgen, um sich des Goldes
zu bemächtigen, das diese Unschuldigen nicht achten.
Diese
neuen Welten werden sie mit allen ihren Lastern erfüllen,
und Stoff zu scheußlichern der Alten zurückführen.
So werden Völker unsre Beute werden, die bisher Unschuld
und Unwissenheit vor unsrer Rache gesichert hat.
Jahrhunderte
werden sie im Namen des Furchtbaren den Erdboden mit Blute netzen;
und so sieget die Hölle durch die Günstlinge des Himmels
über den, der uns hierher geschleudert hat!
Dies ist es, ihr Mächtigen, was ich euch verkünden wollte,
und nun freut euch mit mir des festlichen herrlichen Tags, genießet
im voraus der Siege, die ich euch verspreche, weil ich die Menschen
kenne.
Höhnt des Ewigen der so lächerlich und widersinnig
in dem Sohne des Staubs das rohe Tier mit dem Halbgott zusammenspannte,
daß nun ein Teil den andern zerreibt!
Höhnt seiner
und ruft mit mir in Sieges-Gebrüll!
Es lebe Faust!<<
Erschreckliches Getöse, daß die Achse der Erde zitterte,
die Gebeine der Toten in den Gräbern zusammenrasselten, erscholl:
>>Es lebe Faust!
Es lebe der Vergifter der Söhne des
Staubs!
<<
Hierauf wurde der vornehmste Adel des dunkeln Reichs zur Anbetung,
dem Kniebeugen, Handkusse, das heißt zum Glückwunsche
zugelassen, und ich habe bisher noch nicht entdecken können,
ob der Satan diese hündische Gebräuche der Hofhaltung
der Fürsten der Erde; oder ob sie dieselben der seinen nachgeäfft
haben.
6
Nun warfen sich die frohlockenden Teufel an die Tische, und fielen
über das zugerichtete Mahl her.
Die Becher erklangen, die
Seelen knarrten unter ihren scharfen Zähnen, und man trank
des Satans, Fausts, der Klerisei, der Tyrannen der Erde, künftiger
und lebender Autoren Gesundheit, unter dem Knall der höllischen
Artillerie.
Um das Fest recht glänzend zu machen, fuhren
die Aufseher der Ergötzungen des Satans nach den Sümpfen
der Verdammten, trieben die brennenden Seelen heraus, und jagten
sie über die Tafeln, die düstre Szene zu erleuchten.
Sie ritten mit giftigen Peitschen hinter ihnen her, und zwangen
sie, sich grimmig zu balgen, und die Funken knasterten und leuchteten
am schwarzen Gewölbe, wie wenn in dunkler Nacht der Blitz
die Garben des Feldes anzündet.
Um die Ohren der Teufel beim
Schmause mit Tafelmusik zu kitzeln, eilten andre nach den Pfühlen,
gossen glühendes Metall in die Flamme, daß die Verdammten,
in gräßlicher Verzweiflung, heulten und fluchten.
Könnt
ich statt euren kalten und fruchtlosen Bußpredigten dieses
scheußliche Gewinsel auf die Erde ziehen!
wahrlich die Sünder
würden ihr Ohr dem wollüstigen Gesang der Kastraten,
und dem üppigen Geflüster der Flöten verschließen,
und reuig Psalmen anstimmen.
Umsonst, weit entfernt ist die Hölle,
und nah das Vergnügen!
Hierauf wurden auf einem großen
Theater Schauspiele aufgeführt, die die Heldentaten des Satans
darstellten (denn da der Teufel Dichter an seinem Hofe hält,
so hat er auch Schmeichler); zum Beispiel: die Verführung
Evas, Judas Ischariot etc.
Dann verwandelte sich das Theater zur Vorstellung eines allegorischen
Ballets.
Die Szene stellte eine wilde Gegend vor.
In einer dunklen
Höhle saß die Metaphysik, eine hagre, lange
Gestalt, die ihre Augen auf fünf schimmernde Worte heftete,
die sich beständig hin und her bewegten, und bei jeder Veränderung
einen andern Sinn vorstellten.
Der Hagre ließ nicht nach,
ihnen mit seinen starren Augen zu folgen.
In einem Winkel stund
ein kleiner schelmischer Teufel, der ihm zu Zeiten Blasen mit
Wind gefüllt an die Stirne warf.
Der Stolz, des Hagern
Amanuensis, las sie auf, drückte den Wind heraus, und knetete
ihn zu Hypothesen.
Der Hagre war in ein egyptisches Unterkleid
gehüllt, das mit mystischen Figuren besäet war.
über
diesem trug er einen griechischen Mantel, der diese mystische
Zeichen bedecken sollte, wozu er aber viel zu kurz und zu enge
war.
Seine Beinkleider waren weite Pumphosen, sie deckten aber
seine Blöße nicht.
Ein großer Doktorhut deckte
sein kahles Haupt, auf dem man nur die Ritze sah, die er mit seinen
langen Nägeln bei scharfem Nachdenken hineingerissen.
Seine
Schuhe waren nach europäischem Zuschnitte gemacht, und mit
dem feinsten Staube der Universitäten und Gymnasien bestreut.
Nachdem er lange auf die schwankenden Worte geblickt hatte, ohne
einen Sinn zu fassen, winkte der Stolz dem Wahn
, der auf des Hagern Linke stund.
Dieser ergriff eine hölzerne
Pfennigstrompete, und blies einen Tanz.
Da das hagre Gerippe das
Geplärre hörte, faßte er den Stolz an der
Hand, und tanzte mit ihm, in taktlosen Sprüngen, herum.
Seine
mürbe dünne Beine konnten es nicht lange aushalten,
und er sank bald atemlos in seine vorige Stellung.
Ihm folgte die Moral, eine sehr feine Gestalt, in einen Schleier
gehüllt, der, wie der Chamäleon, alle Farben spielte.
Sie hielt die Tugend und das Laster an den Händen,
und tanzte ein Trio mit ihnen.
Ein nackender Wilde blies dazu
auf einem Haberrohr, ein europäischer Philosoph strich die
Geige, ein Asiate schlug die Trommel, und obgleich diese widrige
Töne ein harmonisches Ohr zerrissen hätten, so kamen
doch die Tanzenden nicht aus dem Takt, so gut hatten sie ihre
Schule gelernt.
Gab die feine Dirne dem Laster die Hand, so gaukelte
sie wie eine Buhlschwester, floh lockend vor ihm her, gab alsdann
der Tugend die Hand, und bewegte sich in den sittsamen Schritten
der Matrone.
Nach dem Tanze ruhte sie auf einer dünnen, durchsichtigen
und schöngemalten Wolke aus, die ihre Verehrer aus vielen
Fetzen zusammengeflickt hatten.
Nach ihr erschien die Poesie, in der Gestalt eines unbekleideten,
wollüstigen Weibes.
Sie tanzte mit der Sinnlichkeit
einen üppigen, sehr figürlichen und darstellenden Tanz,
wozu die Einbildungskraft die Flöte d'amour blies.
Hierauf trat die Geschichte auf.
Vor ihr her ging die Fama,
mit einer langen ehernen Trompete.
Sie selbst war behangen mit
Erzählungen von Mordtaten, Vergiftungen, Verschwörungen,
Betrügereien und andern Greueln.
Hinter ihr keuchte ein starker,
nervigter, teutschgekleideter Mann, unter einer ungeheuren Bürde
von Chroniken, Diplomen und Dokumenten.
Sie tanzte unter dem Gerassel
der Erzählungen, womit sie behangen war, mit der Sklaverei;
die Lüge nahm der Fama die Trompete von dem Munde
weg, stimmte den Tanz an, und die Schmeichelei zeichnete
ihr die Figuren vor.
Dann fuhren mit lautem Gelächter auf die Szene, die Medizin
und Scharlatanerie, tanzten eine Menuet, wozu der Tod
mit einem Beutel voll Gold die Musik klimperte.
Hierauf erschienen die Astrologie, die Kabbala,
Theosophie und Mystik, sie hatten sich an den Händen
gefaßt, und trieben sich wild in dunklen Figuren herum,
wozu der Aberglaube, Wahnsinn und Betrug
auf Waldhörnern bliesen.
Diesen folgte die Jurisprudenz, eine feiste, gut genährte
Gestalt, mit Sporteln gefüttert, und mit Glossen behangen.
Sie keuchte ein mühsames Solo, und die Schikane strich
den Baß dazu.
Zuletzt fuhr die Politik in einem Siegeswagen herein, den
zwei Mähren zogen, Schwäche und Betrug.
Zu ihrer Rechten saß die Theologie, in einer Hand
einen scharfen Dolch haltend, in der andern eine brennende Fackel.
Sie selbst trug eine goldne Krone auf dem Haupt, und einen Zepter
in der Rechten.
Sie stieg aus dem Wagen, und tanzte mit der Theologie
ein Pas de deux, wozu List, Herrschsucht und Tyrannei
auf ganz leisen und sanften Instrumenten spielten.
Nachdem sie
das Pas de deux geendet hatte, gab sie den übrigen Gestalten
ein Zeichen, einen allgemeinen Tanz zu beginnen.
Sie folgten dem
Wink, und sprangen in wilder Verwirrung herum.
Alle obengemeldete
spielten ihre Instrumente dazu, ein Geheul, das die Tafelmusik
des Satans nur an Getöse übertraf.
Doch bald mischte
sich die Zwietracht unter die vertraulich Tanzenden.
Sie griffen
nach den Waffen, von Wut und Eifersucht entflammt.
Da die Theologie
wahrnahm, daß sie alle die wollüstige Poesie umarmten,
und der Moral, ihrer Todfeindin, den Schleier abreißen wollten,
sich damit zu bedecken, gab sie dieser einen Dolchstich von hinten,
und verbrannte der geliebkosten Dichtkunst, mit der brennenden
Fackel, den Steiß.
Diese beiden erhuben ein fürchterliches
Geheul; die Politik verwies die Entflammten zur Ruhe, und die
Scharlatanerie nahte, um die Wunde der Moral zu verbinden, indessen
schnitt die Medizin einen Fetzen von ihrem Talar zur Bezahlung
ab.
Der Tod streckte unter dem Mantel der diebischen Medizin die
Klaue hervor, um die Moral zu ergreifen, die Politik aber schlug
ihn so heftig darauf, daß er laut heulte, und fürchterlich
grinste.
Die Poesie ließen sie, mit verbranntem Steiße,
herumhüpfen, weil sie nackend, und ihr nichts abzuschneiden
war.
Endlich erbarmte sich ihrer die Geschichte, und legte ihr
ein nasses Blatt aus einem empfindsamen Roman drauf.
Die Politik
spannte sie alsdann alle zusammen vor ihren Wagen, und fuhr im
Triumphe davon.
Die ganze Hölle schlug Beifall in die Hände bei der
letzten Vorstellung, und Satan umarmte den Teufel Leviathan, der
dieses Schauspiel veranstaltet, und ihm so süß geschmeichelt
hatte; denn es war eine seiner stolzen Grillen, von den Teufeln
für den Erfinder der Wissenschaften gehalten zu werden.
Oft
sagte er in seinem übermut: >>Er habe sie einst mit den
Töchtern der Erde im Ehebruch gezeugt, um die Menschen von
dem graden, einfachen und edlen Gefühl ihres Herzens abzulenken,
ihnen den Schleier ihres Glücks vor den Augen wegzureißen,
sie mit ihrer Beschränktheit und Schwäche bekannt zu
machen, und ihnen peinigende Zweifel über ihre Bestimmung
einzuimpfen.
Er habe sie dadurch gelehrt, über den Ewigen
und die Tugend zu vernünfteln, damit sie vergessen möchten,
diesen anzubeten, und jene auszuüben.
>>Wir<<, setzte
er dann hinzu, >>haben mit offnen und kühnen Waffen den
Himmel bekriegt, ihnen hab ich wenigstens die Mittel an die Hand
gegeben, unaufhörlich mit dem Ewigen zu scharmutzieren.<<
Elende Prahlerei!
werden sich die Menschen das nehmen lassen,
worauf sie nie stolzer sind, als wenn sie es mißbrauchen?
Man bewundre doch hier einen Augenblick mit mir, wie sich darinnen
alle Höfe gleichen, daß meistens die Großen durch
das Verdienst, die Arbeit, den Schweiß der Kleinen die Gunst
des Fürsten gewinnen, und die Belohnung davon tragen.
Leviathan
gibt sich geradezu für den Erfinder dieses allegorischen
Ballets aus, läßt sich dafür liebkosen und danken,
gleichwohl ist der Autor davon der bayerische Hofpoet, der erst
kürzlich Hungers, folglich in Verzweiflung, gestorben und
so zur Hölle gefahren war.
Er verfertigte dieses Ballet auf
des Fürsten Leviathans Befehl, der den Sinn hatte, Talente
auszuspähen, nach dem neusten Geschmack seines Hofes,
und legte vermutlich die giftige Anspielung auf die Wissenschaften
darum hinein, weil sie ihn so schlecht genährt hatten.
Vielleicht
auch, daß Leviathan, der so gut wußte, was dem Satan
gefiel, ihm den Wink dazu gegeben hat.
Es sei wie ihm wolle, dieser
erntete den Lohn ein, und der dünne Schatten des bayerischen
Hofpoets saß kauernd hinter einem Felsen des Theaters, und
sah mit tiefem Schmerz, wie der Satan den Leviathan für seine
Arbeit liebkoste.
7
Die frohen, berauschten Teufel lärmten hierauf, daß
sie das Geheul der Verdammten selbst überbrüllten.
Auf
einmal erscholl Fausts mächtige Stimme von der Oberwelt durch
die Hölle.
Es war ihm gelungen, durch seinen Zauber bis in
den Abgrund zu dringen, und einen der ersten Fürsten des
schwarzen Reichs aufzufordern.
Seiner Gewalt war nicht zu widerstehen.
Frohlockend fuhr Satan auf: >>Es ist Faust, der da ruft; nur
dem Kühnen konnte es gelingen, nur der Verwegne konnte es
wagen, so gewaltsam an die ehernen Pforten der Hölle zu schlagen.
Auf!
ein Mann wie er ist mehr wert als tausend der elenden Schufte,
die wie Bettler sündigen, und auf eine alltägliche Art
zur Hölle fahren.<<
Er wandte sich zu dem Teufel Leviathan,
seinen Liebling:
>>Dich, den geschmeidigsten Verführer, den grimmigsten
Hasser des Menschengeschlechts, fordre ich auf, hinaufzufahren,
und mir die Seele dieses Kühnen durch deine gefährliche
Dienste zu erkaufen.
Nur du kannst das gierige Herz, den stolzen
rastlosen Geist dieses Verwegnen fesseln, sättigen, und dann
zur Verzweiflung treiben.
Fahre hinauf, verjage den Dunst der
Schulweisheit aus seinem Gehirne.
Segne durch das üppige
Feuer der Wollust, die edlen Gefühle seiner Jugend, aus seinem
Herzen.
öffne ihm die Schätze der Natur, treibe ihn
hastig ins Leben, daß er sich schnell überlade.
Er
sehe Böses aus Gutem entspringen, das Laster gekrönt,
Gerechtigkeit und Unschuld mit Füßen getreten, wie
es der Menschen Art ist.
Führe ihn durch die wilden, scheußlichen
Szenen des menschlichen Lebens, er verkenne den Zweck, verliere
unter den Greueln den Faden der Leitung und Langmut des Ewigen.
Und wenn er dann abgerissen steht von allen natürlichen und
himmlischen Verhältnissen, zweifelnd an der edlen Bestimmung
seines Geschlechts, der Sinn der Wollust und des Genusses in ihm
verdampft ist, er sich an nichts mehr halten kann, und der innre
Wurm erwacht, so zergliedere ihm mit höllischer Bitterkeit
die Folgen seiner Taten, Handlungen und seines Wahnsinns, und
entfalte ihm die ganze Verkettung derselben, bis auf künftige
Geschlechter.
Ergreift ihn dann die Verzweiflung, so schleudere
ihn herunter, und kehre siegreich in die Hölle zurück.<<
Leviathan.
Satan, warum wendest du dich abermals an mich?
Du weißt es, mir ist das ganze Menschengeschlecht und die
Erde, ihr Tummelplatz, längst zum Ekel geworden.
Was ist
aus den Kerls zu machen, die weder Kraft zum Guten noch Bösen
haben?
Den, der eine Zeitlang mit dem Phantom Tugend buhlt,
machen bald Gold, Ehrgeiz oder Wollust zum Schurken, und tritt
auch einer oder der andre kühn in die Bahn des Lasters, so
fährt er auf halbem Wege vor den Gespenstern seiner schwächlichen
Einbildungskraft zurück.
Ja, wenn es noch ein heißer,
stolzer Spanier, ein rachsüchtiger, spitzbübischer Italiener;
oder ein lustiger, verbuhlter Franzose wäre!
aber ein Teutscher?
träge Klötze, die sich vor Ansehen und Reichtum, vor
allen unnatürlichen Unterscheidungen der Menschen sklavisch
beugen, von ihren Fürsten und Großen glauben, sie seien
von edlerem Stoffe gemacht als sie, und ganze Kerle zu sein glauben,
wenn sie sich für sie totschlagen, oder zum Totschlagen an
andre Fürsten verkaufen lassen.
Vernimmst du seit Jahrhunderten
ein Wort von Empören gegen Tyrannei?
von Kampf und Blutvergießen
um Freiheit und die Rechte der Menschheit.
Sie glauben sich frei,
weil es ihre Fürsten und Bischöfe sind, die sie schinden
können, wie es ihnen gefällt.
Noch ist keiner von ihnen
auf eine stattliche Art zur Hölle gefahren, ein Beweis, daß
dies Volk keine sich auszeichnende Köpfe hat.
Ich meine von
jenen, die keck alle Verhältnisse benagen, den diamantnen
Schild Eigenheit erkämpfen, an dem sich alle himmlische
und irdische Vorurteile zerschlagen.
Zeige mir einen solchen Mann,
der auf die Gefahr seiner Seele groß sein und bleiben will,
und ich fahre hinauf.
Satan.
Leviathan, sollen Teufel sich von Vorurteilen blenden
lassen, wie die Söhne des Staubs?
Der Mann nach unserm Sinn
wird unter jedem Himmelsstrich geboren; dies wird er dir beweisen.
Er ist einer von denen, die die Natur zum Großen geschaffen,
mit allen heißen Leidenschaften ausstaffiert hat, und die
sich gegen die alten Verträge der Menschen empören.
Wenn ein solcher Geist durch dieses Spinnengewebe reißt,
so gleicht er einer Flamme, die durch ihre Heftigkeit den Stoff
ihres Glanzes nur schneller aufzehrt.
Er ist einer der Philosophen
auf Schöngeist gepfropft, die durch die Einbildungskraft
fassen wollen, was dem kalten Verstande versagt ist, und die,
wenn es ihnen mißlingt, alles Wissen verlachen, und den
Genuß und die Wollust zu ihrem Gott machen.
Fahr hinauf,
Leviathan, bald wird ein Feuer in Teutschland ausbrechen, das
ganz Europa umfassen wird.
Schon schießt der Keim des Wahnsinns
auf Jahrhunderte auf, und das, was der Teutsche einmal gefaßt
hat, davon läßt er nicht ab.
>>Bravo, satanische Majestät!
<< rief auf einmal ein
Schatten obiger Art, der hinter dem Satan zur Aufwartung stund;
>>mögen sich die Spötter dies merken.
Ja wohl, was
der Teutsche einmal gefaßt hat, davon läßt er
nicht ab!
<<
Die Teufel erstaunten über die Kühnheit des elenden
Schatten; aber Satan, der wegen des Ballets und Fausts Erfindung
bei guter Laune war, blickte ihn gnädig an, und sagte:
>>Wer bist du dünne Gestalt?
<< >>Ein teutscher
Doktor Juris, hochgebietender Satan!
Halte mir doch, Eure gestrenge
Majestät, zu Gnaden, wenn ich respektwidrig meine Empfindlichkeit
über die Verspottung meines Vaterlands zeigte, und zugleich
merken ließ, wie sehr mich das Lob Eurer Majestät ergötzte.
Dürft ich es nur untertänigst wagen, Teutschlands Verteidigung
gegen den großen und furchtbaren Fürsten Leviathan
zu übernehmen, ich bin gewiß, er würde es bald,
vor allen Ländern Europas, zu seinem Aufenthalt erwählen.
Satan lächelte, und sagte: >>Ich vergebe dir deine Kühnheit;
steige auf das Theater, und laß hören, was du zum Lobe
deines Vaterlands vorzubringen hast.
Es soll mir lieb sein, wenn
du die Teutschen bei dem Fürsten Leviathan in Gunst setzest.<<
Der Doktor Juris stieg keck auf die Bühne, sah sich um, und
erhub seine Stimme:
>>Vorerst, furchtbare Fürsten der Hölle, erlaubt
mir, daß ich einen allgemeinen Blick, auf Teutschlands weise
Verfassung werfe; gelingt mir dieses, wie ich mir schmeichele,
so will ich dann versuchen, jede Anklage des Fürsten Leviathans,
Stück für Stück, zu beantworten.
Vergebt mir, wenn
meine Beredsamkeit dem hohen Gegenstand nicht entspricht.
Noch
bin ich des Dampfes, Gebrauses und Geheuls der Hölle nicht
ganz gewohnt; ich lebte auf Erden immer in der Stille der fürstlichen
Gemächer, wo keiner laut zu schreien wagt, wenn auch selbst
der Tod, in der Gestalt einer peinigenden Kolik, in seinen Eingeweiden
wütete.
Auch ist es schwer, vor einer so gefährlichen
Gesellschaft ohne Zittern, und aus dem Stegreife zu reden; doch
Vaterlands-Liebe besiegt selbst die Schrecken der Hölle.
Aber nur in einem Teutschen!
Mögen es die Spötter merken!
Unser geliebtes Teutschland ist, wie alle Welt weiß, eine
wahre fürstliche Republik, bestehend aus welt- und geistlichen
Fürsten, Grafen, Baronen, und des Heiligen Römischen
Reichs Rittern, die sich alle unter dem erhabenen Glanze eines
einzigen Oberhaupts vereinigen.
Von welchem Lande kann man dies
sagen?
Kühn fordere ich die ganze Hölle auf, alle große
Geister, die sie in ihrem unendlichen Bezirk einschließt,
mir eine erhabnere Staats-Verfassung zu zeigen?
Gebt euch nur
die Mühe, ihr Spötter, die ihr mich mit euren Grimassen
verwirren möchtet, sie zu studieren; ihr werdet bald sehen,
daß es selbst für einen Teufel ein ungeheures Unternehmen
ist, das aber freilich die Mühe reichlich belohnt.
Sagt mir,
wo auf Erden glänzt das Feudalsystem**, das Meisterstück
der Gewalt und des menschlichen Verstandes, in seiner ganzen Pracht,
als in Teutschland?
Wo hat es sich so rein und vollkommen erhalten,
als in Teutschland?
Darum auch ist kein Reich auf Erden glücklicher,
als mein geliebtes Vaterland.
Fürsten- und Herren-Recht auf
der einen Seite; auf der andern Gehorsam, wie es sein muß.
Ich habe wohl ehedem Bücher über andre Staatsverfassungen
gelesen; aber sie wollen eben nicht viel sagen.
Sie sind vor Jahrtausenden
geschrieben, d.
nospace;i.
zu einer Zeit, wo die Staatsleute noch so
kindisch waren, ein langes und breites über das Volk und
dessen Gerechtsame zu schwatzen.
Wahrlich es ist mir unbegreiflich,
wie die Alten, die doch in manchen andern Stücken einen Anschein
von Verstand haben, über diesen Punkt solchen Unsinn lehren
konnten.
Doch die Blinden kannten leider das Feudal-System nicht!
und Männer, die sie Barbaren schalten, haben dies herrliche
Gebäude, auf den Trümmern des ihrigen, aufgeführt.
Es wäre nun einmal Zeit, daß man diese alten Bücher
auf die Seite schaffte, denn unsere Staatsbücher enthalten
alles, was der Mensch zu wissen nötig hat.
Ich schwöre
euch, erhabene Fürsten der Hölle, wenn mir einer von
euch, außer den Rechten benannter hohen Personen, nur ein
einzig Wort über das Recht des Gesindels der Menschen in
einem unserer Staats-Büchern zeigen kann, so will ich mich
zu einer brennenden Fackel drehen lassen, und die Ehre haben,
auf Seiner Majestät prächtiger Tafel zu leuchten.
Sollte
diese Strafe meiner Vermessenheit nicht hinreichend scheinen,
so mag mich seine hohe Satanische Majestät zu dem Mönch,
der das Pulver erfunden hat - (im Vorbeigehen gesagt, auch ein
teutscher - merkt es, ihr Spötter!
- Der Ewige stürzte
ihn in die Hölle, weil er, anstatt für die Erhaltung
seiner Brüder zu beten, zu ihrer Zerstörung arbeitetenospace;-)
so sag ich nun - Seine Majestät soll mich, wenn Ihr
mir ein solches Recht aufweisen könnt, in den Mittelpunkt
der glühenden Kugel keilen lassen, den sie besagtem Mönch
zum eignen warmen Aufenthalt anzuweisen geruhte, und mögen
die gnädigen Herren, mit besagter Kugel, und unsern hineingekeilten
Seelen, zum hohen Zeitvertreib den Ball schlagen, so oft es ihnen
gefällt.
Ich hab an unsern Höfen gelernt, mit mir spielen
zu lassen.<<
>>Bravo<<, riefen die Teufel.
>>Ein wahrer Patriot!
Nimm ihn beim Wort, Satan!
<<
Satan lächelte: >>Fahr fort, Doktor, du wirst nicht zu
dem Mönch in die glühende Kugel gekeilt werden, denn
wir haben nie von einem solchen Rechte, wohl aber von einem Faustrecht
gehört.<<
Doktor Juris.
Ein vortreffliches edelmännisches
Recht, das leider etwas in Abnahme kommt.
Die Teufel wieherten und zischten.
Doktor Juris.
Wiehert nur ihr Spötter, und schneidet
mir Gesichter!
die gnädige Miene, das Huldlächeln Satans
versüßen mir euren Spott.
Ha, wißt nur immer,
ein Doktor Juris ist in Teutschland ein ganzer Kerl, und wird
ein Edelmann, sobald er promoviert hat.
übrigens gibt ihm
sein Diplom das Recht, das Gesindel von Menschen so gut nach seiner
Art zu schinden, wie der Edelmann.
Denn hat bei uns der Edelmann
das Faustrecht seiner Hände, so hat der Gelehrte das weit
gefährlichere Faustrecht des Verstandes.
Und er nutzt dieses
Recht sogar ohne Gefahr für seine hohe Person, denn eben
die Gesetze, die er gegen oder für andere wendet und dreht,
wie er will, werden ein Schild gegen jeden Angriff an seiner klugen
Brust.
Daraus seht ihr zugleich, was Gelehrsamkeit für ein
Ding ist!
Satan.
Der Mann spricht ganz wie ein Mensch, und macht mir
viel Freude.
Leviathan, hättest du dieses einem Teutschen
zugetraut?
- Es lebe Teutschland und treibe viele deinesgleichen
hervor!
Es lebe das Feudal-System!
Die Teufel brüllten.
Es lebe Teutschland!
Es lebe das Feudal-System!
Den ersten Freudenruf schrie Fürst Leviathan nicht mit.
Satan.
Doktor, hast du noch etwas zu sagen?
Doktor Juris.
Eure Majestät erlauben mir nun, dem
Fürsten Leviathan auf seine besondern Anklagen zu antworten.
Erstlich sagt er: Ja wenn es noch ein heißer Spanier,
ein rachsüchtiger, spitzbübischer Italiener, oder ein
verbuhlter Franzose wäre! Meint etwa der Herr, wir hätten
keine hervorstechende Laster?
Geh er doch in unsre Klöster
und an die Höfe unsrer Fürsten; oder laß ihn,
Hochgebietender!
nur einen kleinen Spazierritt durch die Hölle
machen, und meine brave Landsleute fragen, warum sie hier sind?
Freilich nach mir muß er sie nicht beurteilen; ich hatte
nicht Kraft genug, ein großer, kühner Sünder zu
werden; aber dies kam daher, daß ich meinen Vorteil mehr
im Heucheln gewisser Tugenden fand, und mich meine Frau zu tyrannisch
beherrschte.
Bloß darum bin ich nun ein Mittelding unter
den Verdammten.
Zweitens sagt Fürst Leviathan: wir beugten uns sklavisch
vor den Großen, und glaubten, unsre Fürsten seien von
edlerm Stoffe wie wir. Warum denn nicht?
Sind unsre Fürsten
nicht vortreffliche Herren?
Ein großer Herr ist freilich
ein andres Ding, als unser einer, denn er kann wohl und weh tun.
Sollen wir etwa nicht das Volk in diesem Wahn zu erhalten suchen,
da wir feinern Leute, unter ihren schützenden Flügeln,
unser Hühnchen ungestört rupfen?
Ist ja doch überall
Rangordnung, auf der Erde, hier in der Hölle, und dem Lande,
von dem ich ausgeschlossen bin!
Drittens sagt Fürst Leviathan: die Teutschen glaubten
ganze Kerle zu sein, wenn sie sich für ihre Fürsten
totschlagen; oder zum Totschlagen an andere verkaufen ließen.
Auf das erste antworte ich nicht, denn dafür sind sie da,
wie wir Juristen beweisen; aber warum sollte er sie nicht verkaufen?
Verkauft nicht jeder sein Eigentum, es sei Ochs, Rind, Pferd,
Kuh, Schwein oder Kalb?
Und wenn ihm nun sein Land nicht Gold
genug geben kann, es andern Fürsten in Pracht und Aufwand
gleich zu tun?
Doch ich schäme mich über eine so klare
Sache vor einer so erleuchteten Versammlung, vor unsterblichen
Geistern, ein weiteres zu reden.
Viertens sagt Fürst Leviathan zu seiner Majestät: Vernimmst
du seit Jahrhunderten etwas von Empören gegen Tyrannei:
Was will er mit diesem Worte sagen?
Wir kennen keine Tyrannei,
unsre Fürsten sind die besten Herren von der Welt, so lang
sie ihren Willen haben, das heißt, tun dürfen, was
ihnen gefällt, und mich deucht, wenn man dies nicht kann,
so ist es wohl nicht der Mühe wert, ein Fürst zu sein.
Außerdem macht es der Nation Ehre, einen Herrn zu haben,
der alles vermag, und dem niemand widersprechen darf.
Und warum
sollten sie sich empören?
Was geht ihnen wohl ab?
Sind sie
nicht gekleidet, dürfen essen und trinken, was sie bezahlen
können?
Erlaubt man ihnen nicht alle übrige Freuden
des Fleisches, wenn sie nur tun, was man ihnen befiehlt, und ihren
überfluß zur Ehre des Landes hergeben.
Auch ist dem
Fürsten das Wort schinden entfallen.
Was soll es heißen?
Das Schaf trägt Wolle, damit es geschoren werde, der Bürger
und der Bauer haben darum Hände, daß sie im Schweiß
ihres Angesichts arbeiten, und die Gelehrten, die Geistlichen,
die Großen, der Adel und die Fürsten, haben darum Verstand,
für sie zu denken, zu wachen, und den Gewinn ihres Schweißes
zu verzehren.
Dieses alles liegt in der Natur, sehr edle Herren,
und ist überall Sitte.
Was da fünftens Fürst Leviathan von der Eigenheit
und ihrem diamantnen Schilde gesprochen hat, und merken ließ,
als wenn uns diese fehlte, so würde ich darüber lachen,
wenn es einem armen Schatten, wie ich bin, erlaubt wäre.
Ei!
sind doch unsre Privilegien unsre Eigenheit, und wer die antastet,
der würde ebenso guttun, einen schlafenden hungrigen Wolf
bei den Ohren zu zupfen.
Auch sprach der Fürst Leviathan,
etwas von dem Rechte der Menschheit.
Darauf antworte ich nicht,
denn ich habe in meinem Leben nichts davon gehört, und wenn
ich, der ich alle alte und neue Bücher gelesen habe, nichts
davon weiß, wenn mir, der ich mit den Großen mein
ganzes Leben zugebracht habe, nichts davon zu Ohren gekommen ist,
so muß wohl an dem ganzen Dinge nichts sein.
Recht heißt
von einer Seite befehlen, von der andern gehorchen,
und dies prägt sich den rohen Sinnen stärker ein, wie
mir einstens der Fürst-Bischof -
Beelzebub.
Hm - ein Fürst-Bischof!
Was doch die Menschen
für widersprechende Dinge zusammensetzen.
Doktor Juris.
Nicht so widersprechend wie es scheint,
Fürst Beelzebub.
Diese Begriffe hängen sich an einander,
wie Herrschsucht und Demut - Frömmigkeit und Heuchelei!
-
Satan.
Steige herunter Doktor, ich bin zufrieden mit dir.
Mir gefällt dein Eifer.
Auch mir liegt daran, daß das
Feudal-System erhalten werde, das seine Wurzel so wie die Wissenschaften
in meinem Reiche hat.
Du sollst suchen deine Meinung weiter unter
den Menschen auszubreiten, und dazu will ich dir Gelegenheit geben.
Höre!
ich befördere dich aus der Küche in das Kabinet,
und schicke dich mit meinem Gesandten als Sekretair an den nahen
Reichstag, daß du dorten deine Grundsätze ausbreitest.
Bringe sie geschwind zu Papier, und blase sie einem Sohne des
Staubs in das Gehirn!
- Ja das Feudal-System ist eine herrliche Erfindung für
die Hölle.
Aus Verzweiflung fährt das Gesindel der Menschen
herunter, wie der Doktor sie nennt, und die Ungerechtigkeit und
Schwelgerei sendet ihnen ihre Unterdrücker nach.
Der Doktor Juris fiel hierauf dankbar auf den verbrannten Boden,
küßte Satans Füße und stund triumphierend
auf.
Die Teufel fingen von neuem an zu lachen und zu toben, als
zum zweitenmal Fausts gebieterischer Ruf ertönte.
Satan fuhr
fort:
Du hörst an seinem Ruf, daß er keiner der Schwächlinge
ist.
So wütend hat noch keiner an die Pforte der Hölle
geschlagen, wahrlich der Kerl ist ein Genie.
Fahre schnell hinauf,
denn wenn du zögerst, so möchte er an der Kraft seines
Zaubers zweifeln, und die Hölle verlöre die Früchte
seines Frevels.
Wisse, ein Mann wie er, ist mehr Gewinn für
uns, als tausende der Schufte, die täglich herunterfahren.
Zornig erwiderte der Teufel Leviathan:
>>Ich schwöre bei dem glühenden, stinkenden Pfuhl
der Verdammten, der Verwegne soll diese und die Stunde seiner
Geburt verfluchen, und den Ewigen einst lästern!
Er soll
es büßen, daß ich um seintwillen das mir verhaßte
Teutschland betreten muß!
<<
Er fuhr in Dampf gehüllt hinaus, und die frohlockende Hölle
jauchzte ihm nach.
8
Faust stund in seinem Zauberkreise wild begeistert.
Zum drittenmal
rief er mit donnernder Stimme die furchtbare Formel.
Die Türe
fuhr plötzlich auf, ein dicker Dampf schwebte an dem Rande
des Kreises, er schlug mit seinem Zauberstab hinein, und rief
gebietend:
>>Enthülle dich, dunkles Gebilde!
<<
Der Dampf floß hinweg, und Faust sah eine lange Gestalt
vor sich, die sich unter einem roten Mantel verbarg.
Faust.
Langweilige Mummerei für einen, der dich zu sehen
wünscht!
Entdecke dich dem, der dich nicht fürchtet,
in welcher Gestalt du auch erscheinest!
Der Teufel schlug den Mantel zurück, und stund in erhabner,
stattlicher, kühner und kraftvoller Gestalt vor dem Kreise.
Feurige, gebietrische Augen leuchteten unter zwo schwarzen Braunen
hervor, zwischen welchen Bitterkeit, Haß, Groll, Schmerz
und Hohn dicke Falten zusammengerollt hatten.
Diese Furchen verloren
sich in einer glatten, hellen, hochgewölbten Stirne, die
mit dem Merkzeichen der Hölle zwischen den Augen sehr abstach.
Eine feingebildete Adlernase zog sich gegen einen Mund, der nur
zu dem Genusse der Unsterblichen gebildet zu sein schien.
Er hatte
die Miene der gefallnen Engel, deren Angesichter einst von der
Gottheit beleuchtet wurden, und die nun ein düstrer Schleier
deckt.
Faust, erstaunt. Ist der Mensch denn überall
zu Hause?
- Wer bist du?
Teufel.
Ich bin ein Fürst der Hölle, und komme,
weil dein mächtiger Ruf mich zwingt.
Faust.
Ein Fürst der Hölle unter dieser Maske?
unter der Gestalt des Menschen?
Ich wollte einen Teufel haben,
und keinen meines Geschlechts.
Teufel.
Faust, vielleicht sind wir es dann ganz, wenn wir
euch gleichen; wenigstens kleidet uns keine Maske besser.
Ist
es nicht eure Weise, das zu verbergen, was ihr seid, und das vorzugaukeln,
was ihr nicht seid?
Faust.
Bitter genug, und wahrer noch als bitter, denn sähen
wir von außen so aus, wie wir in unserm Innern sind, so
glichen wir dem, was wir uns unter euch denken; doch dachte ich
dich fürchterlich, und hoffte meinen Mut bei deiner Erscheinung
zu prüfen.
Teufel.
So denkt ihr euch alle Dinge anders, als sie sind.
Vermutlich hast du den Teufel mit den Hörnern und den Bocksfüßen
erwartet, wie ihn euer furchtsames Zeitalter schildert.
Seitdem
ihr aufgehört habt, die Kräfte der Natur anzubeten,
haben sie euch verlassen, und ihr könnt nichts Großes
mehr denken.
Wenn ich dir erschiene, wie ich bin, die Augen drohende
Kometen, einherschwebend wie eine dunkle Wolke, die Blitze aus
ihrem Bauche schleudert - das Schwert in der Hand, das ich einst
gegen den Rächer zog, den ungeheuren Schild an dem Arme,
den sein Donner durchlöchert hat, du würdest in deinem
Kreise zu Asche werden.
Faust.
Nun so hätte ich doch einmal etwas Großes
gesehen.
Teufel.
Dein Mut würde mir gefallen; aber nie seid ihr
lächerlicher, als wenn ihr erhaben zu fühlen glaubt,
indem ihr das Kleine, das ihr umfassen könnt, mit
dem Ungeheuren und Großen, das ihr nicht übersehen
könnt, zusammenstellt.
So mag der Wurm den vorübergehenden
Elefanten dann auch ausmessen, und im Augenblicke seine Schwere
berechnen, wenn er unter seinem gewaltigen Fuße hinstirbt.
Faust.
Spötter!
und was ist der Geist in mir, der, wenn
er einmal den Fuß auf die Leiter gesetzt hat, von Sprosse
zu Sprosse, bis ins Unendliche steigt?
Wo ist seine Grenze?
Teufel.
Vor deiner Nase, wenn du aufrichtiger sein willst,
als ihr's gewohnt seid; doch wenn du mich um dieses Schnickschnacks
aus der Hölle gerufen hast, so laß mich immer wieder
abziehen.
Ich kenne schon lange eure Kunst, über das zu schwatzen,
was ihr nicht versteht.
Faust.
Deine Bitterkeit gefällt mir, sie stimmt zu meiner
Lage, und ich muß dich näher kennen lernen.
Wie heißest
du?
Teufel.
Leviathan, das ist Alles, denn ich vermag alles.
Faust.
O des Großsprechers!
Prahlen die Teufel auch?
Teufel.
Der Gestalt Ehre zu machen, in welcher du mich siehst.
Setze mich auf die Probe.
Was verlangst du?
Faust.
Verlangen?
o des lang gedehnten Worts für einen
Teufel.
Wenn du bist, was du scheinen willst, so führe meine
Begierden in ihrem Keimen aus, und befriedige sie, bevor sie Willen
geworden sind.
Teufel.
Ich will deinem Sinne näher rücken.
Das
edle Roß beißt in die Stange, so der Mensch, der sich
Flügel fühlt, im Licht zu schweben, und den eine tyrannische
Hand in dunklen Abgrund drückt.
Faust, viel ahndet dein feuriger
Geist, aber das, was du umfassen möchtest, verschwindet,
und das Erhaschte ist immer nur Schattenbild deiner eignen Gestalt.
Faust.
Rascher!
Teufel.
Noch schlage ich leise an deiner Seele an, wenn ich
einst deine Sinne berühre, wirst du noch heißer auflodern.
Ja, du bist einer der Geister, die die alltäglichen Verhältnisse
des Menschen verbrennen, denen das nicht gnügt, was der Karge
ihnen aufgetischt hat.
Mächtig ist deine Kraft, ausgedehnt
deine Seele, kühn dein Wille; aber der Fluch der Beschränktheit
liegt auf dir, wie auf allen - Faust, du bist so groß,
als der Mensch sein kann.
Faust.
Maske des Menschen, fahr in die Hölle zurück,
wenn du uns auch im Schmeicheln nachäffest!
Teufel.
Faust, ich bin ein Geist aus flammendem Lichte geschaffen,
sah die ungeheuern Welten aus Nichts hervortreten, du bist aus
Kot geschaffen, und von gestern her - werd ich dir schmeicheln?
Faust.
Und doch mußt du mir dienen, wenn mir's gefällt.
Teufel.
Dafür erwarte ich Lohn und den Beifall der Hölle;
der Mensch und der Teufel tun beide nichts umsonst.
Faust.
Welchen Lohn erwartest du?
Teufel.
Ein Ding aus dir gemacht zu haben, das mir gleicht,
wenn du die Kraft dazu hast.
Faust.
Da wär' ich etwas Rechts!
doch du kennst den
Menschen schlecht, für einen so gewandten Teufel, wenn du
an der Kraft desjenigen zweifelst, der es einmal gewagt hat, aus
den Banden zu springen, die die Natur so fest um unser Herz gelegt
hat.
Wie sanft schienen sie mir einst, da meine Jugend, die Welt
und die Menschen in den schimmernden Glanz der Morgenröte
kleidete.
Es ist vorbei, schwarz ist nun mein Horizont, ich stehe
im halben Lauf des Lebens an dem Rande der dunklen Ewigkeit, und
habe die Regeln zerrissen, die das Menschengeschlecht in Harmonie
zusammen hält.
Teufel.
Was schwärmst du da, Faust?
Harmonie!
ist sie
es, die den verworrnen Tanz des Lebens leitet?
Faust.
Schweig!
ich fühle es vielleicht zum letztenmal,
blicke vielleicht zum letztenmal in die bunten, wonnevollen Gefilde
der Jugend zurück.
Daß der Mensch aus diesem seligen
Traum erwachen muß!
daß die Pflanze aufschießen
muß, um als Baum zu verdorren; oder gefällt zu werden!
Lächle, Teufel, ich war einst glücklich.
Verschwinde,
was nicht mehr zu erhaschen ist!
Ja, nur dann haben wir Kraft,
wenn wir dem Bösen nachjagen Und worin bin ich groß?
Wär ich's, würd' ich deiner bedürfen?
Geh, tückischer
Schmeichler, du willst mir nur zu fühlen geben, wie klein
ich bin.
Teufel.
Derjenige, der zu fühlen fähig ist, worin
er schwach ist, und den Mut hat, das zu zertrümmern, wodurch
er's ist, ist wenigstens darinnen groß.
Mehr wollt ich nicht
sagen, und weh dir, wenn ich dich durch Worte aufreizen soll.
Faust.
Sieh mich an, und sage mir, was dich mein Geist fragt,
das was ich nicht zu sagen wage!
Bei diesen Worten deutete Faust auf sich, dann gegen den Himmel,
und machte eine Bewegung mit seiner Zauberrute gegen Auf- und
Niedergang der Sonne. Erfuhr fort:
Du hörst den Sturm wüten - warst, da noch nichts war
-
Hier deutete er auf seine Brust und Stirne:
Hier ist Nacht, laß mich Licht sehen!
Teufel.
Verwegner, ich verstehe deinen Willen, und schaudere
vor deiner Kühnheit, ich, ein Teufel.
Faust.
Elender Geist, du windest dich mit dieser Ausflucht
nicht los.
In meinem glühenden Durste würd ich unternehmen,
das ungeheure Meer auszutrinken, wenn ich in seinem Abgrunde das
zu finden hoffte, was ich suche.
Ich bin dein; oder dessen -
noch steh ich da, wohin kein Teufel dringen kann, noch ist Faust
sein Herr!
Teufel.
Das warst du vor einem Augenblick noch.
Dein Los
ist geworfen, war geworfen, da du diesen Kreis betratst.
Wer in
mein Angesicht geblickt hat, kehrt umsonst zurück, und so
verlaß ich dich.
Faust.
Reden sollst du, und die dunkle Decke wegreißen,
die mir die Geisterwelt verbirgt.
Was seh ich in dir?
ein Ding,
wie ich es bin.
Ich will des Menschen Bestimmung erfahren, die
Ursach des moralischen übels in der Welt.
Ich will wissen,
warum der Gerechte leidet, und der Lasterhafte glücklich
ist.
Ich will wissen, warum wir einen augenblicklichen Genuß
durch Jahre voll Schmerzen und Leiden erkaufen müssen.
Du
sollst mir den Grund der Dinge, die geheimen Springfedern der
Erscheinungen der physischen und moralischen Welt eröffnen.
Faßlich sollst du mir den machen, der alles geordnet hat,
und wenn der flammende Blitz, der diesen Augenblick durch jene
schwarze Wolke reißt, mein Haupt sengte, und mich leblos
in diesen Zirkel der Verdammnis hinstreckte.
Glaubst du, ich habe
dich um Gold und Wollust allein heraufgerufen?
Jeder Elende mag
seinen Bauch füllen, und die Wollust des Fleisches stillen.
- Du bebst?
Hab ich mehr Mut als du?
Welche zitternde Teufel
speit die Hölle aus?
Und du nennst dich Leviathan, der alles
kann?
- Weg mit dir, du bist kein Teufel, du bist ein elendes
Ding, wie ich es bin!
Teufel.
Kühner!
du hast die Rache des Rächers noch
nicht gefühlt wie ich.
Die Ahndung davon würde dich
in Staub verwandeln, und wenn du die Kraft des Menschengeschlechts,
von dem ersten bis zu dem letzten Sünder, in deiner Brust
trügest.
Dringe weiter nicht in mich.
Faust.
Ich will und bin bestimmt.
Teufel.
Du flößest mir Ehrfurcht und Mitleid ein.
Faust.
Ich fordere nur Gehorsam.
Teufel.
So hadere mit dem, der eine Fackel in dir angezündet
hat, die dich aufbrennen muß, wenn sie die Furcht nicht
auslöscht.
Faust.
Ich habe es getan, und umsonst.
Ich habe ihn um Licht
angefleht, er schwieg; ich habe ihn in finstrer Verzweiflung aufgefordert,
er schwieg.
Gebet und Grimm vermögen nichts bei dem, der
blinden Gehorsam, sklavische Unterwerfung, in Qual und Finsternis,
zum ewigen Gesetz gemacht zu haben scheint.
Er peiniget uns durch
eben den Verstand, den er uns gegeben hat.
Wozu eine Fackel, wenn
ihre dampfende Glut, den Irrenden nur blendet?
Sie leuchte mir
einmal helle auf dem dunklen Wege, und verbrenne mich dann, wenn
es so sein muß.
Gehorche, und schnell!
Teufel.
Unzubefriedigender!
Nun so wisse, daß auch
die Teufel ihre Grenzen haben.
Seitdem wir gefallen sind, haben
wir die Vorbildung der erhabenen Geheimnisse, bis auf die Sprache,
sie zu bezeichnen, verloren.
Nur die unbefleckten Geister jener
Welt vermögen sie zu denken und zu besingen.
Faust.
Glaubst du mich durch eine listige Wendung in dem
zu täuschen, wornach mein Gaumen so lüstern ist?
Teufel.
Tor, um mich an dir zu rächen, wünscht
ich dir, mit den glänzenden Farben des Himmels das zu schildern,
was du verloren hast, und dich dann der Verzweiflung zu überlassen.
Wüßt ich auch mehr, als ich weiß, kann die Zunge
aus Fleisch gebildet dem Ohr aus Fleisch gebildet faßlich
machen, was außer den Grenzen der Sinne liegt, und der körperlose
Geist nur begreift?
Faust.
So sei Geist und rede!
Schüttle diese Gestalt
ab!
Teufel.
Wirst du mich dann vernehmen?
Faust.
Schüttle diese Gestalt ab, ich will dich als
Geist sehen.
Teufel.
Du sprichst Unsinn - nun so sieh mich - ich werde
sein, und dir nicht sein; ich werde reden, und du wirst mich nicht
verstehen.
Nach diesen Worten zerfloß der Teufel Leviathan in helle
Flamme, und verschwand.
Faust.
Rede, und enthülle die Rätsel.
Wie der sanfte West über die beblümte Wiese hinstreicht,
und die sanften Blüten leise küßt, so säuselte
es an der Stirne und den Ohren Fausts. Dann verwandelte sich das
Säuseln in ein steigendes, anhaltendes, rauschendes Rasseln,
das dem rollenden Donner, dem Zerschlagen der Wogen an der Brandung,
dem Geheule und Gesause in den Felsenklüften glich. Faust
sank in seinem Zauberkreise zusammen, und erholte sich mühsam.
Faust.
Ha, ist dies die Sprache der Geister, so verschwindet
mein Traum, ich bin getäuscht, und muß in der Finsternis
knirschen.
So hätt ich nun meine Seele um die Sünde
der H------i verkauft, denn dies wäre alles, was mir dieser
kupplerische Geist noch leisten könnte.
Eben das, warum ich
die Ewigkeit auf das Spiel setzte!
Erleuchtet, wie nie einer es
war, gedacht ich unter die Menschen zu treten, und sie mit meinem
Glanze zu blenden, wie die jung aufgehende Sonne.
Der stolze Gedanke,
ewig als der Größte in den Herzen der Menschen zu leben,
ist hin, und ich bin elender, als ich war.
Ich soll mit den übrigen
Söhnen des Staubs in der Finsternis knirschen, an der Kette
der Notwendigkeit nagen, und weder mich noch sie von dem eisernen
Joche befreien.
Ha, wo bist du, Gaukler, daß ich meine Wut
an dir auslasse?
Teufel (in seiner vorigen Gestalt).
Hier bin ich.
Ich sprach, und du vernahmst den Sinn meiner Worte
nicht.
Fühle nun, was du bist, zur Dunkelheit geboren, ein
Spiel der Zweifel.
Dir kann nicht werden, was dir nicht werden
soll.
Ziehe deinen Geist von dem Unmöglichen ab, und halte
dich an das Faßliche.
Du wolltest die Sprache der Geister
vernehmen, hast sie vernommen, und sankst betäubt hin unter
ihrem Schall.
Faust.
Reize nur meinen Zorn, und ich will dich mit meiner
Zauberrute bis zu Tränen geißeln, dich an den Rand
meines Kreises fesseln, und meinen Fuß auf deinen Nacken
setzen; ich weiß, daß ich es kann.
Teufel.
Tu es, und die Hölle wird deines Zorns lachen.
Für jede Träne soll einst die Verzweiflung die Tropfen
deines Bluts aus deiner verwegnen Stirne drücken, und die
Rache soll die Waage halten, sie abzuwägen.
Faust.
Pfui des Wahnsinns, daß ein edles Geschöpf
sich mit einem von Ewigkeit Verworfnen abgibt, der nur Sinn zum
Bösen hat, nur im Bösen beistehen kann!
Teufel.
Pfui des Ekels, einen Menschen anhören zu müssen,
der dem Teufel vorwirft, daß er Teufel ist, und nicht mit
der Schattengestalt Tugend prahlt, wie einer von euch!
Faust.
Prahlt?
Taste nur noch den moralischen Wert des Menschen
an, wodurch er sich den Unsterblichen nähert, und der Unsterblichkeit
würdig macht!
Teufel.
Ich will dir zeigen, was daran ist.
Faust.
Ich denke wohl, daß du es kannst.
Kann es doch
jeder von uns, der seine Schlechtigkeit zum allgemeinen Maßstab
der Menschen macht, und Tugenden verdächtig macht, die er
nie in seiner Brust gefühlt hat.
Wir haben Philosophen gehabt,
die hierinnen längst dem Teufel vorgegriffen haben.
Teufel.
Besser wäre es für dich gewesen, du hättest
nie einen gelesen, dein Kopf würde gerader, und dein Herz
gesünder sein.
Faust.
Verdammt, daß der Teufel immer recht hat!
Teufel.
Ich will dir anschaulich machen, wovon deine Philosophen
schwatzen, und die Wolken vor deinen Augen wegblasen, die Stolz,
Eitelkeit und Selbstliebe zusammengetrieben, und so schön
gefärbt haben.
Faust.
Wie das?
Teufel.
Ich will dich auf die Bühne der Welt führen,
und dir die Menschen nackend zeigen.
Laß uns reisen, zu
Wasser, zu Lande, zu Fuße, zu Pferde, auf dem schnellen
Winde, und das Menschengeschlecht mustern.
Vielleicht daß
wir die Prinzessin entzaubern, um welche schon so viele tausend
Abenteurer die Hälse gebrochen haben.
Faust.
Topp!
Ziehen wir durch die Welt; ich muß mich
durch Genuß und Veränderung betäuben; längst
hab ich mir einen weitern Kreis zum Bemerken gewünscht, als
mein eignes tolles Herz.
Laß uns herumziehen, und ich will
dich Teufel zwingen, an die Tugend der Menschen zu glauben.
Nur
der Glaube an den moralischen Wert des Menschen war es, der mir
die peinliche Finsternis zu Zeiten erleuchtete.
Nur er war es,
der meine quälende Zweifel, auf Augenblicke, besänftigte.
Ja lächle nur, du sollst mir wahrlich gestehen, daß
der Mensch der Augapfel dessen ist, den ich nun nicht mehr nennen
darf.
Teufel.
Dann will ich als Lügner zur Hölle fahren,
und dir den Bundbrief zurückgeben, den du heute, mit deinem
Blute, unterzeichnen wirst.
Wenigstens wirst du auf der großen
Schaubühne der Welt deutlicher einsehen, wieviel Anteil der
an euch und euren Qualen nimmt, dessen Augapfel du so stolz den
Menschen nennst.
Bei dem schnellen Pfeil des Tods!
eine edle Behandlung
für den Günstling eines so mächtigen Herrn.
Wenn
eure Fürsten den Beweis ihrer Einsetzung von ihm dahineinsetzen,
daß sie es euch zur Gnade anrechnen, euch in dem von ihnen
zugerichteten Elend leben zu lassen, so haben sie so ganz unrecht
eben nicht.
Komm, und mache mich zum Lügner!
Faust.
Daß ich dem Teufel doch traute, der mir sein
höllisches Gepfusche für Machwerk der Menschen verkaufen
möchte.
Wie, lächelt der Spötter?
Teufel.
Den Mönchsgedanken hätte ich hinter dem
Manne nicht gesucht, der so lange mit der Philosophie gebuhlt
hat; doch darinnen gleicht ihr euch alle, die Weisen und die Toren;
was der Sinn nicht fassen kann, lösen Stolz und Eigenliebe
zu ihrem eignen Vorteil auf.
Sieh da zwei Worte, bös
und gut, die ihr zu Begriffen stempeln möchtet; denn
wenn ihr die Worte einmal habt, so glaubt ihr auch schon den leeren
Schall zum Gedanken geprägt zu haben.
Da ihr nun damit nicht
fertig zu werden wißt, so haut ihr, um der Plackerei los
zu werden, nach eurer Weise hindurch, und natürlich ist das
Gute euer eignes Machwerk, und das Böse das Gepfusch des
Teufels.
So müssen wir arme Teufel nun Tag und Nacht herumreisen,
um das Herz und die Einbildungskraft dieses oder jenes Schufts
zu einem so genannten Schurkenstreich zu reizen, der ohne dies
wohl ein ganzer Kerl geblieben wäre.
Faust!
Faust!
tausend
Dinge sucht der Mensch, in den Wolken und außer sich, die
in seinem Busen und vor seiner Nase liegen.
Nein, ich will auf
unsern Zügen nichts hinzu tun, es sei denn, daß du
es von mir forderst.
Alles, was du sehen wirst, sei Menschenwerk.
Du wirst bald einsehen, daß die des Teufels nicht brauchen,
die so schnell eilen, ihre elende Schatten zu ihm zu fördern.
Faust.
Und dies wäre nun alles, was du mir leisten könntest?
Teufel.
Ich will dich von Stufe zu Stufe führen; haben
wir diese Bahn durchlaufen, so wird sich schon eine andre Szene
öffnen.
Lerne erst kennen, was so nah mit dir verwandt ist,
dann steige aufwärts.
- Die Schätze der Erde sind dein
- du gebietest meiner Macht - du träumst - du wünschestnospace;-
Faust.
Das ist etwas.
Teufel.
Nur etwas, Unersättlicher?
du sollst mich, den
Teufel, zu Beförderung der Absichten zwingen können,
die ihr gut und edel nennt, die Folgen davon sollen deine Ernte,
und der Lohn deines Herzens Gewinn sein.
Faust.
Dies wäre mehr, wenn es nur kein Teufel sagte.
Teufel.
Wer kann sich rühmen, den Teufel zu guten Werken
gezwungen zu haben.
Laß diesen Gedanken nur immer dein Herz
aufschwellen.
- Faust, tritt aus deinem Kreise!
Faust.
Noch ist es nicht Zeit.
Teufel.
Fürchtest du mich?
Ich sage dir, du sollst das
Stundenglas deiner Zeit nach Gefallen zerschlagen!
Faust, ich
fülle den Becher des Genusses für dich, voll und rauschend
- so ward er noch keinem Sterblichen gefüllt.
Deine Nerven
sollen ablaufen, bevor du den Rand beleckt hast.
Zähle den
Sand am Meere, dann magst du die Zahl der Freuden zählen,
die ich hier auf den Boden vor dich ausschütte.
Hierauf stellte er einen Kasten voll Gold vor den Kreis. Alsdann
gingen die Gestalt der Bürgermeisterin und ein Zug blühender
Schönen vorüber.
Faust.
Teufel, wer hat dir den Weg zu meinem Herzen gezeigt?
Teufel.
Ich heiße Leviathan, habe dich und deine Kraft
gewogen.
Achtest du dieses?
Er schüttete aus einem Sacke Ordensbänder, Bischofsmützen,
Fürstenhüte und Adelsdiplome auf den Boden.
Kenn ich doch Fausten besser!
Genuß und Wissen sind seine
Götter, werdet, was ihr seid!
Sie wurden Staub und Kot.
Ist dies nicht der Weg, zu dem Herzen aller Menschen?
Nur um der
Dinge willen, die ich dir hier zeigte, um des Bauches, der Lust
und des Emporsteigens, arbeitet ihr, mit den Händen und dem
Verstande.
Laß die Toren im Schweiß ihres Angesichts,
unter der Erschöpfung ihrer Geisteskräfte, darum arbeiten,
und genieße ohne Mühe und Sorge, was ich dir auftische.
Morgen führe ich dir die Bürgermeisterin zu, wenn dir
es so gefällt.
Faust.
Wie wirst du es machen?
Teufel.
Mein Probstück.
Nimm hin, und ich will dir mehr
sagen.
Tritt aus dem Kreise!
Bist du doch wie betrunken!
Faust.
Ich möchte mich vernichten um eines Gedanken
willen.
Teufel.
Der heißt?
Faust.
Daß ich mich nur darum mit dir verbinden soll.
Teufel.
Daß doch der Mensch immer springen will!
Lerne
mich erst kennen, und wenn ich dich nicht sättigen kann,
so kehre zur Armut, zur Verachtung, und deiner nüchternen
Philosophie zurück.
Tritt aus dem Kreise!
Faust.
Die Wut des Löwen brüllt aus mir, und wenn
sich unter meinem Fuße die Hölle öffnete - ich
springe über die Grenzen der Menschheit.
Er sprang aus
dem Kreise. Ich bin dein Herr.
Teufel.
So lange deine Zeit rollt.
Ich fasse einen großen
Mann an der Hand, und bin stolz darauf, sein Diener zu sein.
Zweites Buch
1
Den folgenden Morgen kam der Teufel Leviathan in dem Gepränge
und mit dem Gefolge eines großen Herren, der inkognito reiset,
vor Fausts Gasthof.
Er stieg von seinem prächtig gezierten
Pferde, und fragte den Wirt, ob der große Mann Faust bei
ihm wohnte.
Der Wirt beantwortete die Frage mit einer tiefen Verbeugung,
und führte ihn ein.
Der Teufel trat zu Faust, und sagte zu
ihm in Gegenwart des Wirts:
>>Sein Ruhm, sein großer Verstand, und seine herrliche
Erfindung hätten ihn bewogen, einen weiten Umweg auf seiner
Reise zu machen, um einen so merkwürdigen Mann, den die Menschen
vermöge ihres Blödsinns verkannten, genau kennen zu
lernen, und sich, wenn es ihm gefiele, seine Begleitung auf einer
vorhabenden großen Reise durch Europa auszubitten.
Er mache
ihn übrigens ganz zum Herrn der Bedingungen, denn er könnte
seine Gesellschaft nicht zu teuer erkaufen.<<
Faust spielte seine Rolle in dem Sinne des Teufels, und der Wirt
eilte hinaus, den Vorfall dem ganzen Hause bekannt zu machen.
Das Gerücht davon breitete sich in ganz Frankfurt aus.
Schon
war die Meldung von der Ankunft des vornehmen Fremden von der
Hauptwache an den regierenden Bürgermeister eingelaufen,
und setzte den ganzen Hochedlen und Hochweisen Magistrat in Bewegung.
Alle liefen, als triebe sie der Satan, nach dem Römer,
ließen alle wichtige Staatssachen liegen, und ratschlagten
über die Erscheinung.
Der älteste Schöppe, ein
Patrizier, hatte sich vorzüglich auf die Deutung der Erscheinungen
an dem politischen Horizont gelegt, und sich dadurch ein gewaltiges
übergewicht in dem Senat erworben.
Er drückte sein fettes
Kinn in Falten, seine enge Stirne in Runzeln, zog Besorgnis in
seine kleinen Augen, und versicherte die wohlweisen Beisitzer:
>>Dieser vornehme Fremde sei niemand anders, als ein heimlicher
Abgesandte Seiner Kaiserlichen Majestät (ein fürchterlicher
Name für jeden Reichsstand), den man nach Teutschland geschickt
hätte, die Lage, Verhältnisse, Uneinigkeit und Verbindung
der Fürsten und Reichsstädte zu beobachten, damit sein
hoher Hof bei Eröffnung des vorstehenden Reichstags wissen
möchte, wie er sich benehmen müßte, seine Absichten
durchzusetzen.
Da nun der Kaiserliche Hof auf ihre Republik, immer
ein sehr wachsames Auge hätte, so müßte man streben,
diesen vornehmen Gast von dem feurigen Eifer, den man für
das hohe Kaiserliche Haus empfände, zu überzeugen, und
ihn ja nicht abziehen lassen, ohne ihn dem Staat zu gewinnen.
Man müßte hierin den klugen Senat von Venedig zum Vorbilde
nehmen, der keine Gelegenheit verabsäumte, denen am meisten
Freundschaft und Ehre zu bezeugen, die er zu betrügen gesonnen
sei.<<
Die untergeordneten Geister des Rats versicherten, der Schöppe
habe wie der Doge von Venedig selbst gesprochen; aber der Bürgermeister,
der ein heimlicher Feind des Schöppen war (denn dieser, weil
er die demokratische Regierungsform als ein wahrer Patrizier ebenso
sehr haßte, wie ein Fürst die Republiken, pflegte bei
jedem widrigen Vorfall laut zu sagen: so geht es, wenn man Krämer
zu Staatsleuten macht), warf ihm schnell eine Tonne hin:
>>Wahr, rühmlich und trefflich, wohlweise Herren, scheint
mir alles, was unser staatskluger Schöppe soeben vorgebracht
hat; würde auch ebenso gewiß zum Zweck führen,
als im Vorbeigehen gesagt, der Handel einen Staat blühender
und reicher macht, wie ein fauler, stolzer Adel, wenn wir nur
nicht alles, durch einen einzigen Umstand, verdorben hätten.
Ich rühme mich nun freilich nicht des tiefen politischen
Blicks des Schöppen, der jeden Sturm von weitem ausspäht;
aber doch hätt ich diesen, es sei nun aus Zufall oder überlegung,
glücklich beschworen.
Ihr werdet euch alle erinnern, daß
ich euch bei jeder Ratssitzung zusetzte, diesen Faust nicht so
schnöde zu behandeln, und ihm seine lateinische Bibel für
die kleine Summe abzunehmen.
Ja sogar meine Frau, die doch nur
ein Weib ist, wie es andre Weiber sind, hielt es für ratsam;
denn ob wir gleich diese lateinische Bibel weder brauchen noch
verstehen, so hätte man sie doch, wegen der schöngemalten
Anfangsbuchstaben, und der sonderbaren Erfindung, als ein Kleinod
nach der Goldnen Bulle zeigen, und die Fremden damit herbeilocken
können.
Auch ziemt es sich, daß ein freier und reicher
Staat die Künste beschützt, und ihnen forthilft; aber
ich weiß wohl, was euch im Sinne gelegen, die Eifersucht
und der Neid, ihr konntet es nicht ertragen, daß mein Name
dadurch unsterblich würde.
Es riß euch allen in den
Bäuchen, daß die Nachkommenschaft einstens in der Chronik
lesen sollte, sub Consulatu *** hat man Fausten von Mainz eine
lateinische Bibel, für zweihundert Goldgulden, abgekauft.
Nun mögt ihr auch austrinken, was ihr eingegossen habt; und
man sagt nicht umsonst, wie man bettet so liegt man, wie man schmiert,
so fährt man.
Der Faust ist teufelmäßig wild,
und scheint mir tückischer Gemütsart, ich sah es ihm
gestern abend ab.
Nun ist der Kaiserliche Gesandte bloß
seinetwillen hierher gereist, gar bei ihm abgestiegen, findet
in dem einen großen Mann, den wir als einen Schuhputzer
herumgehudelt haben - der wird's euch nun einbrocken beim Kaiserlichen
Gesandten - ja, ja, er wird ihm schon den Floh ins Ohr setzen,
und all unser Hofieren und Grimassieren wird zu weiter nichts
nützen, als uns vor den Bürgern zu Narren zu machen.
Wer den Karren in Dreck geschoben, mag ihn auch wieder heraus
ziehen, ich wasche meine Hände, wie Pilatus, und hin unschuldig
an Israels Verderben und Blindheit.<<
Es erfolgte ein tiefes Schweigen.
Die blutige Schlacht bei Kanna,
die Rom den Untergang drohte, hatte den römischen Senat nicht
so erschreckt, als diese kritische Lage den edlen Magistrat von
Frankfurt.
Schon siegte der Bürgermeister in stolzem Geiste,
schon glaubte er den Schöppen völlig aus dem Sattel
gehoben zu haben, als dieser seine politische Weisheit und Heldenkraft
sammelte, dem sinkenden Staat zu Hülfe eilte, mit starker
Stimme ad majora rief, und trotzig vorschlug:
>>Sogleich eine Gesandtschaft aus dem Rat nach der Herberge
zu schicken, den vornehmen Gast zu bewillkommen, und Fausten vierhundert
Goldgulden für seine lateinische Bibel zu überbringen,
um ihn dem Staate günstig zu machen.<<
Der Bürgermeister spottete darüber, daß man nun
vierhundert Goldgulden für ein Ding gäbe, das man gestern
vielleicht für hundert hätte haben können; seine
Spötterei diente zu nichts, der Vorteil des Vaterlands schlug
sie nieder.
>>Salus populi, suprema lex!
<< schrie der
Schöppe, und trug dem Bürgermeister mit Bewilligung
des Rats auf, den Gesandten und Fausten, auf Kosten des Staats,
köstlich zu bewirten.
Dieser Umstand beruhigte den Bürgermeister, der gern seinen
Pracht und Reichtum zeigte, ein wenig über seinen Fehlschuß
auf den Schöppen, und der Zusatz, auf Kosten des Staats,
versetzte ihn in die beste Laune.
2
Die jüngsten Ratsherren, mit einem der vier Syndiken, machten
sich auf den Weg, und der Bürgermeister schickte nach Hause,
Anstalten zum Schmause zu machen.
Der Teufel Leviathan war eben
mit Fausten in einem tiefen Gespräche verwickelt, als ihnen
die Gesandtschaft angemeldet ward.
Man ließ sie ein.
Sie
bewillkommten im Namen des Senats in aller Demut den vornehmen
Gast, und gaben ihm durch eine feine Wendung zu verstehen, daß
ihnen sowohl seine hohe Person, als seine wichtigen Aufträge
bekannt wären, und versicherten ihn mit zierlichen Worten
von ihrem Eifer für das Kaiserliche hohe Haus.
Der Teufel
verzerrte das Gesicht, wandte sich zu Fausten, faßte ihn
an der Hand, und versicherte die Redner, daß ihn nichts
anders in ihre Mauern geführt hätte, als ihnen diesen
großen Mann zu entwenden, den sie, wie er nicht zweifle,
zu schätzen wüßten.
Die Abgesandten wurden etwas
verwirrt, faßten sich aber bald wieder, und fuhren fort:
>>Es freue sie höchlich, daß sie ihm auf der Stelle
einen Beweis von der Achtung des Magistrats für einen so
großen Mann geben könnten.
Sie hätten den angenehmen
Auftrag, Fausten vierhundert Goldgulden für seine lateinische
Bibel auszuzahlen, bäten ihn, sie gefälligst anzunehmen,
und ihnen dieselbe als ein Kleinod zu übergeben.
Auch würde
sich der hochweise Magistrat für glücklich halten, ihn,
wenn es ihm gefiele, unter ihre Bürger zählen zu können,
und ihm dadurch den Weg zu dem Ruhm und der Ehre zu öffnen.<<
Diesen letzten Umstand setzten sie, aus eigner politischen Weisheit
hinzu, ein Beweis, daß sie sich als geschickte Unterhändler
der Umstände, die man nicht vorsieht, zu bedienen wußten.
Faust fuhr zornig auf, stampfte auf den Boden, und schrie:
>>Lügnerisches Gepack, hab ich euch nicht lange genug
gefuchsschwänzt, von dem stolzen Patrizier bis zu dem Schuhmacher
und Pfefferkrämer, denen ihr den Ratsherrnkragen um die Hälse
hängt, wie dem Esel die Halfter; ihr habt mich an
eurer Schwelle stehen lassen, und kaum eines Blicks gewürdigt.
Nun ihr hört, daß der gnädige Herr hier mich für
den Mann hält, den ihr nicht in mir sehen konntet, so kommt
ihr, mir den Fuchsschwanz zu streichen.
Seht, hier ist
Gold, wofür ihr gern das Heilige Römische Reich verkaufen
würdet, wenn ihr nur einen Narren finden könntet, der
den ungeheuren Rumpf ohne Kopf, Sinn und Verbindung kaufen möchte.<<
Den Teufel freute Fausts Zorn und die Scham der jungen Senatoren
höchlich; sie aber, die die Geschichte der Römer nie
gelesen hatten, waren nicht so hohen und feurigen Sinns, um gleich
eine Kriegserklärung aus ihrem zusammengefalteten Ratsherrnmantel
gegen Fausten hin zu schütten, sie brachten im Gegenteil
die Einladung zu dem Schmause bei dem Bürgermeister mit einem
so muntern Tone vor, als wenn gar nichts geschehen wäre.
Ein neuer Beweis von ihrer Geschicklichkeit im Unterhandeln; hätten
sie zum Beispiel den Schimpf beantwortet, so würden sie dadurch
eingestanden haben, sie verdienten ihn, da sie ihn aber ganz platt
auf die Erde fallen ließen, mir nichts, dir nichts, so ward
er kraftlos, und erhielt die Farbe eines unbilligen Vorwurfs.
Nur Genies sind fähig, so etwas, im geltenden Augenblick,
aufzufassen, zu unterscheiden und auszuführen.
Bei dem Worte Bürgermeister spitzte Faust die Ohren,
und der Teufel gab ihm einen bedeutenden Seitenblick.
Faust nahm
hierauf die Bibel aus seinem Kasten, übergab sie den Senatoren,
und sagte gefällig:
>>Da er nun sähe, daß sie zu leben wüßten,
ob man sie gleich dazu zwingen müßte, so mache er der
Stadt mit seiner Bibel ein Geschenk; sie möchten sie fleißig
lesen, und den Spruch, den er hier unterstreiche, und deutsch
auf den Rand schreibe, dem versammelten Rat zeigen, und ihn, zu
seinem Andenken, mit goldnen Buchstaben, an die Wand der Ratsstube
schreiben.<<
Die Senatoren gingen so vergnügt nach dem Römer zurück,
als Gesandten, die nach einem schlechten Kriege einen guten Frieden
nach Hause bringen, und alle Belohnungen, im Geiste, vorausgenießen,
die ihrer erwarten.
Sie wurden mit großer Freude empfangen,
man schlug die bemerkte Stelle auf, und las:
Und siehe, es saßen die Narren im Rat, und die Toren
ratschlagten im Gerichte.
Man verschluckte die bittre Pille, weil der vermeinte Schatten
der Kaiserlichen Majestät, in der Gestalt des Teufels, ihnen
allen die Mäuler band, tröstete sich mit den ersparten
vierhundert Goldgulden, und wünschte sich wechselsweis viel
Glück, so gut, aus einem so schlimmen Handel gekommen zu
sein.
Den Abgesandten wurde öffentlich gedankt, und schade
ist's, daß ihre Namen nicht auf die Nachwelt gekommen sind.
Da sie endlich von dem reichen Geldkasten Fausts sprachen, so
fuhr der Glanz des Goldes wie ein Wetterstrahl durch alle Seelen,
und jeder entwarf im stillen einen Plan, wie es anzufangen, sich
den Mann zum Freund zu machen.
Der Schöppe schrie: Man müßte
ihn zum Bürger machen, ihm Sitz und Stimme im Rat geben,
die Politik erfordere, daß man Herkommen und Gesetz übertrete,
wenn es der Vorteil des Vaterlands wäre etc.
Faust machte indessen einen Spaziergang mit dem Teufel; aber sie
fanden die Leute des Orts so flach und albern, nach einem so engen
Leisten zugeschnitten, sahen so unbedeutende, nichts versprechende
Gesichter, wie sie nur immer die Nürnberger, als Damen und
Herrn aufgeputzt, für den Christmarkt schnitzeln können.
Den einzigen Trieb, den sie ihnen ablauerten, war Neugierde, Geld-
und Gewinnsucht, ein beschränkter Kaufmannsgeist, der es
nicht wagt, sich ins Große auszudehnen.
Der Teufel sagte
gähnend zu Faust:
>>ängstlich, Faust, fühlt der Reichsstädter,
und ängstlich fährt er zur Hölle, hier ist keine
Ernte für den Mann von Geist, laß uns abfahren, wenn
du die Bürgermeisterin dahin gebracht hast, wo du sie haben
willst.<<
3
Die Glocke schlug zur Mahlzeit.
Der Teufel und Faust setzten sich
auf prächtig geputzte Pferde, und ritten, von einem großen
Gefolge begleitet, an das sich ein langer Zug gaffenden Pöbels
hing, zu dem regierenden Bürgermeister.
Sie traten in den
Versammlungssaal.
Der ganze Magistrat erwartete sie, und beugte
sich vor ihnen bis auf die Erde.
Der regierende Bürgermeister
bewillkommte sie mit einer Rede, stellte ihnen die Ratsglieder,
und die Weiber der Vornehmsten vor, die ihre geistlosen Gestalten
so prächtig herausgeputzt hatten, daß ihre Steifheit
und Ungewandtheit nur um so auffallender wurden.
Sie starrten
alle, wie eine Herde Gänse, und konnten sich an Leviathans
Putze nicht satt sehen.
Die Bürgermeisterin, eine Leipzigerin,
ragte allein unter ihnen hervor, wie eine Oreade.
Ihr war der
Blick Fausts so wenig entgangen, als seine vermögende Gestalt,
und sein geistvolles Gesicht.
Sie errötete, da er sie bewillkommte,
und fand keine andre Antwort auf seine Anrede, als einen Blick
voller Verwirrung, den Fausts Herz, wie die süßte Harmonie,
verschlang.
Die Senatoren spannten ihren Witz an, den Gästen
zu hofieren, und man setzte sich zur wohlbedienten Tafel.
Nach
Tische nahm der Teufel den Bürgermeister in ein besondres
Kabinet; ein Umstand, der diesem außerordentlich schmeichelte,
und allen übrigen, besonders dem Schöppen, ein Dolchstich
durchs Herz war.
Der Bürgermeister, vom Weine erhitzt, von der Ehre, die ihm
der vermeinte Kaiserliche Gesandte erwies, berauscht, erwartete
in gebeugter Stellung, und mit hervorragenden starren Augen seinen
Antrag.
Der Teufel bezeugte ihm, in sanftem Tone, wie schmeichelhaft
ihm die gute Aufnahme des Bürgermeisters sei, und wie sehr
er wünschte, sich ihm dankbar zu erweisen, setzte hinzu:
>>er führe eine gute Anzahl Adelsbriefe bei sich, mit
Kaiserlicher Unterschrift bekräftigt, verdienstvolle Männer
zu belohnen, und er wollte ihm gern den ersten erteilen, wennnospace;-<<
Freude, Entzücken, Erstaunen schossen durch des Bürgermeisters
Geist, er stund vor dem Teufel, mit weit aufgesperrtem Munde,
stammelte endlich: >>Wenn?
Was?
Wie?
Oh -<< Und der Teufel
raunte ihm ganz leise ins Ohr:
>>sein Freund Faust sei ganz unsinnig, in die schöne
Bürgermeisterin verliebt; um seinetwillen würde er alles
tun, und wenn die Bürgermeisterin sich auf einige Augenblicke
mit Fausten entfernen wollte, das bei dem Geräusche eines
Schmauses so leicht wäre, so sollte er ihr den Adelsbrief
zustellen.<<
Hiermit verließ ihn der Teufel, ging zu Fausten, unterrichtete
ihn, und stellte ihm den Adelsbrief zu, seiner Sache gewiß.
Faust zweifelte, und der Teufel lachte seiner Zweifel.
Der Bürgermeister stund in seinem Kabinette wie versteinert.
Der plötzliche Glanz eines unerwarteten Glücks hatte
sich, durch die häßliche Bedingung, so verfinstert,
daß der Reiz desselben schon verschwinden wollte, als auf
einmal der Stolz in seine Seele blies:
>>Ho!
ho!
<< sagte dieser: >>auf eine so auszeichnende
Art zum Edelmann geprägt zu werden!
dadurch deinen stolzen
Feinden gleich zu werden, und deine Stimme im Rat zu erheben,
wie eine Posaune!
unter sie zu treten, wie ein Mann, den Seine
Kaiserliche Majestät, seiner Verdienste wegen, über
alle und vor allen erheben will!
<<
Ein andres Gefühl lispelte leise:
>>Hu!
hu!
mit Willen und Wissen ein Hahnrei zu werden - aber
wer weiß es?
antwortete der Verstand. Und was ist
nun an dem ganzen Dinge, ich erhalte ein wirkliches Gut, und leihe
dafür eins, das längst keinen Reiz mehr für mich
hat.
Das übel sitzt nur in der Meinung, und es wird ein Geheimnis
zwischen mir und meiner Frau bleiben.
Und wenn es gar Seine Kaiserliche
Majestät erführe, daß ich diese hohe Ehre ausgeschlagen
- Im Grund, kann ich wohlfeiler zum Edelmann kommen?
Wird es
nicht ein Nagel an dem Sarge des Schöppen werden?
Und was
werden die Bürger nicht sagen, wenn sie sehen, daß
Seine Kaiserliche Majestät mich so zu schätzen weiß?
Werde ich mich nicht der ganzen Regierung bemächtigen, und
es allen denen vergelten, die mich beleidigt haben?
Ho!
ho!
Bürgermeister,
sei kein Narr!
die Gelegenheit hat nur an der Stirne Haare, hinten
ist sie kahl.
Greife zu!
Der Mann ist nur das, was er in den Augen
der Welt scheint.
Wer sieht es dem Edelmann an, wie er's geworden
ist - aber meine Frau, die wird sich dagegen setzen, ich kenne
schon die sächsische Ziererei<< -
In diesem Augenblick trat sie herein, um zu erfahren, was der
vornehme Herr ihm allein vertraut hätte.
Er sah sie schalkhaft,
doch etwas verlegen an:
>>Wie, Mäuschen, wenn ich dich heute noch zur Edelfrau
machte?
<<
Sie.
Schätzchen, so würden alle Weiber der bürgerlichen
Ratsherren aus Neid vergehen, und die Frau des Schöppen würde
an ihrem trocknen Husten zur Stunde für ärgernis sterben.
Er.
Das würde sie gewiß, und ich könnte ihren
stolzen Mann unter mich bringen; aber Mädchen, du sollst
dich selbst dazu machen, und mich obendrein.
Sie.
Seit wenn machen die Weiber ihre Männer zu Edelleuten,
mein Schatz?
Er.
Wer weiß, mein Kind, wie viele es so geworden sind
- erschrick nur nicht - Da ist der verwünschte Faust, dem
hast du es angetan.
Die Bürgermeisterin errötete, er fuhr fort:
Nur um seinetwillen will mich der Gesandte zum Edelmann machen,
und er soll dir den Adelsbrief unter vier Augen übergeben.
Du verstehst mich schon.
Hm, was denkst du davon?
Sie.
Stille, stille, mein Schatz, ich denke, daß uns,
wenn der Kaiserliche Gesandte einem andern aus dem Rat die Bedingung
vertraute, die Gelegenheit entwischen könnte.
Er.
Verzweifelt, Mäuschen, so laß uns eilen, daß
uns keiner zuvorkomme.
Die Gesellschaft hatte sich indessen in dem Garten zerstreut,
der Bürgermeister schlich hinter dem Faust her, und sagte
ihm leise ins Ohr: >>es würde seiner Frau eine Ehre sein,
den Adelsbrief aus seinen Händen zu empfangen, nur möchte
er sich ohne Aufsehen auf der Hintertreppe, die er ihm zeigen
wollte, zu ihr begeben, er denke übrigens, es sei nur eine
Grille von ihm, und er fürchte nichts von einem Manne, der
so viel Ehrgefühl und Gewissen zeigte.<<
Er führte
ihn hierauf zur Hintertreppe, Faust schlich hinauf, trat in das
Schlafzimmer, und fand die Bürgermeisterin in der wollüstigsten
Verwirrung.
Er raste an ihrem schwellenden Busen seine Glut aus,
und schlug den Bürgermeister zum Ritter des Heiligen Römischen
Reichs.
Sie von ihrer Seite glaubte sich nicht dankbar genug bezeigen
zu können, und fragte am Ende, ob in Zukunft mehr dergleichen
Formalitäten nötig wären?
Hierauf überbrachte
sie ihrem Gemahl heimlich den Adelsbrief, und sie verabredeten,
ihn bei dem Abendessen, in einer verguldeten und verdeckten Schüssel,
auftragen zu lassen, um den Gästen, durch die unerwartete
Entdeckung, einen desto peinlichern Schlag beizubringen.
Der Teufel,
dem der Bürgermeister seinen Plan mitteilte, fand ihn vortrefflich;
Faust aber raunte ihm ins Ohr: >>ich befehle dir, dem Schufte,
der sein Weib um des Wahns prostituiert hat, und dem ganzen hochweisen
Magistrat einen recht tückischen Streich zu spielen, um mich
an allen den Schafsköpfen auf einmal zu rächen, die
mich so niederträchtig herumgezerrt haben!
<<
4
Man saß beim Abendessen, die Becher gingen wacker herum,
als auf einmal der Teufel befahl, die verdeckte Schüssel,
die die Neugierde der Anwesenden so lange gefoltert hatte, zu
öffnen.
Dann nahm er den Adelsbrief von der Schüssel,
überreichte ihn dem Bürgermeister, mit den Worten: >>Würdiger
Herr, Seine Majestät der Kaiser, mein Herr, geruhet, Euch
durch diesen Adelsbrief um Eurer Treue und Verdienste willen zum
Ritter des Heiligen Römischen Reichs zu schlagen.
Ich fordere
Euch auf, aus Dankbarkeit und Pflicht, nie in dem Eifer für
das hohe Kaiserliche Haus zu erkalten, und bringe Euch, Herr Ritter,
die erste Gesundheit zu!
<<
Diese Worte rollten wie der Donner in die Ohren der Gäste.
Der Betrunkne ward nüchtern, der Nüchterne betrunken;
den Weibern zitterten die von Zorn blauen Lippen beim Glückwunsch,
der Schlag traf den Schöppen, er saß ohne Bewegung
auf dem Stuhle, und sein Weib war nah, an ihrem trocknen Husten
zu ersticken.
Die Furcht zwang indessen die übrigen, vergnügte Gesichter
zu zeigen, und man trank unter lautem Vivat des neuen Ritters
Gesundheit.
Während dem Geräusche füllte auf einmal
ein dünner Nebel den Saal.
Die Gläser fingen an, auf
dem Tische herum zu tanzen.
Die gebratnen Gänse, die Enten,
Hühner, Spanferkel, Kälber-, Schafs- und Ochsenbraten,
schnatterten, krähten, grunzten, blökten, brüllten,
flogen über dem Tische, und liefen auf dem Tische.
Der Wein
trieb in blauen Feuer-Flammen aus den Flaschen.
Der Adelsbrief
brannte loh zwischen den Fingern des bebenden Bürgermeisters,
und ward zu Asche.
Die ganze Gesellschaft saß da, verwandelt
in possierliche Masken einer tollen Faschingsnacht.
Der Bürgermeister
trug einen Hirschkopf zwischen den Schultern, alle die übrigen,
Weiber und Männer, waren mit Larven aus dem launigen Reiche
der grotesken und bizarren Phantasie geziert, und jeder sprach,
schnatterte, krähte, blökte, wieherte oder brummte in
dem Tone der Maske, die ihm zu Teil geworden.
Dieses machte ein
so tolles Konzert, daß Faust dem Teufel gestand, das Stückchen
mache seiner Laune Ehre.
Der Schöppe allein, unter der Maske
eines Pantalons, saß leblos da, und seine Frau wollte unter
der Gestalt einer Truthenne ersticken.
Nachdem sich Faust lange
genug an dem Spuk ergötzt hatte, gab er dem Teufel einen
Wink, und sie fuhren zum Fenster hinaus, nachdem der letztere
für diesmal den gewöhnlichen Gestank der Hölle
hinterlassen hatte.
Nach und nach verschwand der Spuk, und als die weisen Herren morgens
in der Ratsstube erschienen, war nichts mehr davon übrig,
als obiger Spruch, der in glühenden Buchstaben an der Wand
brannte, und den man notgedrungen mit einer eisernen Türe
bedeckte, und nur jedem neuen Ratsglied, unter dem Siegel der
Verschwiegenheit, als ein Staatsgeheimnis zeigte.
Von allen diesem
sagt nun die Geschichte, oder welches in Teutschland einerlei
ist, die Chronik nicht ein Wort, und nun glaube ihr einer.
Der Bürgermeister gewann wenigstens so viel bei dem Handel,
daß der Schöppe gelähmt blieb, und weiter nicht
mehr im Rat erschien.
Zu merken: In dem Augenblick, da die Stadt Frankfurt der
Reformation beitrat, vertilgte der Teufel diese glühende
Inschrift, und es ist keine Spur mehr davon zu sehen.
Die Ursach
davon liegt in der Rede des Satans.
Man bemerkt diesen Umstand,
neugieriger Reisenden wegen, und gibt ihnen den Wink, in Frankfurt
nur nach der Goldnen Bulle zu fragen.
5
Der Teufel Leviathan und Faust fuhren über die Stadtmauern
weg, und als sie sich auf dem flachen Felde befanden, sandte ersterer
einen Geist nach dem Wirtshause, die Rechnung zu berichtigen,
und Fausts Gerätschaft zu bringen.
Darauf wandte er sich
zu Faust, und fragte ihn: wie er mit seinem Probstück zufrieden sei?
Faust.
Hm, will der Teufel gelobt sein?
so, so!
Es freut
mich übrigens, daß du ihnen etwas angehängt hast;
aber nie hätte ich's hinter dem ernsthaften Schuft gesucht,
daß er sein Weib, um des Wahns willen, prostituieren würde.
Teufel.
Nur weiter, Faust, bald wirst du dich überzeugen,
daß dieses die Gottheit ist, die ihr anbetet, und die ihr
unter allerlei glänzenden Gestalten ausgeputzt habt, ihre
Blöße zu verstecken.
Man hört dir noch immer an,
daß du dich mit den Büchern abgegeben, und auf leerem
Stroh gedroschen hast; freilich nicht der Weg zu dem Herzen der
Menschen.
Die Schuppen werden dir schon nach und nach von den
Augen fallen.
In deinem Vaterland ist übrigens nicht viel
zu tun.
Möncherei, Scholastik, Prügeleien der Edelleute,
Menschenhandel der Fürsten mit ihren Untertanen, Bauernschinderei,
das ist euer Getreibs.
Ich muß dich auf eine Bühne
führen, wo die Leidenschaften etwas freier würken, und
wo man zu großen Zwecken große Kräfte anwendet.
Faust.
Und ich will dich zwingen, an den moralischen Wert
des Menschen zu glauben, bevor wir mein Vaterland verlassen, wenn
wir sagen können, daß wir eins haben.
Nicht ferne lebt
ein Fürst, den ganz Teutschland als ein Muster der Tugend
und Gerechtigkeit preist, diesen wollen wir besuchen und belauschen.
>>Topp<<, sagte der Teufel, >>ein solcher Mann, könnte
auch mir um der Seltenheit gefallen.<<
Der Geist kam mit Fausts Gerätschaften an, sie schickten
ihn nach Mainz voraus, um in einer Herberge Quartier zu bestellen.
Faust wollte aus geheimen Absichten, die der Teufel roch, bei
einem Eremiten, an der Homburger Höhe, übernachten,
der weit und breit im Geruche besondrer Heiligkeit stund.
Sie
erreichten um Mitternacht die Einsiedelei, und klopften an.
Der
Eremit öffnete ihnen, und Faust, der die reichen Kleider
des Teufels umgeworfen hatte, entschuldigte die Dreistigkeit,
die Ruhe eines so heiligen Mannes unterbrochen zu haben, mit dem
Vorwand, sie hätten sich auf der Jagd verspätet, und
ihr Gefolg, außer einem einzigen Diener verloren.
Der Eremit
sah zur Erde, und sagte seufzend:
>>Derjenige, der dem Himmel lebt, darf der gefährlichen
Ruhe nicht pflegen.
Ihr habt mich nicht gestört, und wollt
ihr ausruhen bis zum Aufgang der Sonne, so laßt es euch
gefallen, wie ihr es findet.
Wasser, Brot, und Stroh zum Lager,
ist alles, womit ich euch dienen kann.<<
Faust.
Bruder Eremit, wir haben das Nötige bei uns,
und ich bitte dich nur um einen Trunk Wasser.
Der Eremit nahm seinen Krug und ging nach der Quelle.
Faust.
Ich denke, in seinem Herzen wohnt Ruhe, wie auf seiner
Stirne, und preise ihn glücklich, daß er das nicht
kennt, was mich dir verbunden hat.
Ihm sind Glauben und Hoffnung
Ersatz für alles das, um deswillen ich der Verdammnis zueile;
so scheint es wenigstens.
Teufel.
Und scheint auch nur; wie, wenn ich dir bewiesen
daß dein Herz rein wie Gold gegen das seinige ist?
Faust.
Teufel!
Teufel.
Faust, du warst arm, verkannt, verachtet, und sahst
dich mit deinen großen Fähigkeiten in dem Staube: du
bist der Verachtung als ein kraftvoller Mann auf Gefahr deines
eigenen Selbsts entsprungen, und warst nicht fähig, deine
Not mit dem Mord eines andern zu enden, wie dieser Heilige es
tun würde, wenn ich ihn in Versuchung führte.
Faust.
Merke ich doch den listigen Teufel!
Ich darf dir nur
befehlen, deine Kunststücke auszuüben, und du wirst
die Sinne dieses Gerechten so verwirren, daß er Taten unternimmt,
die seinem Herzen fremd sind.
Teufel.
Ist denn eure Tugend und Frömmigkeit ein so
zerbrechliches Ding, daß keiner daran schlagen darf, ohne
sie zu zertrümmern?
Seid ihr nicht stolz auf euren freien
Willen, und schreibt durch ihn eure Taten eurem eignen Herzen
zu?
Ihr seid alle Heilige, wenn euch nichts in Versuchung führt.
Nein, Faust, ich will nichts hinzusetzen, und seinen Sinnen nur
den Köder zeigen, um sein Herz zu prüfen.
Braucht der
Teufel in euch hinein zu kriechen, da ihr durch eure Sinne gestimmt
werdet?
Faust.
Und wenn dir's nicht gelingt, glaubst du, ich würde
deine Pfuscherei ungestraft lassen?
Teufel.
Nun so sollst du mir zur Strafe, einen ganzen Tag
von der Tugend der Menschen vorprahlen.
Laß sehen, ob ihn
dieses reizt.
Eine mit leckern Speisen und mit feurigen Weinen besetzte Tafel,
erschien in der Mitte der Einsiedelei.
Der Eremit trat herein, und stellte leise das Wasser vor Faust,
entfernte sich in einen Winkel, ohne der üppigen Tafel zu
achten.
Faust.
Nun, Bruder Eremit, wir haben aufgetischt, laßt
es Euch nicht zweimal sagen, und greift zu.
Unbeschadet Eures
heiligen Rufs, mögt ihr mitschmausen, denn auf Eurer Stirne
lese ich, daß es Eurem Herzen gelüstet.
Kommt, einen
Becher zu Ehren eures Schutzheiligen!
Wie heißt er?
Eremit.
Der heilige Georg.
Faust.
Er soll leben!
Teufel.
Ho, ho, Bruder Eremit, der heilige Georg von Kappadozien,
das war mir ein ganzer Kerl, und wenn Ihr den zum Muster nehmt,
so werdet Ihr gut dabei fahren.
Ich kenne seine Geschichte recht
gut, und will sie Euch, zu Eurer Erbauung, mit kurzen Worten erzählen.
Er war der Sohn sehr armer Leute, und in einer elenden Hütte
Ciliciens geboren.
Als er heranwuchs, fühlte er früh
seine Gaben, und öffnete sich durch Schmeichelei, Niederträchtigkeit
und Kuppelei die Häuser der Großen und Reichen.
Diese
verschafften dem dienstfertigen Manne, aus Dankbarkeit, eine Lieferung
für die Armee des griechischen Kaisers.
Er stahl aber dabei
auf eine so grobe Art, daß er bald flüchtig werden
mußte, um nicht gehenkt zu werden.
Hierauf schlug er sich
zu der Sekte der Arianer, und machte sich als ein offner Kopf
bald zum Meister des dunklen, unverständlichen Wirrwarrs
der Theologie und Metaphysik.
Um diese Zeit vertrieb der arianische
Kaiser Constantius den gut katholischen und heiligen Athanasius
von dem bischöflichen Sitze Alexandriens, und der Kappadozier
ward von einem arianischen Synod auf den bischöflichen Stuhl
gesetzt.
Hier war Euer Georg nun in seinem Elemente, er schwelgte,
und ließ sich gut sein; da er aber durch Ungerechtigkeit
und Grausamkeit die Gemüter seiner Untergebenen bis zur Verzweiflung
trieb, schlugen sie ihn endlich tot, und führten seine Leiche,
auf einem Kamel, im Triumph durch die Straßen Alexandriens.
Seht, so ward er ein Märtyrer, Euer und Engellands Schutzheiliger.
Eremit.
Die Legende sagt nichts davon.
Faust.
Ich glaub es wohl, Bruder, denn um der Wahrheit willen
müßte sie eigentlich der Teufel schreiben.
Der Eremit segnete sich.
Faust.
Ist Essen und Trinken eine Sünde?
Eremit.
Es kann dazu reizen.
Teufel.
Dann müßt Ihr schwach sein, und schlecht
mit dem Himmel stehen.
Kampf und Versuchung ist der Triumph des
Heiligen.
Eremit.
Der Herr hat recht; aber nicht alle sind Heilige.
Faust.
Seid Ihr glücklich, Bruder?
Eremit.
Ruhe macht glücklich, und ein gutes Gewissen
selig.
Teufel.
Auch Ruhe reizt zur Sünde, und mehr als Speis
und Trank; woher nehmt Ihr das?
Eremit.
Die Bauern bringen mir des kümmerlichen Lebens
Unterhalt.
Faust.
Und was tut Ihr für sie?
Eremit.
Ich bete für sie.
Faust.
Gedeiht es ihnen?
Eremit.
Ich hoffe, und sie glauben es.
Teufel.
Bruder, Ihr seid ein Schelm.
Eremit.
Beleidigungen der sündigen Welt sind dem Gerechten
nötige Züchtigung.
Teufel.
Warum seht Ihr nicht aufwärts?
Warum errötet
Ihr?
Nun denkt einmal, ich verstünde die Kunst, auf des Menschen
Angesicht zu lesen, was in seinem Herzen spukt.
Eremit.
Desto schlimmer für Euch, Ihr werdet Euch selten
in Gesellschaft freuen.
Teufel.
Ho!
ho!
wißt Ihr doch das?
er sah nach Faust.
Eremit.
Es ist eine sündige Welt, in der wir leben,
und weh ihr, wenn Tausende nicht in die Einsamkeit eilten, ihr
Leben dem Gebet weihten, um die Rache des erzürnten Himmels
von dem Haupt der Sünder abzuwenden.
Faust.
Guter Bruder, Ihr schlagt Euer Gebet ziemlich hoch
an, und glaubt mir nur, es ist noch immer leichter zu beten als
zu arbeiten.
Teufel.
Hört doch, Ihr habt da einen Zug um den Mund,
der Euch zum Heuchler stempelt, und Eure Augen, die in einem so
engen Kreise herumlaufen, und immer gegen den Boden gekehrt sind,
sagen mir, daß sie überzeugt sind, sie würden
zu Verrätern Eures Herzens, wenn sie aufblickten.
Der Eremit hub die Augen gen Himmel, betete mit gefaltnen Händen,
und sprach: >>So antwortet der Gerechte dem Spötter.<<
Faust.
Genug!
kommt, Bruder, und laßt es Euch gut mit
uns sein.
Der Eremit war nicht zu bewegen, Faust sah den Teufel höhnisch
an, der es noch höhnischer erwiderte.
Auf einmal öffnete
sich schnell die Türe, und eine junge Pilgerin fuhr atemlos
herein.
Als sie sich von ihrer Furcht und ihrem Schrecken erholt
hatte, erzählte sie, wie sie ein Ritter verfolgt hätte,
dem sie so glücklich gewesen zu entwischen, und sich bei
dem frommen Eremiten zu retten.
Man bewillkommte sie freundlich,
und entdeckte eine blühende, wollüstig gebildete Schönheit
in ihr, die dem heiligen Antonius selbst den Sieg über das
Fleisch würde schwer gemacht haben.
Sie setzte sich zu dem
Teufel, nahm bescheiden Teil an dem Mahl, und der Teufel erlaubte
sich Freiheiten mit ihr, die anfangs den Eremiten empörten,
endlich verwirrten; da aber der Teufel in einem Augenblick ihren
milchweißen, vollen, schimmernden und hebenden Busen aufdeckte,
ihre schwarze Haare darüber rollten, so fühlte er das
glühende Feuer der Lust von diesem Busen so heiß in
den seinen hinüber fließen, daß er beinahe vergaß,
dagegen zu kämpfen.
Die Pilgerin riß sich beschämt
und zornig aus den Armen des Teufels, um Schutz bei dem Eremiten
zu suchen, den er ihr, vermöge seines Rocks, nicht versagen
konnte.
Der Teufel und Faust stellten sich trunken, und zum Schlafe geneigt;
ehe sie sich niederwerfen, steckte der Teufel, vor des Eremiten
Augen, einen schweren Beutel voll Gold unter die Streue, legte
seine und Fausts reiche Ringe in eine Schachtel, die letzterer
zu sich nahm.
Auf den Tisch legten sie ihre Schwerter und Dolche,
warfen sich nieder und schnarchten.
Die Pilgerin nahte leise dem Tische, goß mit ihrer niedlichen
und schneeweißen Hand einen Becher voll schäumenden
Weins.
Sie kostete den Rand mit ihrem reizenden, frischen Munde,
und reichte ihn dem Eremiten dar.
Er stund da wie betäubt,
und in der Verwirrung leerte er diesen und einige folgende aus,
und verschluckte gierig die Leckerbissen, die ihm die Zauberin,
einen nach dem andern, in den Mund steckte.
Hierauf zog sie ihn
hinaus, bat ihn unter Tränen um Vergebung, daß sie
gezwungen seine heilige Augen beleidigt hätte; tat dabei
so wehmütig und untröstlich, faßte seine Hände
so warm, ließ sich endlich vor ihm auf die Knie nieder,
und da in diesem Augenblick ihre Brust sich öffnete, und
der silberne Mond ihren schimmernden Busen erleuchtete, der leise
Wind ihre schwarzen Locken darauf hin und her bewegte, so erwachte
das Gefühl der unterdrückten Natur so stürmend
in dem Eremiten, daß er an diesen blendenden Busen sank,
ohne zu wissen, wie ihm geschah: Die Pilgerin führte ihn
unmerklich von einer Stufe der Lust zu der andern, und da er eben
hoffte, sich seinem Wunsche zu nahen, so lispelte sie ihm leise
ins Ohr: >>Sie würde ewig die seinige sein, wenn er sie
zuvor an diesen Frechen rächen, und sich ihres Schatzes bemächtigen
wollte, durch dessen Besitz sie beide ein seliges, wollüstiges
Leben, bis an ihr Ende führen könnten.<<
Der Eremit erwachte ein wenig aus seinem Taumel, und fragte sie
zitternd: >>wie sie das verstände, und was sie von ihm
forderte?
<<
Unter üppigen Küssen, wollüstigen Seufzern, lispelte
Sie ihm noch leiser ins Ohr, indem sie ihren heißen Busen
gegen sein schlagendes Herz drückte: >>Ihre Dolche liegen
auf dem Tische, du ermordest den einen, ich den andern, kleidest
dich in ihr Gewand, bemächtigst dich ihres Schatzes, wir
stecken die Einsiedelei an, und fliehen nach Frankreich.<<
Der fürchterliche Gedanke des Mords schauderte durch die
Sinne des Eremiten, die Wollust raste in seinem Herzen, er strauchelte,
wankte, blickte auf die Reize der Zauberin, fühlte sich in
ihrem Besitze, sah, daß er sie und den Schatz ohne Gefahr
erhalten könnte, alle vorige Empfindungen verschwanden, und
er vergaß den Himmel und seinen Beruf.
Die Pilgerin stieß
den Taumelnden in die Zelle, er faßte einen Dolch, sie den
andern; er wollte den Streich gegen Fausten führen, der Teufel
erhub ein Hohnlachen der Hölle, und Faust sah den Eremiten
mit gezücktem Dolche an seiner Seite knien.
Faust.
Verdammter, der du unter der Larve der Frömmigkeit
deine Gäste ermorden willst!
Der Eremit sank bebend zur Erde.
Die Pilgerin, eine Gaukelei der
Hölle, zeigte sich ihm in einer fürchterlichen Gestalt,
und verschwand.
Faust befahl dem Teufel, die Hütte anzustecken, und sie mit
dem Heuchler zu verbrennen.
Der Teufel gehorchte frohlockend,
und die Einsiedelei brannte auf.
Den folgenden Morgen wehklagten
die Bauern über den Tod des Gerechten, sammelten seine Knochen,
und verehrten sie als Reliquien des frommen Eremiten.
6
Faust und der Teufel kamen morgens in Mainz an, und stiegen bei
Fausts Wohnung ab.
Sein junges Weib fiel ihm, mit einem hellen
Freudenschrei, um den Hals, herzte ihn, und brach dann in wehmütige
Tränen aus.
Die Kinder hingen sich lärmend an seine
Knie, durchsuchten begierig seine Taschen, ob er ihnen etwas mitgebracht.
Der alte graue Vater nahte sich mit zitternden Knien, und reichte
dem Sohn traurig die Hand.
Fausts Herz bewegte sich, er fühlte
seine Augen naß, er bebte, und sah zornig nach dem Teufel.
Als er seine Frau fragte, warum sie weinte, antwortete sie schluchzend:
>>Ach sieh doch, Faust, wie die Hungrigen in deinen Taschen
nach Brot suchen, wie kann ich dies ohne Tränen ansehen!
sie haben lange nichts gegessen, wir waren so unglücklich,
alle deine Freunde haben uns verlassen, aber nun ich dich wiedersehe,
ist mir, als erblickte ich das Angesicht eines Engels.
Ich und
dein Vater haben noch mehr um dein-, als um unsertwillen gelitten.
Wir hatten so fürchterliche Träume und Erscheinungen;
wenn sich meine von Tränen müden Augen schlossen, sah
ich dich gewaltsam von uns gerissen, und alles war so finster
und schreckend.<<
-
Faust.
Dein Traum, Liebe, geht eines Teils in Erfüllung.
Sieh, dieser Herr will die Verdienste deines Mannes belohnen,
den sein hartes Vaterland mißkannte und verstieß.
Ich habe mich ihm verbunden, eine lange und weite Reise mit ihm
zu machen.
Der alte Faust.
Mein Sohn, bleibe im Lande und nähre
dich redlich, sagt die Schrift.
Faust.
Und sterbe Hungers, ohne daß man sich deiner
erbarmt, sagt die Erfahrung.
Die Mutter jammerte noch kläglicher, die Kleinen schrien
um Brot.
Faust winkte dem Teufel, der einen Diener herauf rief,
welcher bald darauf einen schweren Kasten herein schleppte.
Faust
öffnete den Kasten, und warf einen schweren Sack voll Gold
auf den Tisch.
Da er den Sack aufmachte, und das Gold schimmerte,
verbreitete sich Heiterkeit auf die traurigen Gesichter.
Hierauf
zog er schöne Kleider und Kleinodien aus dem Kasten, und
übergab sie seinem Weibe.
Die Tränen verschwanden, die
Eitelkeit leckte sie weg, wie die Sonnenhitze den Tau, und Munterkeit
goß sich über das Angesicht des jungen Weibs.
Der Teufel
lächelte, und Faust murrte in seinen Bart: >>O Zauber
des Golds!
Magie der Eitelkeit!
ich kann nun wegreisen, ohne daß
es andre Tränen, als Tränen der Verstellung kosten wird.
- Nun, Weib, sieh, dies sind die Früchte meiner Reise, sag,
ist es nun besser, daß ich im Lande mit euch allen darbe?
<<
Die junge Frau hörte nichts, sie stund mit den schönen
Kleidern und Kleinodien vor dem Spiegel, und versuchte alle die
Herrlichkeiten.
Die kleinen Mädchen hüpften um sie herum,
bewunderten sie, nahmen die Putzstücke, die sie weglegte,
und ahmten die Mutter nach.
Indessen brachte ein Diener ein volles
Frühstück, die Kleinen fielen darüber her, schrien
und jauchzten.
Die Mutter hatte den Hunger vergessen.
Fausts Vater sagte seinem Sohn leise: >>Hast du dies alles
auf eine redliche Art erworben, so laß uns Gott danken,
mein Sohn, und des Bescherten genießen.
Ich habe seit einigen
Nächten schreckliche Gesichter und Ahndungen gehabt, doch
ich hoffe, sie kommen von unserm Kummer her.<<
Diese Anmerkung des Alten wollte tief in Fausts Seele sinken;
aber die Freude, seine Kinder so gierig und vergnügt essen
zu sehen, zu bemerken, wie freundlich und dankbar sein ältester
Sohn und Liebling nach ihm blickte, der Gedanke, ihrem Elend abgeholfen
zu haben, der Mißmut über das Vergangene, der innere
Zug nach Genuß, dämpften die Aufwallung.
Der Teufel
legte noch eine Summe zu dem Golde, beschenkte die junge Frau
mit einem edeln Halsschmuck, gab jedem der Kinder etwas, und versicherte
die Familie, er würde Fausten reich, gesund und glücklich
zurückbringen.
7
Faust ging hierauf mit dem Teufel zu einem Freunde, den er in
großer Betrübnis antraf.
Er fragte ihn um die Ursache
seiner Traurigkeit, und er antwortete ihm: >>daß diesen
Mittag der ihm bekannte Prozeß abgeurteilt würde, und
er wäre gewiß, ihn zu verlieren, so sehr auch das Recht
auf seiner Seite sei.
Meister Faust<<, setzte er hinzu, >>mir
bleibt nichts übrig, als zu betteln; oder mich in den Rhein
zu stürzen, wo er am tiefsten ist.<<
Faust.
Wie könnt Ihr gewiß sein, daß Ihr
den Prozeß verliert, da das Gesetz für Euch ist?
Freund.
Aber die fünfhundert Goldgulden meines Widersachers
sind gegen mich, und da ich ihn nicht überbieten kann, so
muß ich zu Grund gehen.
Faust.
Liegt's nur an dem?
Kommt, und führt mich zu
Eurem Richter.
Ich habe hier einen Freund, der solchen Nöten
gern abhilft.
Sie fanden in dem Richter einen aufgeblasnen stolzen Mann, der
einen armen Klienten kaum eines Blicks würdigte.
Faust kannte
ihn längst für das, was er war.
Der Richter fuhr Fausts
Freund verdrießlich an: >>Was quält Ihr mich, wißt
Ihr doch, daß Tränen die Gerechtigkeit nie bestechen!
<<
Der gebeugte Freund sah demütig zur Erde.
Faust.
Gestrenger Herr, da habt Ihr recht, Tränen sind
auch nur Wasser, und beißen nur die Augen dessen, der sie
weint; aber doch wißt Ihr, daß mein Freund das Recht
für sich hat.
Richter.
Meister Faust, Ihr seid mir als ein Mann bekannt,
der Hab und Fahrt verpraßt, und eine lose Zunge hat.
Was
kümmern seine Tränen die Gerechtigkeit?
Recht und Gesetz
sind zweierlei; hat Euer Freund das erste für sich, so hat
er darum noch nicht das zweite.
Faust.
Ihr sagt, Recht und Gesetz sind zweierlei, ungefähr
wie Richter und Gerechtigkeit, meint Ihr doch?
Richter.
Meister Faust, ich sagte Euch, Ihr seid mir bekanntnospace;-
Faust.
Wir betrügen uns vielleicht einer in dem andern,
wohlweiser Herr; aber lohnt's doch der Mühe nicht, den Mohren
weiß waschen zu wollen.
Er machte die Türe auf,
der Teufel trat ein. Hier ist ein Freund, der Euch ein Dokument
vorlegen wird, das, wie ich hoffe, der Sache meines Freundes eine
beßre Wendung geben soll.
Als der Richter den reich gekleideten Teufel sah, nahm er eine
freundlichere Miene an, und bat sie beide niederzusetzen.
Faust.
Wir können es im Stehen abtun.
Zu dem Teufel.
Zeigt doch das Dokument vor, das wir ausgefunden haben.
Der Teufel zählte bis zu fünfhundert Goldgulden, dann
hielt er innen.
Richter.
Das Dokument ist nicht übel, meine Herren;
doch die Gegenpartei hat längst eins von gleichem Gewicht
eingegeben.
Faust.
So müssen wir die Gründe für uns schwerer
machen.
Der Teufel zählte bis tausend, dann hielt er innen.
Richter.
In der Tat, diesen Umstand hatt ich ganz übersehen,
und solchen Beweisen ist nicht zu widerstehen.
Er raffte das Gold zusammen und verschloß es in seinen Schrank.
Faust.
Ich hoffe doch, Recht und Gesetz sind nun einverstanden.
Richter.
Ihr versteht die Kunst, Meister Faust, die ärgsten
Feinde auszusöhnen.
Faust, den die Schlechtigkeit des Richters ebenso sehr beleidigte,
wie seine Grobheit, lispelte dem Teufel, beim Weggehen ins Ohr:
>>Räche die Gerechtigkeit an diesem Bösewicht!
<<
Hierauf trennte er sich von seinem Freunde, ohne seinen Dank abzuwarten,
ging weiter mit dem Teufel, seine Schulden zu bezahlen.
Besuchte
dann seine übrigen Freunde, gab überall mit vollen Händen,
selbst denen, die ihn im Unglück verlassen hatten, und fühlte
sich glücklich, seiner angebornen Großmut und Freigebigkeit,
ohne Maß und Einschränkung, den Zügel schießen
lassen zu können.
Der Teufel, der weiter sah, und bemerkte,
wie er ohne alle überlegung wegwarf, freute sich der Folgen.
8
Sie kamen nach dem Gasthofe.
Faust, dem nun das Betragen seiner
Frau wieder einfiel, war mürrisch und betroffen, er konnte
es ihr nicht vergeben, daß ihr weiter keine Klagen über
seine Entfernung entfahren seien, nachdem sie das Gold und die
Kleinodien gesehen hatte.
Er glaubte sich bisher mehr von ihr
geliebt, als alle Schätze der Erde, und dachte, sie würde
dieselben um seinetwillen fahren lassen.
Diese Bemerkung über
eine ihm so nahe Person machte einen widrigen Eindruck auf sein
Herz.
So strenge richtet und schließet nur der, den sein
eignes Herz verurteilt, als Faust diesen Augenblick in seinem
Innern tat.
Der Teufel merkte, wo es ihn drückte, ließ
ihn gern an diesen düstern Gedanken zerren, damit er das
süße Band, worin ihn die Natur noch leise gefesselt
hielt, ganz zerreißen möchte.
Er sah mit innigem Genusse
die schreckliche Qual, die einst daraus entspringen würde,
wenn die Zukunft alle die Ungeheuer enthüllen sollte, womit
der verwegne Faust sie zu füllen auf dem Wege war.
Mittags speisten sie mit einigen äbten und Professoren an
der Wirtstafel, die zur Ergötzung des Teufels bald in einen
heftigen Streit über die Nonne Klara gerieten.
Noch war das
Kriegsfeuer in aller Stärke, der Parteigeist raste in allen
Häusern und die Streiter am Tische gebärdeten sich so
wütend, sagten über den bekannten Fall so tolle Sachen,
daß Faust alle übele Laune vergaß.
Als aber ein
Doktor der Theologie behauptete, es sei möglich, daß
der Teufel sein Spiel so weit getrieben hätte, die Nonne
durch den Traum in gewisse Umstände zu versetzen, brach der
Teufel in ein brüllendes Lachen aus, und Fausten fuhr der
Gedanke durch den lüsternen Sinn, sich auf eine schreiende
Art an dem Erzbischof zu rächen, der seiner Erfindung so
wenig geachtet.
Er hoffte dadurch den Gegenstand des theologischen
und politischen Haders und Zweikampfs in Mainz so zu verwirren,
daß kein menschlicher Geist dieses Chaos mehr auseinander
wickeln sollte.
Er bedachte nicht, daß er ihm dadurch ein
Ende machte.
Nach Tische befahl er dem Teufel, ein Mittel auszusinnen,
daß er diese Nacht, unter der Gestalt des Dominikaners,
bei der Nonne Klara liegen könnte.
Der Teufel erwiderte,
es sei ein leichtes, und wenn es ihm gefiele, so sollte ihn die
äbtissin selbst in die Zelle der Nonne führen.
Faust
spottete des Teufels, denn die äbtissin war ihm als eine
fromme, strenge und gewissenhafte Frau bekannt.
Teufel.
Faust, dein Weib erhub ein Zetergeschrei, als du
ihr deine Reise ankündigtest; aber da der Schimmer des Goldes
und des Putzes in ihre Augen strahlte, lachte das Herz des Kummers.
Ich sage dir, die äbtissin soll dich in die Zelle der Nonne
führen, und ich will keine übernatürliche Mittel
gebrauchen.
Du selbst sollst Zeuge sein, wie die alte Vettel in
die Angel beißen wird.
Komm, wir wollen ihr, unter der frommen
Gestalt zweier Nonnen, einen Besuch machen.
Ich kenne die Lager
der Klöster, die Gesinnungen der Nonnen und Mönche in
Teutschland genau, um sie vorstellen zu können.
Ich will
die äbtissin der schwarzen Nonnen vorstellen, und du ihre
Freundin, die Schwester Agathe.
In diesem Augenblick kam Fausts Freund voller Freude, ihm die
Nachricht von dem glücklichen Ausgang seines Prozesses zu
überbringen.
Er wollte Fausten und dem Teufel danken, Faust
aber sagte: >>Ich entlasse Euch alles Danks, und empfehle
Euch meine Familie in meiner Abwesenheit.<<
Der Teufel lächelte
über sein Zutrauen.
Faust raunte diesem ins Ohr: >>es
ist Zeit; denke des Richters!
<<
9
Der Richter wollte nachmittags seinem geliebten Weibe die tausend
Goldgulden des Teufels vorzählen, zog sehr hastig die Schublade
heraus, und fuhr bei ihrem Anblick bebend zurück.
Die Goldstücke
hatten sich in Mäuse und große Ratten verwandelt, die
alle herausfuhren, und wütend nach seinem Gesicht und Händen
sprangen.
Der Richter, der von Natur einen großen Abscheu
gegen diese Tiere hatte, floh aus der Stube, sie ihm nach, und
hingen sich an seine Ferse.
Er stürzte zu dem Hause hinaus,
lief durch die Straßen, das Ungeziefer verfolgte ihn.
Er
rannte aufs Feld, sie ließen nicht ab.
So trieben sie den
Angstvollen bis in den steinernen Mautturm im Rhein.
Hier dachte
er das Ende ihrer Verfolgung gefunden zu haben; aber Ratten und
Mäuse aus der Hölle scheuen das Wasser nicht.
Sie schwammen
hindurch, fielen über ihn her, und fraßen ihn lebendig
auf.
Von dieser Zeit an nannte man diesen Turm den Mäuseturm.
Seine Frau erzählte in der Bestürzung die Geschichte
der Verwandlung der Goldstücke, wodurch sich ihr unglücklicher
Mann hätte verblenden lassen, und seit diesem Vorfall hat
man im ganzen Erzstift Mainz kein Beispiel erlebt, daß sich
ein Richter oder Advokat hätte bestechen lassen.
Der Teufel
muß dieses nicht bedacht haben, sonst hätte er gewiß
den Spuk bleiben lassen.
10
Der Teufel und Faust stunden verwandelt und vermummt in dem Kreuzgang
des Nonnenklosters.
Die Pförtnerin lief voraus, was sie konnte,
der äbtissin den vornehmen Besuch anzukündigen.
Die
äbtissin empfing sie, mit allen den frömmelnden Klosterbegrüßungen,
die der Teufel in gleichem Tone beantwortete.
Man trug Zuckergebacknes
und feine Getränke auf, schnatterte von Klostergeschichten,
von der argen Welt, und der Teufel lenkte seufzend die Unterredung
auf Klaras Geschichte.
Klärchen, die vermöge ihrer Verwandtschaft
das Schoßkind des Klosters war, stund neben der äbtissin,
und lächelte unter ihrem Schleier.
Faust bemerkte das Lächeln,
verschlang sie mit den Augen, und freute sich des bevorstehenden
Abenteuers, denn nie dünkte ihn, einen reizendern Schalk
unter dem heiligen Schleier gesehen zu haben.
Der Teufel gab dem
Gespräche eine ernste Wendung, und ließ die äbtissin
merken, er hätte ihr wichtige Sachen zu vertrauen.
äbtissin, zu Klara. Lämmchen, ihr könnt
nun zu den Nonnen in Garten gehen, und Euch ergötzen.
Ich
will euch, des vornehmen Besuches der äbtissin zu Ehren,
Zuckergebacknes schicken, daß ihr den glücklichen Tag
recht feiern mögt.
Klärchen sprang weg.
Nach einigen Worten, wobei der Teufel
sehr bedenklich und ängstlich tat, um die äbtissin zu
reizen, in ihn zu setzen, fing er an, seinem Zwecke näher
zu kommen.
Teufel.
Ach liebe Schwester, wie sehr bedaure ich Euch!
Es
ist wahr, und das kann Euch trösten, die ganze Stadt, und
das ganze Land sind von Eurer Heiligkeit, Eurer Frömmigkeit
und Strenge überzeugt.
Ihr seid ein lebendiges Muster der
Bräute des Himmels; aber leider!
Welt ist Welt, und oft flößt
der böse Feind den Weltmenschen böse Gedanken ein, um
die durch sie zu stürzen, die ihm ein Dorn in den Augen sind.
Er kann es nicht leiden, der häßliche Satan, daß
Ihr Eure Schäfchen in aller Reinheit weidet.
Wie gesagt,
ich bedaure Euch herzlich, und noch mehr die armen Schäfchen,
die Euch anvertraut sind; was wird aus ihnen werden, wenn sie
Euch verlieren?
äbtissin.
Liebe Schwester, seid darum unbesorgt; ob
ich gleich alt bin, so bin ich doch, dem Himmel sei Dank, gesund
und frisch, und die kleinen Ungemächlichkeiten, ach!
eine
Folge der Enthaltsamkeit, des strengen Lebens und der Buße
sichern eher mein hinfälliges Leben, als daß sie es
bedrohen.
Wenigstens sagt mir dies immer der Arzt des Klosters,
wenn ich mich beklage.
Der Teufel sah sie bedeutend an:
Habt Ihr denn gar keine Ahndung von dem, was Euch bevorsteht?
Kein warnendes Traumgesicht?
Hat sich seit einiger Zeit gar nichts
im Kloster zugetragen, das Euch aufmerksam auf die Zukunft macht?
Es pflegt doch gewöhnlich zu geschehen, daß fromme
Seelen durch gewisse Zeichen von dem unterrichtet werden, was
ihnen bevorsteht.
äbtissin.
Ihr erschreckt mich, daß ich am ganzen
Leibe zittre.
Laßt mich doch nachsinnen - ja, ja, nun erinnre
ich mich - ich schlafe sehr unruhig - träume von Kirchhof
und Leichen - und vor einigen Tagen - o gewiß ist dies
ein Zeichen und Warnung.
Vor einigen Tagen, liebe Schwester, ging
ich mit dem Hündchen, das hier in meinem Schoße schläft,
und das ein gar sittsames Tier ist, spazieren.
Ich war ganz allein,
und die Nonnen erzählten sich unter den Linden Märchen.
Auf einmal sprang der große Hund des Gärtners nach
meiner Pietas, so heißt das Hündchen, und wollte
das Werk des Teufels mit ihr treiben.
Ich bebte an allen Gliedern,
schlug ein Kreuz nach dem andern vor die Brust, es wollte alles
nichts helfen.
Endlich schlug ich mit meinem Stabe auf den großen
Hund, schlug aus Leibeskräften auf das häßliche
Tier, das das Kloster entweihte, und schlug, schlug, bis der Stab,
den mir der hochselige Erzbischof bei meiner Einweihung als äbtissin
verehrte, mitten entzwei brach.
Sollte dies nicht ein Vorzeichen
von Bedeutung sein?
Der Teufel und Faust taten erschrocken:
Ach das schlimmste von der Welt!
Teufel.
Nun ist alles klar und wahrhaftig.
Hab ich's Euch
nicht gesagt, Schwester Agathe?
Faust beugte sich demütig.
äbtissin.
So redet doch, ich bebe am ganzen Leibe.
Teufel.
Faßt Euch, liebe Schwester, noch ist Rettung
da, vielleicht, daß ich sie Euch bringe.
Bedenkt wohl, daß
es der Stab war, den Euch der Erzbischof bei Eurer Einweihung
als äbtissin verehrte, und hört mir dann aufmerksam
zu.
Ihr kennt doch meinen Bruder den Domherrn?
Nun, er vertraute
mir eine ganz erschreckliche Sache, und eben darum bin ich zu
Euch gekommen.
Er nahm zwar eine Verpflichtung von mir, es Euch
nicht zu sagen; aber weiß ich doch, daß es besser
ist, eine kleine Sünde zu begehen, wenn man einer größern
zuvorkommt, und die Absichten des Teufels stört.
äbtissin.
Da habt Ihr recht, und die Kirchenväter
selbst lehren uns das, wie mein Beichtvater sagt.
Teufel.
So wißt denn, der Erzbischof hat endlich das
Kapitul so weit gebracht, daß sein Vorschlag durchgegangen
ist, Euch nach Verlauf einiger Monate abzusetzen, und seine Nichte
Klara als äbtissin einzuweihen.
>>Jesus Maria!
<< rief die äbtissin, rang die Hände,
und fiel in Ohnmacht.
Der Teufel machte ein saures Gesicht bei
ihrer Ausrufung, und Faust rieb ihr lachend die runzlichten Schläfe.
Nachdem sie sich erholt hatte, brach sie in eine Tränenflut,
und in die bittersten Verwünschungen über die Bosheit
der Welt aus.
Teufel.
Verzweifelt nicht, liebe Schwester, für ein
übel, das noch nicht geschehen ist, kann man immer Mittel
finden.
äbtissin.
Und was ratet Ihr mir Unglücklichen?
Ach, der Himmel erbarme sich, was soll aus mir, was soll aus den
Nonnen werden?
Teufel.
Ich sagte Euch schon, daß es oft besser sei,
eine kleine Sünde zu begehen, um einer größern
vorzukommen, und ihr selbst bewiest es aus den Kirchenvätern,
und setztet hinzu, daß man dadurch den Absichten des Teufels,
und derer er sich bedient, entgegen arbeitet; aber liebe Schwester,
dazu gehört Mut und Verstand, es so einzufädeln, daß
ein Dritter die Hauptsünde davon trage, und man ohne Gefahr
für sich und seine Seele seinen Zweck erhalte.
äbtissin.
Ach, liebe Schwester, und wie ist das anzufangen?
Teufel.
Ich bin einmal in unserm Kloster in gleichem Fall
gewesen, die fromme Schwester Agathe hier ist mein Zeuge, sie
hat alles angesehen, dazu geholfen, und Ihr habt sie nicht zu
fürchten.
Faust verbeugte sich demütig.
Teufel.
Eine Nonne, die durch sündlichen Verstand, und
noch sündlichere Schönheit, bei den Großen Schutz
gefunden hatte, sollte durch ihre Hülfe über mich hinaussteigen.
Ach, ihr fühlt nun, wie das tut, wenn man auf einmal gehorchen
soll, nachdem man so lange unumschränkt geherrscht hat!
Ich
ging in Gegenwart der Schwester Agathe mit einem meiner Anverwandten
zu Rat, er war in Gewissens- und Sündenfällen sehr bewandert,
und wußte auf ein Haar, was verdammlich und nicht verdammlich
sei.
Dieser kluge Mann nun gab mir einen Rat, der mir aus der
Not half, und wofür ich noch heute seine Asche segne.
Anfangs
schien er mir freilich sündlich, aber er versicherte mich,
und bewies mir's aus den Kasuisten, daß Fasten und ein wenig
Disziplin ihm das Arge und Verdammliche benehmen würden.
äbtissin.
Und der Rat?
der Rat?
Teufel.
Ich schäme mich, es Euch laut zu sagen.
äbtissin.
So lispelt mir's in das Ohr.
Was die äbtissin
der schwarzen Nonnen ohne Gefahr ihrer Seligkeit tun konnte, mag
auch die äbtissin der weißen tun.
Teufel, ihr leise ins Ohr: Er riet mir, es zu veranstalten,
oder geschehen zu lassen, daß die mir gefährliche Nonne
die Sünde des Fleisches beginge.
äbtissin, sich kreuzigend. Heilige Ursula!
dies
ist ja Teufelswerk, und führt grade zur Hölle.
Teufel.
Den, der sie begeht, liebe Schwester, und das rate
ich Euch ja nicht.
Bedenkt doch, wenn Ihr um der heimlichen Sünden
Eurer Nonnen verdammt würdet, wie sollte es Euch ergehen?
äbtissin.
Aber um aller Heiligen willen, wie konntet
Ihr eine so gefährliche Sache ausführen, ohne daß
es entdeckt wurde?
Teufel.
O mein Fall war viel schwerer, wie der Eurige, denn
Euch begünstigt schon das Gerücht von dem Traume, der
die ganze Stadt erfüllt hat.
Wenn ihr nun einen Mann, unter
der Gestalt des Dominikaners, in Klaras Zelle schleichen laßt,
und die Zeichen der sündigen Tat darauf erscheinen, wird
nicht die ganze Welt sagen, es sei ein Spiel des Erbfeinds der
Menschen?
Laßt dem Satan den schlechten Ruf, und bleibt
auf Eurem Stuhle mit der Herrschaft geschmückt sitzen, die
dem Himmel gefällt.
Dieses rate ich Euch zu Eurem Besten,
aus Freundschaft für Euch, und Ihr mögt es nun machen,
wie Ihr wollt.<<
Die äbtissin saß stumm da, und betete in der Verwirrung
leise ihren Rosenkranz herunter.
- >>Die Sünde des Fleisches
soll retten - Ave Maria!
- es ist Eingebung des Satans - Heilige
Ursula, erleuchte mich!
- sie sah nach dem Bilde der Heiligen.
- Die Schande und ärgernis für das Kloster werden
groß sein - Ave Maria!
- es wird auf die Rechnung des
Teufels geschrieben werden - aber ich kann verdammt dadurch werden!
pater noster - soll ich nun eine Magd im Kloster werden, und
in meinen alten Tagen mich von Höhern quälen lassen,
nachdem ich so lange die Nonnen gequält habe?
- wir würden
ihrer los, das sündliche Geschöpf hatte ohnedies der
ganzen Stadt ärgernis gegeben.
- Hm, ich soll nicht mehr
die Nönnchen auskeifen; und wie würde sich diese und
jene an mir rächen?
Ave Maria!
- ich will meine übrigen
Tage als äbtissin ausleben, dem Kloster zum Besten, es koste
was es wolle!
<<
Der Teufel feuerte zu, und der Anschlag ward gefaßt.
Beim
Weggehen sagte der Teufel zu Faust:
>>Was hab ich nun anders getan, als daß ich den Stolz
dieser alten Vettel fragte: ob es besser sei, die gefürchtete
Verdammnis zu wagen, oder die tyrannische Gewalt über die
armen Nonnen aufzugeben, die sie nur noch eine kurze Zeit auszuüben
hat?
<<
So wohl Fausten der Spaß gefiel, so sehr mißfiel es
ihm, daß der Teufel immer recht behielt.
Abends führte
ihn die äbtissin, unter der Vermummung des Dominikaners,
selbst in Klaras Zelle; während die Nonnen in der Vesper
waren.
Klärchen erschien, und nachdem sie sich der heiligen
Ursula empfohlen, legte sie sich nieder.
Ihre Einbildungskraft,
die einmal auf gewisse Dinge gespitzt war, wiederholte oft in
Träumen die vorige Erscheinung, sie lag eben in einer solchen
Entzückung, als Faust zu ihr schlich, die Erscheinung zu
verkörpern.
Klärchen hielt wachend das Spiel für
Traum, genoß seiner, und fühlte die Sünde der
Lust in all ihrem Reiz.
Die äbtissin gab sich indessen in
ihrer Zelle die Disziplin, und gelobte, jede Woche, um ihrer Seele
willen, einmal zu fasten.
Der Erfolg dieser Nacht endigte auf
einmal den Krieg in Mainz; aber für das arme Klärchen
war er schrecklich.
Faust nahm nun Abschied von seiner Familie.
Es wurden wenig Tränen
vergossen, und sein Vater gab ihm traurig heilsame Lehren.
11
Als er mit dem Teufel über die Rheinbrücke ritt, sich
an der nächtlichen Szene ergötzte, und Glossen über
die äbtissin machte, sahe er ferne einen Menschen im Wasser,
der dem Ersaufen nahe war, und nur noch matt mit dem Tode kämpfte.
Er befahl dem Teufel, den Menschen zu retten.
Dieser antwortete
ihm mit bedeutendem Blicke:
>>Faust, bedenke was du forderst, es ist ein Jüngling,
und vielleicht ist es besser für ihn und dich, daß
er hier sein Leben endet.<<
Faust.
Teufel, nur zum Bösen bereit, willst du mich
dahin bringen, dem Ruf der Natur zu widerstehen?
Eile und rette
ihn.
Teufel.
Du kannst vermutlich nicht schwimmen - gut.
Die
Folgen seien dein Gewinn; du wirst es bereuen.
Er eilte hin, und rettete den Jüngling.
Faust tröstete
sich, durch eine gute Handlung die sündige Nacht versühnt
zu haben, und der Teufel lachte des Trosts.
Drittes Buch
1
Der Teufel hatte Fausten durch einige Abenteuer geführt,
die, nebst den vorhergehenden, seinem Herzen bloß zur Vorbereitung
auf die Stürme des Lebens, welche er, vermöge seiner
Menschenkenntnis, vorsah, dienen sollten.
Das, was Faust bisher
gesehen hatte, erfüllte seinen Busen höchstens mit Hohn
und Bitterkeit; aber die Szenen, die sich nun eröffnen, rissen
nach und nach solche tiefe Wunden hinein, daß sein Verstand
sie nicht mehr zu tragen und zu heilen fähig war.
Und nur
ein Großer der Erde, oder welches so oft einerlei ist, ein
Schöpfer und Mitwürker des menschlichen Elends, kann
sie gelassen ansehen.
Der Teufel und Faust ritten unter Gesprächen an der Fulda
hin, als sie, nahe bei einem Dorfe, unter einem Eichbaum, ein
Bauerweib mit ihren Kindern sitzen sahen, die leblose Bilder des
Schmerzes und der stumpfen Verzweiflung zu sein schienen.
Faust,
den die Tränen ebenso schnell wie die Freude herbeizogen,
nahte sich hastig, und fragte die Elenden um die Ursache ihrer
Not.
Das Weib sah ihn lange starr an.
Nur nach und nach taute
sein freundlicher Blick ihr Herz so weit auf, daß sie ihm
unter Tränen und Schluchzen folgendes mitteilen konnte:
>>In der ganzen Welt ist niemand unglücklicher, als ich
und diese arme Kinder.
Mein Mann war dem Fürst-Bischof seit
drei Jahren die Gebühren schuldig.
Das erste Jahr konnte
er sie wegen Mißwachs nicht bezahlen; das zweite fraßen
die wilden Schweine des Bischofs die Saat auf, und das dritte
ging seine Jagd über unsre Felder, und verwüstete die
Ernte.
Da der Amtmann meinen Mann beständig mit Pfändung
bedrohte, so wollte er heute ein gemästetes Kalb mit dem
letzten Paar Ochsen nach Frankfurt führen, sie zu verkaufen,
um die Gebühren zu bezahlen.
Als er aus dem Hofe fuhr, kam
der Haushofmeister des Bischofs, und verlangte das Kalb für
die fürstliche Tafel.
Mein Mann stellte ihm seine Not vor,
bat ihn, die Ungerechtigkeit zu bedenken, daß er das Kalb
für nichts hingeben sollte, da man es ihm in Frankfurt teuer
bezahlen würde.
Der Haushofmeister antwortete: er wisse doch
wohl, daß kein Bauer etwas über die Grenze führen
dürfte, was ihm anstünde.
Der Amtmann kam mit den Schergen
dazu; anstatt meinem Manne beizustehen, ließ er die Ochsen
ausspannen, der Haushofmeister nahm darauf das Kalb, mich trieben
die Schergen mit den Kindern von Haus und Hof, und mein Mann schnitt
sich in der Scheune aus Verzweiflung den Hals ab, während
sie unser Hab und Gut wegführten.
Da seht den Unglücklichen
unter diesem Tuche!
Wir sitzen hier, seinen Leichnam zu bewachen,
damit ihn die wilden Tiere nicht fressen, denn der Pfarrer will
ihn nicht begraben.<<
Sie riß das weiße Tuch von der Leiche weg, und sank
zu Boden.
Faust fuhr bei dem schrecklichen Anblick zurück.
Dicke Tränen drängten sich aus seinen Augen, er rief:
>>Menschheit!
Menschheit!
ist dies dein Los?
<< zum
Himmel. >>Ließest du diesen Unglücklichen darum
geboren werden, daß ihn ein Diener deiner Religion, durch
Verzweiflung, zum Selbstmord treibe?
<< Er deckte den Unglücklichen
zu, warf der Frau Gold hin, und sagte: >>Ich gehe zum Bischof,
ich will ihm Eure unglückliche Geschichte erzählen,
er muß Euren Mann begraben, Euch das Eurige zurückgeben,
und die Bösewichter bestrafen.<<
Diese Geschichte machte einen so starken Eindruck auf ihn, daß
sie schon an dem bischöflichen Schlosse waren, bevor er seiner
Empfindung Luft machen konnte.
Man nahm sie sehr gut auf, und
lud sie zur Tafel.
Der Fürst-Bischof war ein Mann in seinen
besten Jahren, und so ungeheuer dick, daß das Fett seine
Nerven, sein Herz und seine Seele ganz überzogen zu haben
schien.
Er fühlte nirgends als bei Tische, hatte nur Sinn
auf der Zunge, und kannte kein andres Unglück, als wenn eine
von ihm angeordnete Schüssel nicht geriet.
Seine Tafel war
so gut besetzt, daß Faust, dem der Teufel durch dienstbare
Geister einigemal hatte auftischen lassen, gestehen mußte,
ein Bischof überträfe selbst diesen Tausendkünstler
an feinem Geschmack.
Auf der Mitte des Tisches stund unter andern
ein großer fetter Kalbskopf, ein Lieblingsgericht des Bischofs.
Er, der mit Leib und Seele bei Tische war, hatte noch nicht gesprochen.
Auf einmal erhub Faust seine Stimme:
>>Gnädiger Herr, nehmt mir nicht übel, wenn ich
Euch die Eßlust verderben muß; aber es ist mir gar
nicht möglich, diesen Kalbskopf da anzusehen, ohne Euch eine
schreckliche Geschichte zu erzählen, die sich heute, ganz
nahe bei Eurem Hoflager, zugetragen hat.
Auch hoffe ich von Eurer
Gerechtigkeit und christlichen Milde, daß Ihr den Beleidigten
Genugtuung verschaffen, und in Zukunft dafür sorgen werdet,
daß Eure Angehörigen die Menschheit nicht mehr auf
eine so unerhörte Art verletzen.<<
Der Bischof sah verwundernd auf, blickte Fausten an, und leerte
seinen Becher aus.
Faust erzählte mit Wärme und Nachdruck die obige Geschichte,
keiner der Anwesenden schien darauf zu horchen; der Bischof aß
fort.
Faust.
Mich dünkt doch, ich rede hier zu einem Bischof,
einem Hirten seiner Herde, und sitze mit Lehrern und Predigern
der Religion und christlichen Liebe zu Tische.
Herr Bischof, seid
Ihr es oder nicht?
Der Bischof sah ihn verdrießlich an, ließ den Haushofmeister
rufen, und fragte ihn: >>He, was ist denn das mit dem Bauern
da, der sich wie ein Narr den Hals abgeschnitten hat?
<<
Der Haushofmeister lächelte, erzählte die Geschichte
wie Faust, und setzte hinzu: >>Ich habe ihm darum das fette
Kalb genommen, weil es eine Zierde Eurer Tafel, und für die
Frankfurter, denen er's verkaufen wollte, zu gut ist.
Der Amtmann
hat ihn gepfändet, weil er immer ein schlechter Wirt war,
und seit drei Jahren seine Gebühren nicht bezahlt hat.
So
verhält sich's gnädiger Herr, und wahrlich kein Bauer
soll mir etwas Gutes aus dem Lande führen!
<<
Bischof.
Da hast du recht. - zu Faust. Was wollt
Ihr nun?
Ihr seht doch, daß er wohlgetan hat, dem Bauer
das Kalb zu nehmen; oder meint ihr, die Frankfurter Bürger
sollten die fetten Kälber meines Landes fressen, und ich
die magern?
Faust wollte reden.
Bischof.
Hört Ihr, eßt, trinkt und schweigt.
Ihr
seid der erste, der an meiner Tafel von Bauern und solchem Gesindel
spricht, und wenn Euch Euer Rock nicht zum Edelmann machte, so
müßt ich denken, Ihr stammt von Bettlern her, weil
Ihr ihnen so laut das Wort redet.
Wißt, ein Bauer, der seine
Gebühren nicht bezahlen kann, tut ebenso wohl, daß
er sich den Hals abschneidet, als gewisse Leute tun würden
zu schweigen, wenn sie einem die Eßlust mit unnützem
Gerede verderben.
- Haushofmeister, dies ist ein vortrefflicher
Kalbskopfnospace;-
Haushofmeister.
Es ist eben der von Hans Ruprechts Kalbe.
Bischof.
So!
So!
Gib ihn her, und reiche mir die Würze.
Ich will ihm ein Ohr herunter schneiden - er wird auch dem Schreier
dort schmecken.
Der Haushofmeister stellte die Schüssel vor den Bischof.
Faust raunte dem Teufel etwas ins Ohr, und in dem Augenblick,
da der Bischof das Messer an den Kalbskopf setzte, verwandelte
ihn der Teufel in den Kopf Ruprechts, der wild, gräßlich
und blutig dem Bischof in die Augen starrte.
Der Bischof ließ
das Messer fallen, sank rücklings in Ohnmacht, und die ganze
Gesellschaft saß da in lebloser Lähmung des Schreckens.
Faust.
Herr Bischof, und ihr geistliche Herren, laßt
euch nun diesen da christliche Milde vorpredigen!
Er brach mit dem Teufel auf.
2
Die Unempfindlichkeit des Fürst-Bischofs und seiner Tischgenossen,
die Faust bei der Erzählung dieser traurigen Geschichte wahrgenommen,
die Art, wie dieser über das Schicksal dieser Unglücklichen
entschied, legten den ersten Samen zum finstern Groll in sein
Herz.
Er lief in seinem Geiste seine vorige Erfahrung, und das,
was er, seitdem er mit dem Teufel herumzog, gesehen, durch, und
entdeckte, wohin er sich wandte, nichts als Härte, Betrug,
Gewalttätigkeit, und Bereitwilligkeit zu Lastern und Verbrechen,
um des Golds, des Emporsteigens und der Wollust willen.
Er seufzte
tief in seinem Herzen, und sah mit feuchtem Auge gen Himmel: >>Du
hast allen, von dem Größten bis zu dem Kleinsten, den
Anspruch von Glück und Genuß in das Herz gelegt!
allen
das Gefühl von Recht und Unrecht mitgeteilt.
Hast sie alle
gleich empfindlich für Schmerz und Freude gemacht!
Warum
kann und darf ein einziger diese anerkannten Ansprüche und
Gefühle verletzen?
Wie kann der Mensch vor deinem Angesicht
gegen den Menschen wüten?
<< Noch wollte er die Ursache
dazu in dem Menschen selbst suchen; aber sein unruhiger, zu Zweifeln
geneigter Geist, seine Einbildungskraft, die so gern über
die nähern Verhältnisse wegflog, sein erbittertes, heftig
teilnehmendes Herz fingen schon jetzt an, in dunklen Gefühlen
den Schöpfer der Menschen, wo nicht zum Urheber, doch wenigstens
durch seine Duldung zum Mitschuldigen alles dessen zu machen,
was ihm Empörendes aufstieß.
Diese dunklen Empfindungen
brauchten nur einen stärkern Stoß, um seinen Verstand
zu verwirren, und der Teufel freute sich darauf, die Veranlassung
darzu in der Ferne wahrzunehmen.
Faust hoffte sich bald an dem
Hofe des berühmten Fürsten von diesem Mißmut zu
hellen, und in diesem Wahne ließ ihn sein Gefährte
sehr gerne.
Sie kamen gegen Abend in eine Stadt, wo sie bei ihrem Eintritt
eine Menge Volks um einen Turm versammelt fanden, in welchem man
die zum Tod Verurteilten die letzte Nacht ihres Lebens zu bewachen
pflegte.
Faust merkte, daß einige wild, andre gerührt
hinauf sahen, und erkundigte sich um den Grund dieser äußerungen.
Das Volk schrie untereinander:
>>Unser Vater, der Freund der Freiheit, der Beschützer
des Volks, der Rächer der Unterdrückung, der Doktor
Robertus sitzt da oben!
der harte, tyrannische Minister, sein
Freund, hat ihn zum Tod verdammt, und morgen soll er hingerichtet
werden, weil er uns gegen ihn so kühn verteidigt hat.<<
Diese Worte fielen in die Seele Fausts.
Er faßte eine hohe
Meinung von dem Manne, der sich auf Gefahr seines Lebens zum Rächer
der Menschen aufgeworfen; und da er soeben ein Augenzeuge der
Folgen tyrannischer Gewalttätigkeit gewesen war, so forderte
er den Teufel schnell auf, ihn zu diesem Doktor zu bringen.
Der
Teufel führte ihn seitwärts, schwang sich mit ihm auf
den Turm, und trat mit ihm in das Gefängnis des Rächers
der Freiheit.
Faust sah da einen Mann vor sich, dessen stolze,
kühne, düstre Gesichtsbildung jeden andern als ihn zurückgestoßen
hätte; aber es tat eine ganz andre Würkung auf ihn,
und da er ihn in diesem entscheidenden Augenblick ruhig und gelassen
fand, so setzte seine rasche Einbildungskraft aus dem, was er
gehört hatte, und was er vor sich sah, beim ersten Blick,
das Bild eines großen Mannes zusammen.
Der Doktor schien
über ihre plötzliche Erscheinung gar nicht betroffen.
Faust nahte sich ihm und sagte:
>>Doktor Robertus, ich komme, Eure Geschichte aus Eurem eignen
Munde zu hören; nicht, als wenn ich daran zweifelte, denn
Euer Anblick bestätigt das, was ich vernommen habe.
Ich bin
nun gewiß, daß Ihr als ein Opfer der Gewalt fallt,
die das Menschengeschlecht unterjocht, und die mich so wie Euch
empört.
Ich komme Euch meine Dienste anzubieten, die Euch
gegen allen Schein aus dieser traurigen Lage retten können.<<
Der Doktor sah ihn kalt an, ließ sein Haupt in seine Hand
fallen, und antwortete:
>>Wohl falle ich als ein Opfer der Gewalt und Tyrannei, und
was mir das empfindlichste ist, durch die Hand eines falschen
Freundes, der mich mehr seiner Furcht, seinem Neide, als seinen
despotischen Grundsätzen aufopfert.
Ich weiß nicht,
wer Ihr seid, und ob Ihr mich retten könnt; aber es liegt
mir daran, daß Männer von Eurem Ansehen den Doktor
Robertus kennen lernen, der morgen für die Freiheit blutet.
Von frühster Jugend lebte der Geist edler Unabhängigkeit,
dem der Mensch allein das Große, dessen er fähig ist,
zu danken hat, in meiner Brust.
Früh empörten meine
Seele die Gewalt und Unterdrückung, wovon ich Beweise sah,
und in der Geschichte las; ja bis zur Wut entflammten sie mich,
und oft vergoß ich glühende Tränen, daß
ich mich unvermögend fühlte, die Leiden der Menschheit
zu rächen: zu meiner Qual erfuhr ich aus der Geschichte der
edlen Griechen und Römer, welche große Ansprüche
der Mensch auf Würde und Achtung hat, wenn ihn die Tyrannen
das sein lassen, wozu ihn die Natur gemacht hat.
Glaubt darum
nicht, ich sei einer der Toren, welche die Freiheit dahinein setzen,
daß jeder tun kann, was ihm gefällt.
Wohl weiß
ich, daß die Kräfte des Menschen verschieden sind,
und ihre Lage im bürgerlichen Leben bestimmen müssen;
aber da ich mich nach Gesetzen umsah, die einem jeden diese Lage,
sein Gut und seine Person zusicherten, so fand ich nichts, als
ein wildes Chaos, das tyrannische Gewalt geflissentlich zusammengemischt
hat, um sich zum eigenmächtigen Herrn des Glücks und
des Daseins der Untertanen zu machen.
Nach dieser Entdeckung schien
mir das ganze Menschengeschlecht eine Herde zu sein, gegen die
sich eine Bande Räuber verschworen hat, sie nach von ihnen,
nur zu ihrem eignen Vorteil entworfnen Gesetzen zu plündern
und zu würgen, ohne daß sie selbst eins anerkennen.
Sagt mir, wo ist das Gesetz, das die Herrscher der Erde fesselt?
Ist es nicht Unsinn, daß eben diejenigen, die ihre Macht
dem Mißbrauch der Leidenschaften und des übermuts am
meisten aussetzt, keinem Gesetz unterworfen sind, und keinen Richterstuhl
anerkennen, der sie zur Verantwortung ziehen könnte?
Wollt
Ihr den Himmel dafür annehmen, meinetwegen, sie stehen sich
gut dabei, und er scheint taub gegen das Winseln der Elenden.
Nah ist der Jammer, die versprochne Rache ferne, und dieses reimt
sich schlecht mit dem Gefühl und der Natur des Menschen.<<
Faust faßte dieses stark auf, blickte düster, und strich
über seine Stirne.
Den Teufel ergötzte der Redner, er
fuhr fort:
>>Der wilde Ungestüm, den ich nach dieser Entdeckung
äußerte, macht meinem Herzen Ehre, und ich kümmre
mich wenig darum, daß meine Feinde meine Klugheit antasten.
Denn was anders heißt den Menschen Klugheit, als blinde
Unterwerfung, Niederträchtigkeit, Schmeichelei, Gleichgültigkeit
darüber, wie man einen Posten erschleicht, wenn man nur dahingelangt,
mit zu unterdrücken, und mit zu plündern?
Nur dieses
nennen sie klug sein, aber ein Mann wie ich sucht das Glück
auf reinern Wegen.
Mein Unglück war, daß ich mit dem
jetzigen Minister, von der Schule an, aufs innigste verbunden
war.
Er besitzt den Geist, der dazu gehört, empor zu kommen;
von frühster Jugend suchte er, durch mir entgegengesetzte
Grundsätze, Aufsehn zu machen, und verteidigte in eben dem
Maße die tyrannische Regierungsformen, als ich sie antastete.
Wir stritten über diesen kitzligen Punkt, geheim und öffentlich.
Ich schlug ihn mit meiner Beredsamkeit überall nieder, aber
wenn es natürlich war, daß ich den unterdrückten
Teil der Menschheit auf meine Seite zog, so war es noch natürlicher,
daß es ihm gelingen mußte, alle die zu gewinnen, deren
Vorteil die Unterjochung der Menschen ist.
Da es nun eben diese
sind, die ihren Mitverschwornen die Türe zu dem Glück
und den Ehrenstellen öffnen, so ward er bald hervorgezogen,
stieg von Stufe zu Stufe bis zur Stelle des Ersten im Lande, während
ich vernachlässigt, verkannt und verachtet sitzen blieb.
Der Stolze wandte alle Mittel an, mich an sich zu ziehen, trug
mir bald diese, bald jene Stelle an; aber ich merkte wohl, daß
er mir dadurch nur seine Größe fühlbarer machen
wollte, und daß seinem Triumph nun weiter nichts mehr abginge,
als daß ein Mann von meinen Grundsätzen ihn als Beschützer
erkennte, und öffentlich seine harte Regierung, durch seinen
Beitritt heiligte.
überdem wollte mich der Listige dem Volke,
das an mir hing, immer verdächtiger machen.
Ich aber, meinen
Grundsätzen getreu, griff seine Fehler bei jeder Stufe, die
er stieg, um so heftiger an.
Ihr seht wohl, daß ihm, wenn
er fähig wäre, groß zu fühlen, dieser edle
Kampf Bewundrung für den hätte einflößen
müssen, der ihn mit so vieler Gefahr für sich unternahm.
Auf ihn tat es eine andre Würkung.
Sein Haß gegen mich
nahm bei jeder meiner äußerungen zu, und da ich ihn
in einer Schrift vergangnen Monat sehr heftig angriff, worauf
sich das Volk vor seinem Hause versammelte, ihm drohte, und meinen
Namen laut ausrief, so legte er diese Schrift vor den Fürsten,
der ein Gericht niedersetzte, das mich zum Tod verdammt hat.
So
verurteilt das Gesetz der Tyrannen; aber das Recht der Menschheit
spricht mich los.
Dieses ist meine Geschichte, und weiter sollt
Ihr nichts von mir hören.
Ich sterbe ohne Klage, und bedaure
nichts, als daß ich die Kette nicht zerbrechen kann, woran
das Menschengeschlecht gefesselt ist.
Könnt Ihr helfen, gut;
doch wißt, aus meines Feindes Hand ist mir der Tod willkommner,
als Gnade.
Laßt mich nun ruhig, kehrt in die Sklaverei zurück,
ich schwinge mich zur Freiheit auf!
<<
Faust war ganz durchdrungen von der Größe des Doktors,
und machte sich schnell auf den Weg, diesen Minister zu sprechen,
ihm seine Ungerechtigkeit vorzuwerfen, und ihn zu beschämen.
Der Teufel, der tiefer sah, merkte wohl, daß der Freiheitssinn
des Doktors aus einem ganz andern Gefühl entstanden war.
Der Minister ließ sie gleich vor.
Faust sprach warm, kühn
und frei über die Lage und Denkart des Doktors.
Stellte ihm
vor, >>wie nachteilig es seinem Ruhme sei, einen Mann, den
er einst seinen Freund genannt, dem Despotismus zu opfern<<.
Gab ihm zu verstehen, >>daß jedermann glauben müßte,
es reizten ihn Privatrache und Furcht, sich von einem so hellsehenden
Beobachter seiner Taten zu befreien.
Ist Euer Tun gerecht<<,
setzte er hinzu, >>so habt Ihr ihn nicht zu fürchten;
seid Ihr der Mann, wofür er Euch ausgibt, so bestärkt
Ihr durch seine Hinrichtung seine Meinung, und jeder wird in Euch
nichts sehen, als einen falschen eifersüchtigen Freund, und
den Unterdrücker seiner Mitbürger.<<
Minister.
Ich kenne Euch nicht, und frage auch nicht, wer
Ihr seid.
Wie ich denke, mag Euch die Art beweisen, mit welcher
ich Eure Zudringlichkeit, Eure Vorwürfe und Beschuldigungen
aufnehme.
Fühlt selbst, ob Ihr ein Recht dazu habt, da Ihr
mir sie auf bloßes Hörensagen macht, und von der Lage
dieses Landes nicht unterrichtet seid.
Ich will denken, nur Mitleid
spricht aus Euch, und darum Euch antworten.
Ich war und bin ein
Freund des Doktor Robertus, und bedaure es, daß ich in ihm
einen Mann der Gerechtigkeit überliefern muß, der durch
seine Eigenschaften seinem Vaterlande hätte nützlich
sein können, wenn es ihm nicht gefallen hätte, sie zu
dessen Untergang anzuwenden.
Ich will nach dem Grund zu dieser
Verirrung nicht in seinen Busen greifen, und es seinem eignen
Gewissen überlassen.
Lange hatte ich Geduld mit seinem gefährlichen
Wahnsinn; da er aber das Volk aufwiegelte, für dessen Bestes
ich zu sorgen habe, und sich zum Haupt einer Empörung aufwarf,
so muß er sterben, wie es mein einziger Sohn müßte,
wenn er ein gleiches unternehmen sollte.
Das Gesetz hat ihn verurteilt,
nicht ich, er kennt dieses Gesetz, und weiß welche Folgen
Empörung nach sich zieht.
Das Urteil der Welt nehme ich auf
mich, und habe nichts dagegen zu setzen, als die Ruhe und das
Glück dieses Volks, das es später erkennen wird, daß
nur ich sein Vater bin.
Wenn es Euch nicht genug ist, dem ersten
Eindruck zu folgen, so verweilet hier, und wenn Ihr mir dann mit
mehrerer Bescheidenheit etwas zu sagen wißt, das diesem
Volke und mir nutzen kann, so steht Euch mein Ohr immer offen.<<
Nach diesen Worten, die er mit festem und unverstelltem Tone aussprach,
zog er sich zurück, und ließ Fausten, der keine Antwort
sogleich finden konnte, stehen.
Dieser sagte beim Weggehen zum
Teufel: >>Welchem von beiden soll ich nun glauben?
<< Der
Teufel zuckte die Schultern, denn da, wo es ihm für die Hölle
nützlich, nachteilig für Fausten und die Menschen schien,
wollte er nichts zu wissen scheinen.
Faust.
Daß ich doch dich frage!
Ich will dem Rufe meines
Herzens folgen: ein solcher Mann, der mir so nah durch seine Denkart
verwandt ist, soll nicht sterben!
Hätte Faust unsre junge Freiheitsschreier gekannt, er würde
sich in dem Doktor Robertus nicht geirrt haben; aber ihm war die
Erscheinung neuer als uns.
Morgens, da die Hinrichtung vor sich gehen sollte, begab sich
Faust mit dem Teufel nach dem Markte, und unterrichtete ihn im
Gehen von seinem Willen.
In dem Augenblick, als der Henker dem
Doktor, der mit wilder Miene niederkniete, das Haupt abschlagen
wollte, verschwand dieser.
Der Teufel führte ihn durch die
Luft über die Grenze, stellte ihm auf Fausts Befehl eine
große Summe Gelds zu, und überließ ihn freudig
seinem Geschicke, denn er sah voraus, wozu er dieses und seine
Freiheit anwenden würde.
Das Volk erhub ein Freudengeschrei
bei dem Verschwinden des Doktors, glaubte, Gott selbst beschütze
seinen Liebling, Faust schrie mit, und freute sich der schönen
Tat.
3
Faust und der Teufel ritten nun nach dem Hofe des Fürsten
vonnospace;***.
Nicht aus Furcht verschweige ich die Namen der teutschen
Fürsten und Großen, die in diesem Werk auftreten,
sondern weil die geheimen, von mir entdeckten Triebfedern ihrer
Handlungen zu oft mit ihren lügnerischen, schmeichlerischen
und unwissenden Geschichtschreibern im Widerspruch stehen, und
die Menschen, die sich so gerne betrügen lassen, an der Echtheit
meiner geheimen Entdeckungen zweifeln möchten.
Welcher Herkules
kann den Schutt ausräumen, den die Geschichtschreiber zusammengetragen
haben?
Sie erreichten bald den Hof dieses Fürsten, der als ein Muster
eines klugen, tugendhaften, gerechten Regenten, als ein Vater
seiner Untertanen in ganz Teutschland ausgeschrien war.
Seine
Untertanen selbst, wollten freilich nicht immer in diesen Ton
mit einstimmen; aber der Fürst soll noch geboren werden,
der es allen recht macht.
Ein Gemeinspruch der Politik, der, wie
alle Gemeinsprüche, öfterer dazu dient, den schlechten
Fürsten schlechter zu machen, als dem Guten sein schweres
Amt im rechten Gesichtspunkt zu zeigen.
Faust und der Teufel fanden durch ihren Aufwand und ihr Betragen
bald Eingang am Hofe.
Faust sah den Fürsten mit den Augen
eines Mannes an, dessen Herz durch das Vorurteil schon gestimmt
war; dieses Vorurteil nun bis zur überzeugung zu treiben,
erforderte es vielleicht weniger, als das edle äußere
des Fürsten.
Er schien, oder war, grad und offen.
Suchte
zu gefallen, und die Herzen zu gewinnen, ohne es merklich zu machen,
war vertraulich, ohne sich etwas zu vergeben, und besaß
jene kluge Kälte, die Ehrfurcht einflößt, ohne
daß man sich die Ursache davon deutlich anzugeben weiß,
und ohne daß man einen starken Trieb fühlt, ihr nachzuspüren.
Dieses alles war mit so viel Würde, Feinheit und Anstand
umhüllt, daß es dem geübtesten Auge schwer fiel,
das Erlernte, Erkünstelte und Erworbene, von dem Natürlichen
zu unterscheiden.
Faust, der noch wenige Weltleute gesehen hatte,
die ihren natürlichen Charakter an der politischen Klugheit
abgerieben haben, setzte sich aus obigem ein Ideal zusammen, und
nachdem er einige Zeit den Hof besucht, und die Hauptpersonen
desselben alle gefaßt zu haben glaubte, so fiel eines Abends
zwischen ihm und dem Teufel folgendes Gespräch vor:
Faust.
Ich habe dir diese Tage vorsätzlich nichts von
diesem Fürsten sagen wollen; aber nun, da ich mir schmeichle,
ihn gefaßt zu haben, wage ich es, mit Zuversicht zu behaupten,
daß das Gerücht kein Lügner ist, und ich hoffe
dir das Geständnis abzuzwingen, er sei, was wir suchen.
Teufel.
Faust, ich merke schon, wo du hinaus willst, und
du gibst dem Teufel eine sonderbare Bestimmung; doch hiervon ein
andermal.
Dein Fürst da ist nun freilich ein ganzer Mann;
ich werde dir auch nichts von meinen Bemerkungen über ihn
sagen, denn wie ich diesen Abend bei dem Minister ausgespäht
habe, so ist etwas auf dem Wege, das dich anschaulich von seinem
Werte überzeugen wird; bis dahin halte das Ideal von ihm
warm in deinem Busen, und sage mir, was hältst du von dem
Grafen C***, seinem Günstling?
Faust.
Verwünscht!
dies ist der einzige Umstand, mit
dem ich nicht fertig werden kann.
Er ist sein Busenfreund, und
doch so glatt wie ein Aal, der dir immer entwischt, und so geschmeidig
wie ein Weib gegen ihren Mann, wenn sie auf Ehebruch sinnt.
Indessen
gehört dies vielleicht zu seiner Lage, sein Inneres so zu
verdecken und zu übertünchen, daß keiner von denen,
die sich so gern an begünstigte Große hängen,
an etwas fassen soll.
Teufel.
Sein Inneres?
Glaubst du, Faust, der Mann, der so
mühsam arbeitet, sich zu verbergen, habe ein Inneres, das
das Licht verträgt?
Traue dem Menschen nicht, in dem Kunst,
Verstand und Interesse das Tierische seiner Natur so unterjocht
und verdünstet haben, daß sogar die Zeichen seines
Instinkts und seiner Sinnlichkeit verloschen sind.
Wenn sich das,
was in euch kocht und arbeitet, nicht mehr auf eurer Stirne, in
euren Augen und Bewegungen zeigt, so seid ihr eurer Natur entsprungen,
und werdet die gefährlichsten Tiere der Erde; Mißgeburten,
die die überfeine Kultur des Verstandes mit der letzten Aufwallung
der Wollust zeugt.
Faust.
Wie, so wäre es nicht einmal Verstellung?
Teufel.
Da hättest du noch etwas vor dir; denn auch
eine Maske hat Bedeutung, und man enträtselt den Vermummten
an Gang, Stimme, Atemholen und Gewohnheiten.
Nein, Faust, dieser
da ist so ganz, was er ist.
Faust.
Und was ist er denn im Namen der Hölle?
Teufel.
Ein Mann, der viel gereist und die Welt gesehen hat.
Der an den Höfen Europas herumgezogen ist, den rohen Menschen
abgeglättet, und die Gefühle des Herzens an dem kalten
Lichte des Verstandes versengt hat; kurz, einer der ausgebildeten
Köpfe, die alle Verbindung zwischen Geist und Herz zertrümmern,
eurer eingebildeten Tugend lachen, und mit den Menschen umgehen
wie der Töpfer, der das Werk seiner Hände zu den Scherben
wirft, wenn es seiner Laune nicht entspricht.
Er ist einer von
denen, die sich durch ihre Erfahrung berechtigt glauben, die Menschen
samt und sonders als ein Pack Raubgesindel zu betrachten, die
den auffressen, der ihnen edlen Instinkt zutraut.
Nichts freut
ihn, als ein fein entworfner, glücklich ausgeführter
Hofstreich, und er genießt eines Mädchens wie einer
Rose, die er von dem Stocke abbricht, beriecht, und dann gleichgültig
mit Füßen tritt.
Faust.
Hämischer Teufel, und der Mann, den du da malst,
könnte der Busenfreund des Fürsten von *** sein?
Teufel.
Es wird sich schon zeigen, was er ihm ist; ich sage
dir, es ist etwas auf dem Wege.
Hast du diesen Abend den Minister
bemerkt?
Faust.
Er scheint beklommen und düster.
Teufel.
Dies ist nun einer von den Menschen, die ihr wackre
Männer nennt.
Großmütig, arbeitsam und gerecht;
aber so, wie es euch immer geht, ein einziger Gran falschen Zusatzes
schnellt schon die Waage hinauf.
Dieser ist bei ihm der Sinn der
Zärtlichkeit für das andre Geschlecht, und da er aus
Grundsätzen die Einsegnung des Priesters zu seinem Vergnügen
braucht, so vernarrte er sich nach dem Tod seiner ersten Gemahlin
in das Weib, das du gesehen hast.
Durch sie gab er seinen erwachsnen
Kindern eine Stiefmutter, seinen Sinnen einen kurzen Genuß,
und zertrümmerte das Gebäude seines Glücks.
Sie
nutzte seine Verblendung, verpraßte durch üppigkeit,
Putz und Spiel ihr, sein und seiner Kinder Vermögen, und
verwickelte ihn noch obendrein in ungeheure Schulden.
Es ist wahr,
sie nahm in dem Baron H***, den du gesehen hast, und der eigentlich
Herr im Hause ist, einen arbeitsamen Gehülfen dazu.
Da man
sich nun ganz auf der Neige fühlte, die Phantasie immer mehr
wuchs, und neue Bedürfnisse ersann, je schwerer es war die
Mittel dazu zu finden, so ließ sich's endlich die Mutter
gefallen, einem Plan beizutreten, den ihr Buhler entwarf: Die
Tugend ihrer Tochter, unter einer zweideutigen Versicherung auf
Vermählung, so teuer an den Günstling zu verkaufen,
als er sie kaufen wollte. Von allem diesem merkt der Minister
nichts, fühlt nur die Lücke in seinem Vermögen,
die Last der Schulden, das volle Maß seiner Torheit, und
zittert vor der augenblicklichen Ankunft seines Sohns, den die
Mutter aus dem Hause trieb, um auch sein Vermögen ungestörter
zu verprassen.
Indessen hat er sich in dem Türkenkriege einen
hölzernen Arm geholt.
Auch ist's wohl möglich, daß
der Günstling, da der Minister viel bei dem Fürsten
gilt, anfangs ernsthafte Absichten hatte; aber nun hat sich seit
einigen Tagen die Szene gänzlich geändert.
Der Fürst
schlug ihm eine Vermählung mit der reichsten Erbin des Landes
vor, und jetzt brütete er darüber, durch einen kühnen
und geheimen Schlag den Minister und sein ganzes Haus so zu zerschmettern,
daß keiner es wage, um Rache zu schreien; oder ihn nur anzuklagen.
Verstummen sollen sie, als seien sie nie gewesen, und der Minister
soll unter seiner Sohle hinsterben, wie der Wurm, dessen ächzen
euer hartes Ohr nicht hört.
Faust.
Und diese Tat sollte der Fürst nicht rächen?
Teufel.
Du sollst die Entwicklung mit eignen Augen sehen.
Faust.
Ich gebiete dir bei meinem Zorne, hier keinen deiner
Streiche zu spielen.
Teufel.
Brauchen die des Teufels, die ihn durch ihr Tun beschämen?
Faust, wir fangen nur an, die Decke von dem menschlichen Herzen
aufzuheben; es ist mir aber doch lieb zu bemerken, daß auch
ihr Teutschen der Ausbildung fähig seid.
Freilich borgt ihr
sie von andern Völkern, und verliert dadurch den Ruhm der
Eigenheit; aber in der Hölle ist man darüber weg, und
hält sich an den guten Willen.
4
Faust vertrieb sich die Zeit mit den Weibern, verführte die
Hoffräuleins und Zofen, indessen sich das Drama des Günstlings
der Entwicklung näherte.
Dieser saß mit dem Baron H***
zusammen, und teilte ihm den fein gesponnenen Entwurf mit.
Er
sollte das Werkzeug dazu sein, und da der Glanz des Goldes den
Kitzel der langen Buhlerei mit der Frau des Ministers nicht mehr
schärfen konnte, überdem die Tränen der unglücklichen
Tochter, der Kummer des Vaters, die nahe Ankunft des Krüpels
von Sohne seinem zarten Gewissen anfingen beschwerlich zu werden,
so war er sehr geneigt, sich dieser Bürde, auf eine oder
die andre Art, zu entledigen.
Die Belohnung ging, wie unter Leuten,
die sich kennen, natürlich voraus, und bestund darin, daß
der Graf über sich nahm, bei dem Fürsten auszuwirken,
den Baron in einer wichtigen Angelegenheit an den Kaiserlichen
Hof zu schicken.
Dafür verband sich der Baron, die Frau des
Ministers durch eine Summe Gelds, die der Graf herschoß,
dahin zu stimmen, ein gewisses Papier, das eins der wichtigsten
Dokumente des fürstlichen Hauses enthielt, und dessen man
soeben, wegen einer Streitigkeit mit einem andern fürstlichen
Hause benötigt war, aus dem Kabinet des Ministers, dem es
übergeben war, darüber zu arbeiten, auf eine unmerkliche
Art zu entwenden.
Der Graf hoffte dann die Sache so zu drehen,
daß aller Schein gegen den Minister sei, als habe er dieses
Dokument aus Not der Gegenpartei ausliefern wollen, und daß
nur seine eigne Wachsamkeit das fürstliche Haus aus dieser
Gefahr gerettet hätte.
Die Gemahlin des Ministers glaubte,
daß ein Mann, der zu ihren Torheiten kein Gold mehr auftreiben
könnte, keine Schonung verdiente, und da sie sich immer schmeichelte,
den Günstling mehr zu gewinnen, je gefälliger sie sich
ihm erzeugte, so überlieferte sie ohne Bedenken das Papier.
5
Der Minister ging seufzend und einsam in seinem Zimmer auf und
ab.
Das Gefühl der bevorstehenden Schande, der Druck peinlichen
Kummers, die Gewißheit betrogner Liebe hatte auch seine
Tochter, einst sein einziger Trost, von ihm entfernt.
Sie weinte
verschlossen, und zehrte an einem Herzen, das eines bessern Schicksals
würdig war; so dorrt die Lilie im einsamen Tale hin, die
eine mutwillige Hand am zarten Stengel gedrückt hat.
Seine
Gemahlin unterbrach seine düstre Einsamkeit, um ihm sein
Elend noch fühlbarer zu machen.
Bald darauf trat der Baron
herein, und forderte kalt die Instruktion an den Kaiserlichen
Hof.
Da der Fürst Befehl dazu erteilt hatte, so ging der
Minister in sein Kabinet, um sie zu holen.
Indessen hatte seine
Gemahlin Zeit, eine Szene der Verzweiflung mit ihrem Buhlen zu
rasen.
In dem Augenblick, da der Minister dem Baron die Instruktion
übergab, kam ein Bote des Fürsten mit einem Handschreiben,
worin er ihm bedeutete, das Dokument und seine Ausarbeitung an
Hof zu bringen, weil man beides dem Abgesandten der Gegenpartei
vorlegen wollte.
Der Minister suchte in seinem Kabinete, leerte
alle Schränke aus, kalter Todesschweiß rann über
sein Gesicht; er forschte alle Secretairs und Schreiber aus, sein
Weib, seine Tochter, umsonst, er mußte den Entschluß
fassen, sich dem fürchterlichen Sturm in der Unschuld seines
Herzens auszusetzen.
Er trat vor den Fürsten, der mit dem
Grafen allein war, und kündigte ihm sein Unglück an,
beteuerte seine Unschuld, und unterwarf sich seinem Schicksal.
Der Graf ließ die erste Empfindung bei dem Fürsten
würken, trat dann kalt näher, zog das Dokument aus der
Tasche, übergab es dem Fürsten mit einer tiefen Verbeugung,
ließ darauf hart in sich dringen, wie er dazu gekommen,
ließ sich sogar mit Ungnade bedrohen, und gestund endlich
mit dem äußersten Widerwillen den Vorgang der Sache
nach seinem entworfnen Plane.
Der Minister verstummte, der sprechende
Beweis von Schuld verwirrte ihn so, daß selbst das Gefühl
seiner Unschuld nicht durch die Finsternis dringen konnte, die
diese unerwartete Wendung vor seine Sinne zog.
Der Fürst
sah ihn wütend an, und sagte: >>Lange konnt ich von Euch
erwarten, daß Ihr endlich die Torheit Eurer Aufführung
durch Verräterei an mir zu heilen suchen würdet.<<
Dieser Vorwurf zog die Decke von den Augen des Verstummten weg;
das Gefühl seiner Redlichkeit wollte seine starre Zunge beleben,
der Fürst befahl ihm zu schweigen, seine Stelle niederzulegen,
nach Hause zu gehen, und sich nicht zu entfernen, bis ein Gericht
über ihn gesprochen.
Der Unglückliche ging, dicke Tränen rollten in seinen
Bart.
Die Verzweiflung entriß seiner Tochter das Geheimnis
ihrer Schande, und der Mutter das Geständnis ihres Verbrechens.
Die Kraft seines Geistes zersprang, seine Sinne verwirrten sich,
und nur das schrecklichste Schicksal, das den Menschen treffen
kann, Stumpfheit und Wahnsinn zogen einen düstern Schleier
vor das Erinnern des Vergangnen, und hellten durch eine gänzliche
Zerstörung sein Herz von den grausamen Wunden, die ihm seine
Nächsten geschlagen.
In diesem Augenblick führte der Teufel Fausten in das Zimmer
des Ministers, nachdem er ihn vorher von der ganzen Geschichte
unterrichtet hatte.
Noch hatte die Zerstörung nicht alle
Vorstellungskraft verdunkelt, alle Fibern des Gefühls gelöst,
noch stammelte die Zunge die letzten Empfindungen über das
erlittene Weh, noch träufelte der letzte Tau aus den Augen
des Unglücklichen auf die elende Tochter, die seine Knie
umfaßte, und deren Gesicht die starre Verzweiflung, der
peinlichste Schmerz entstellten.
Er lächelte noch einmal
- spielte mit ihren heruntergefallnen Haaren, lächelte noch
einmal - sein Sohn trat herein, und wollte freudig auf ihn zustürzen.
Er sah ihn starr an, ein wilder Ton der Raserei, der die Nerven
durchbebt, das Herz durchschaudert, drängte sich aus seiner
Brust hervor, und der sanfte Dulder ward für immer ein Gegenstand
des Schreckens und des peinvollsten Mitleids.
6
Faust wütete und stieß fürchterliche Flüche
aus.
Er entschloß sich, dem Fürsten den ganzen Vorgang
zu entdecken, und den Betrüger zu entlarven.
Der Teufel lächelte,
und riet ihm leise zu Werke zu gehen, wenn es ihm darum zu tun
wäre, diesen Fürsten, den er ihm als ein Muster menschlicher
Tugend angepriesen hätte, genau kennen zu lernen.
Faust eilte
so gestimmt nach Hofe, und sicher, durch diese Entdeckung den
Fall des Günstlings zu bewürken, enthüllte er dem
Fürsten alles in einem kalten, gesetzten Tone.
Als er auf
die Ursache kam, die den Grafen zu dieser scheußlichen Tat
verleitet hätte: nämlich sich von der Verbindung mit
der Tochter des Ministers zu befreien, heiterte sich das Gesicht
des Fürsten auf, er ließ den Grafen rufen, umarmte
ihn bei dem Eintritt, und sagte:
>>Glücklich ist der Fürst, der einen Freund findet,
der aus Gehorsam, aus Furcht ihm zu mißfallen, auch wohl
einen Streich wagt, der die gewöhnlichen Regeln der Moral
verletzt.
Der Minister hat immer als ein Tor gehandelt, es ist
mir lieb, daß ich seiner los bin, und du wirst seine Stelle
klüger versehen.<<
Faust stund einen Augenblick wie versteinert; endlich durchglühte
edle Wärme sein Herz.
Er malte mit schrecklichen Farben die
Lage des Ministers, brach dann in Wut und Vorwürfe aus, vergaß
selbst der fürchterlichen Macht, der er gebot, entbrannte
ganz im Gefühl eines Rächers der unterdrückten
Menschheit, der einem kalten Tyrannen die Larve abreißt,
seines Schicksals unbekümmert.
Man entließ ihn als
einen Wahnsinnigen.
Der Teufel empfing ihn frohlockend, er blieb
stumm, knirschte in seinem Innersten, und freute sich im giftigen
Mißmut, von den Menschen sich gerissen zu haben.
7
Um Mitternacht ließ der Graf den Teufel und Fausten aufheben,
und sie in ein enges, schreckliches Gefängnis werfen.
Faust
befahl dem Teufel, der Gewalt nachzugeben, weil er erfahren wollte,
wie weit diese Heuchler ihre Bosheit treiben würden.
Er nagte
an den peinvollen Zweifeln seiner Seele in dem dunkeln Kerker.
Die schreckliche Szene des Tags malte sich immer düstrer
vor seinen Augen, und es entsprangen gräßliche Gedanken
gegen den, der das Schicksal der Menschen leitet, aus diesen schwarzen
Betrachtungen.
Sein Inneres war in Aufruhr, endlich rief er hohnlachend
aus: >>Wo ist hier der Finger der Gottheit?
Wo das Aug' der
Vorsehung, das über die Wege des Gerechten waltet?
Wahnsinnig
seh ich den Redlichen, den belohnt, der ihn zerschlagen!
Dem Tyrannen,
der die Tugend heuchelt, entdeckt ich die Bosheit seines Günstlings,
und er findet ihn seiner Freundschaft, der Belohnung nur würdiger!
Und es wäre Zweck, Ordnung und Zusammenhang in der moralischen
Welt?
Nun so sind sie auch in dem Gehirn dieses armen Zerrütteten,
den sein Schöpfer ohne Schutz und Rache fallen ließ!
<<
- Er fuhr fort, und der Teufel horchte lächelnd. >>Ist
der Mensch durch die Kette der Notwendigkeit gezwungen zu handeln,
so muß man seine Handlungen und Taten dem höchsten
Wesen selbst zuschreiben, und sie hören dadurch auf, strafbar
zu sein.
Kann von einem vollkommnen Wesen etwas anders als Gutes
und Vollkommnes fließen?
Nun so sind es unsre Handlungen
auch, so scheußlich sie uns vorkommen mögen, und wir
sind ihr Opfer, ohne abzusehen, warum.
Sind sie dennoch sträflich,
und scheußlich, wie sie uns scheinen, so ist dieses Wesen
ungerecht gegen uns, denn es straft Greuel an uns, deren Quelle
es selbst ist.
Teufel, löse mir diese Rätsel auf, ich
will wissen, warum der Gerechte leidet, und der Ruchlose belohnt
wird?
<<
Teufel.
Faust, du hast zwei Fälle gesetzt, wie, wenn
es noch einen dritten gäbe?
Nämlich: daß ihr auf
die Erde geworfen wärt, wie der Staub und das Gewürme,
ohne Vorsicht und Unterschied.
Einem dunklen Wirrwarr überlassen,
den man euch wie einen verworrnen Knäul hingeworfen hätte,
ihn auseinander zu zerren, und wenn euch das unmögliche Werk
nicht gelänge, euch euer strenger Herr und Richter doch zur
Rechenschaft dafür aufforderte?
Wenn er nun, gleich einem
Despoten, eurem Herzen darum solche zweideutige Gesetze, und widersprechende
Neigungen eingedrückt hätte, um sich die Erklärung
des dunklen Sinns derselben vorzubehalten, und nach Gefallen zu
strafen und zu belohnen?
Faust.
Bei welchem Philosophen bist du in die Schule gegangen,
daß du mir ein Wenn nach dem andern auftischest?
Ha, ich fühle es, der Mensch soll und muß in der Finsternis
tappen, sein Herz durch die täglichen Erscheinungen zerreißen
lassen, und wenn er's auch mit dem Teufel versucht, Licht und
Klarheit zu erringen.
Wenn Laster und Torheit den Gang der Welt
befördern, so ist die Tugend Unsinn, da sie den nicht schützen
kann, der ihr sein Leben weiht.
So haben wir dies Gefühl
erkünstelt, und unsre tierische Natur, die uns durch die
Sinne zum Genuß des Augenblicks treibt, weiß nichts
davon.
In törichter Hoffnung, in stolzem Wahnsinn, blicken
wir zu dem Himmel auf, und erwarten in der fernen, ungewissen
Zukunft den Lohn unsrer Unterwerfung, während der Triumph
und Spott des Lasters um uns her erschallt.
Hier schwebe ich zwischen
meinem zerrißnen Herzen und meinem empörten Verstand,
wie der verzweifelnde Schiffer auf dem brausenden Meere, dessen
Fahrzeug der Blitz entzündet hat.
Vernichtung droht ihm die
Glut; Vernichtung die tobenden Wellen.
Was soll mir dieses Mitleiden,
das mein Herz, bei dem Leiden des Menschengeschlechts, auflöst?
Es werde zu Stein, wie die Herzen der Großen und Mächtigen,
die die Menschen bloß zu Mitteln ihrer Zwecke nutzen!
Ihnen
muß ich nun gleich werden, und Hohn der Menschheit sprechen.
Daß der Keim meines Daseins in dem Schoße meiner Mutter
vertrocknet wäre!
Daß nie meine Nerven diese Reizbarkeit
erhalten hätten, nie das Gefühl von Recht und Unrecht
in meiner Brust erwacht wäre!
Mußte ich dies an dem
Menschen erfahren, um in Gegenwart des Teufels seine Natur zu
lästern!
Noch einmal, listiger Sophist, löse mir diese
Rätsel auf; enthülle mir dies Geheimnis, und wenn auch
Gespenster aus dem Dunkel hervorsprängen, die mich durch
ihren Anblick töteten.
Teufel.
Beruhige dich, und schüttle diesen Zweifel ab;
keinem in Fleisch gehüllt ist es gegeben, diesen Knoten zu
lösen, und Tausende werden sich daran erwürgen.
Vergiß
den Zweck nicht, den wir uns bei unsrer erstern Zusammenkunft
vorgesetzt haben.
Ich versprach dir, den Menschen nackend zu zeigen,
um dich von den Vorurteilen deiner Jugend und deiner Bücher
zu heilen, damit sie dich in dem Genusse des Lebens nicht stören
möchten; und wenn du wirst eingesehen haben, daß die
sogenannte Leitung des Ewigen, dem du um meinetwillen entsagt
hast, und vor dessen Angesicht ihr ungehindert die scheußlichsten
Greuel begeht, nur Wahn eures Stolzes ist, und dir dann noch Kraft
im Herzen übrig bleibt, so will ich dir die schaudervollen
Geheimnisse eröffnen, die dich nun umhüllen.
Faust, mit bittrem Gelächter. Nun bei dem Dunkel
der Hölle, das uns bei unsrer Geburt bis zum Grabe umdampft,
so wär ich noch der Gescheiteste von allen, daß ich
dem Wirrwarr entgangen bin, und dadurch, daß ich mich dir
ergab, mein Schicksal willkürlich bestimmte, es entschied,
wie es einem freien Wesen zusteht, (in sich mit verbißner
Wut:) Einem freien Wesen!
ha!
ha!
ha!
Ja frei, wie der Jagdhund,
den ich am Seile leite, und den der Instinkt fortreißt,
wenn er das Wild wittert.
Teufel.
Glaube mir, Spötter, besäßen die
Menschen die Zauberkraft, die du dem Dunkel entrissen hast, sie
würden bald die Hölle entvölkern, und du würdest
mehr Teufel auf der Erde herumfahren sehen, als Schutzheilige
im Kalender stehen, oder als eure Tyrannen Soldaten im Solde halten,
um euch zu unterjochen.
Hei ho!
welch ein trauriges Los für
einen Teufel, die tollen Begierden eines guten Kopfs auszuführen;
was würde dann aus uns werden, wenn es jedem Schuft gelänge,
uns aus der Hölle zu rufen?
Diese Bemerkung des Teufels wollte soeben der Laune Fausts eine
andre Richtung geben, als auf einmal eine neue Erscheinung ihrer
Unterredung ein Ende machte.
Es traten sechs Bewaffnete mit einer
Blendlaterne herein, denen zwei Henker, mit großen leeren
Säcken, folgten.
Faust fragte, was sie wollten, und der Anführer
antwortete: >>sie möchten sich bequemen, in diese Säcke
zu kriechen, denn sie hätten den Auftrag, die gnädigen
Herren hineinzustecken, die Säcke zuzubinden, und in den
nahen Fluß zu tragen<<.
Der Teufel erhub ein lautes
Gelächter, und sagte: >>Sieh doch Faust, der Fürst
vonnospace;*** will dich von dem Enthusiasmus der Tugend abkühlen,
den du ihm heute so warm gezeigt hast.<<
Faust sah ihn ergrimmt
an, gab ihm einen Wink; ein höllisches Gesause erfüllte
den gewölbten Kerker, die Schergen stürzten zitternd
zu Boden, und die Gefangnen fuhren hinaus.<<
Nun erst erwachte das Gefühl der Rache in dem Herzen Fausts,
und kleidete sich in den Schmuck eines großen edlen Berufs.
Der Gedanke fuhr durch seine Seele: die Menschheit an ihren
Unterdrückern zu rächen. Ein stolzes Gefühl
durchglühte seinen Busen, die Macht des Teufels, dem er sich
auf Gefahr seines Selbsts ergeben, zu nutzen, um Gerechtigkeit
an den Heuchlern und Bösewichtern auszuüben.
Er rief
dem Teufel zu:
>>Fahre in den Palast, und erwürge mir den, der mit der
Tugend ein Spiel treibt!
Vernichte den, der Verräter belohnt,
und den Gerechten wissend zertritt!
Räche in meinem Namen
die Menschheit an ihm.<<
Teufel.
Faust, du greifst der Rache des Rächers vor!
Faust.
Seine Rache schläft, und der Gerechte leidet;
ich will den vertilgt sehen, der die Maske der Tugend trägt.
Teufel.
So gebiete mir, die Pest über die Erde zu hauchen,
daß das ganze Menschengeschlecht hinsterbe.
Was soll aus
ihnen werden, wenn dein Wahnsinn dauert?
Du wirst nur die Hölle
bevölkern, und alles wird seinen Gang gehen wie vor.
Faust.
Hämischer Teufel, du möchtest ihn retten,
daß er der Greuel noch mehr begehen kann; freilich, Fürsten
seinesgleichen verdienen den Schutz der Hölle, denn sie machen
auf Erden die Tugend verdächtig, da sie das Laster belohnen.
Er soll sterben, beladen mit seiner letzten Tat, soll er bebend
zur Verdammnis fahren.
Teufel.
Tor, der Teufel freut sich des Mords des Sünders;
was ich sage, geschieht bloß darum, mich gegen deine Vorwürfe
in Zukunft zu sichern, damit dir keine Entschuldigung übrig
bleibe.
Die Folgen der Tat sind dein.
Faust.
Sie seien mein, ich lege sie gegen meine Sünden
in die Waage.
Eile und morde.
Sei der Pfeil meiner Rache!
Fasse
den Günstling, und schleudere ihn in den glühenden,
unfruchtbaren Sand des heißen Lybiens, daß er langsam
hinschmachte!
Teufel.
Faust, ich gehorche, doch bedenke, Kühner, daß
dir das Richteramt nicht gegeben ist.
Faust.
Ich bin der Elendeste der Erde; aber nicht in diesem
Augenblick.
Teufel.
Es ist Selbstrache, Verdruß, dich in ihm betrogen
zu haben, die dich treiben.
Faust.
Geschwätziger Teufel, es ist der Rest des Unsinns
meiner Jugend, der mich bei schlechten Taten oft zu Mordgedanken
reizte.
Hätte ich das Unrecht der Menschen sehen und dulden
können, würde ich dich aus der Hölle gerufen haben?
Eile und vollziehe!
Der Teufel erwürgte den Fürsten auf seinem weichen Lager,
faßte den bebenden Günstling, und schleuderte ihn in
den glühenden Sand Lybiens, fuhr zu Faust zurück: Die
Tat ist vollbracht! Sie setzten sich beide auf den schnellen
Wind, und segelten dem Lande hinaus.
Wie glücklich sind nun unsere Fürsten, daß es
keinem mehr so leicht gelingt, den Teufel aus der Hölle zu
rufen, und ihn zum Werkzeug der Rache der Unterdrückten und
Zertretnen zu machen.
Wehe den Nabobs der Erde, wenn es einem
gelänge!
8
Faust saß düster auf seinem Pferde (denn da sie über
die Grenzen waren, hatten sie durch des Teufels Vermittlung das
Fuhrwerk verändert).
Die letzte Geschichte nagte noch immer
an seinem Herzen; es verdroß ihn, dem Teufel in Ansehung
der Menschen gewisse Dinge zugestehen zu müssen, und seine
Laune ward um so bittrer, da er selbst anfing sie in einem andern
Lichte zu betrachten.
Doch tröstete ihn der Gedanke in seinem
Mißmut, den unglücklichen Minister an den Heuchlern
gerächt zu haben.
Der Stolz schwellte nach und nach sein
Herz so auf, daß er beinahe anfing, seine Verbindung mit
dem Teufel als das Wagstück eines Mannes anzusehen, der seine
Seele für das Beste der Menschen opfert, und dadurch alle
Helden des Altertums, die nur ihr zeitliches Dasein dransetzten,
übertrifft.
Noch mehr, da diese um des Ruhms willen sich
opferten, und also aus Eigennutz handelten, auf den er, vermöge
seiner Verbindung, keinen Anspruch machen konnte, so fiel vor
seinen verblendeten Augen alle Vergleichung zwischen ihnen und
ihm weg.
Setze den Menschen in welche Lage du willst, sei unbesorgt,
und laß nur seine Eigenliebe würken; du siehst, sie
weiß Fausten selbst die Aussicht in die Hölle zu vergulden.
Er vergaß in diesem stolzen Gefühle, die Beweggründe
seiner Verbindung mit dem Teufel, seinen Hang zur Wollust und
Genuß, und schwärmte sich auf seinem Rosse in gespannter
Phantasie zum Ritter der Tugend, zum Rächer der Unschuld.
Ja, dieser Selbstbetrug ward sogar ein Balsam für seinen
gekränkten Geist, und er sah gleichgültiger auf den
peinlichen Gedanken, das nicht durch den Teufel entdeckt zu haben,
was er so sehnlich zu wissen gewünscht hatte.
Sein Herz schlief
hierbei so ruhig an dem Abgrund der Hölle ein, als der Fromme
in die Arme des Todes sinkt, der ihn in die seligen Gefilde hinüberträgt.
Der Teufel ritt neben ihm her, und ließ ihn ruhig seine
Glossen machen.
Er nur sah in jedem dieser vermeinten edlen Gefühle
einen neuen Stoff zur künftigen Marter und Verzweiflung,
und sein Haß nahm in dem Maße gegen Fausten zu, als
sich dessen Aussicht aufheiterte und erweiterte.
Er genoß
der Stunde voraus, worin alle diese glänzende Lufterscheinungen
zusammenstürzen, alle diese bunten Bilder der Phantasie sich
in die Farbe der Hölle hüllen, und des Kühnen Herz
so zerreißen würden, wie nie eines Sterblichen Herz
zerrissen ward.
Nach langem Schweigen erhub endlich Faust die
Stimme:
>>Sage mir, wie ist es nun mit dem falschen Günstling?
<<
Teufel.
Er schmachtet auf dem glühenden Sande, streckt
seine verdorrte Zunge aus dem brennenden Rachen, daß die
Luft und der Tau sie erfrischen und befeuchten mögen; aber
dort weht kein kühlender Wind, und in Jahrtausenden fällt
kein erfrischender Tropfen vom Himmel.
Sein Blut kocht wie glühendes
Metall in den Adern, die Strahlen der Sonne fallen senkrecht auf
sein nacktes Haupt.
Schon rollt der Fluch gegen den Ewigen in
seinem entflammten Gehirne, seine dürre Zunge vermag nicht
ihn auszusprechen, er arbeitet in dem heißen Sande wie ein
Maulwurf, um die feuchte Erde zu lecken, und öffnet sich
nur ein Grab.
Ist deine Rache befriedigt?
Faust.
Rache?
Warum nennst du Ausübung der Gerechtigkeit
Rache?
Sieh, kalter Schauder überlief meine Haut bei deinen
Worten; aber ich sah ihn kalt lächeln, da ich ihm die Marter
des Edlen und der Verführten schilderte.
Teufel.
Die Zeit, die nur langsam den Schleier hebt, mag
es entwickeln.
Der Bauer, Faust, säet den Hanf, arbeitet
ihn zum Stricke, ohne zu ahnden, daß sein strenger Herr
ihn einst damit wird geißeln lassen, wenn er die Gebühren
und Frondienste nicht abträgt.
Was wird aus dir werden, wenn
du den Menschen in größerm Wirkungskreise sehen wirst?
Wir haben dem Ungeheuer nur die erste Haut abgezogen, was wird
es dann sein, wenn wir ihm die Brust aufreißen?
Schnell
würde der, welcher die Rache sich vorbehalten hat, das Zeughaus
des Donners ausleeren, wenn er alle die vernichten wollte, die
nach deiner Meinung nicht zu leben verdienen.
Aber er will, daß
sie leben, leiden, sündigen und der Strafe reifen.
Gleichwohl
wäre das Ding von Mensch noch immer gut genug, wenn es nur
dem Trieb, alles zu verzerren und zu mißbrauchen, durch
seine stolze Vernunft etwas mehr widerstehen könnte oder
wollte.
Faust, woher mag dies Unvermögen wohl kommen?
Wenn
du eine Maschine verfertigest, wirst du sie nicht so zurichten,
daß sie deinem Zweck entspricht; wenn du nun fändest,
daß du dich in deinem Machwerk geirrt hättest, und
es eher deinem Zweck hinderte als beförderte, wirst du sie
nicht verbessern oder vernichten?
Faust wollte eben antworten, als sie in der Ferne ein Dorf in
hellen Flammen sahen.
Da ihn nun alles scharf reizte, spornte
er sein Pferd, und der Teufel zog hinter ihm drein.
Es begegnete
ihnen bald ein Haufe fliehender Ritter und Knechte, die eben ein
andrer Haufe geschlagen hatte.
Als sie dem Dorfe näher kamen,
fanden sie das Feld mit Leichen der Reisigen und Pferden bedeckt.
Sie sahen unter den Toten einen Knappen, der mit beiden Händen
arbeitete, seine herausgestürzte Eingeweide in den Bauch
zurück zu drücken; er heulte und fluchte fürchterlich
unter dem schmerzlichen Werke.
Faust fragte ihn höflich um
die Ursache des Zwists, der Knappe schrie: >>Schert Euch zu
allen Teufeln, Herr Naseweis!
wenn Ihr Eure Kaldaunen in frischer
Luft sähet, wie ich, die Neugierde würde Euch vergehen.
Weiß ich, warum sie mir den Bauch aufgerissen haben?
Fragt
dort den gnädigen Herrn, meinen Junker, den sie auch verstümmelt
haben, und dem ich dies Frühstück zu verdanken habe.<<
Sie nahten einem Ritter, der eine Wunde an dem Schenkel hatte,
und Faust tat dieselbe Frage an ihn.
Der Ritter antwortete: >>Ein
Bauer aus dem brennenden Dorfe hat vor einiger Zeit dem mächtigen
Rauhgrafen einen Hirsch erlegt.
Darauf hat der Rauhgraf den Täter
von meinem Herrn gefordert, um ihn nach teutschem Herkommen auf
einen Hirsch zu schmieden, und zu tot rennen zu lassen.
Mein Herr
wollte den Bauern nicht herausgeben, und erklärte die Pfändung
an Hab und Gut zu seinem eignen Besten für hinreichende Strafe.
Der Rauhgraf schickte hierauf dem Edelmann im Namen Gottes und
unter dem Schutze des Kaisers einen Fehdebrief zu.
Die Fehde ist
unglücklich für uns ausgefallen, der Rauhgraf hat nun
das Dorf angezündet, es mit seinen Reisigen umgeben, daß
keiner der Bauern heraus kann, und will jetzt dem Eide Gnüge
tun, den er bei dem heiligen Sakrament geschworen, alle die Bauern
wie Martinsgänse für seine Hunde und wilden Schweine
zu braten.<<
Faust, ergrimmt. Wo liegt sein Schloß?
Ritter.
Auf jener Höhe, es ist das festeste und prächtigste
im Lande.
Faust ritt auf eine Anhöhe, und sah in dem Tale das brennende
Dorf vor sich liegen.
Die Mütter mit ihren Kindern, Männer
und Greise, Jünglinge und Jungfrauen stürzten heraus,
warfen sich den Reisigen zu Füßen, flehten verzweifelnd
um Rettung.
Der Rauhgraf schrie, daß es im Tal erschallte:
>>Treibt die Hunde zurück!
In den Flammen sollen sie
alle sterben!
<< Die Bauern schrien, daß es den Himmel
und die Felsen zerreißen müßte: >>Wir sind
unschuldig, der euch beleidigt hat, ist entflohen!
Was haben wir
und unsre Kinder verbrochen?
Ach rettet nur sie!
<< Die Reisigen
peitschten sie von der Erde auf, trieben sie nach den Flammen,
die Mütter warfen die Kinder nieder, in der Hoffnung, sie
würden sich ihrer erbarmen, der Huf der Rosse zerschmetterte
sienospace;-
Faust rief wahnsinnig: >>Teufel, fliege und kehre nicht zurück,
bis du des Wüterichs Schloß, mit allem, was es in sich
faßt, ausgebrannt hast.
Er kehre heim und finde Wiedervergeltung!
<<
Der Teufel lächelte, schüttelte den Kopf, und flog davon.
Faust warf sich unter einen Baum und blickte ungeduldig nach dem
Schlosse.
Als er es in Flammen sah, wähnte der Verwegne,
die Ordnung der Dinge hergestellt zu haben, und empfing den zurückkehrenden
Teufel mit Zufriedenheit.
Dieser fuhr siegend einher, verkündigte
ihm den Jammer, den er angerichtet, und mit welcher Eile der Rauhgraf
mit seinen Reisigen nach dem Schlosse zujage; >>aber, Faust<<,
setzte er hinzu, >>der Dampf des höllischen Pfuhls wird
ihm einst nicht so entgegenstinken, als diese deine Tat.
Sein
junges, vielgeliebtes Weib ist vor einigen Tagen mit dem Erstgebornen
niedergekommen<< -
Faust.
Rette sie und den Neugebornen.
Teufel.
Es ist zu spät; die schwache Mutter drückte
ihn in ihre Arme, und er brannte auf ihrem Herzen zu Asche.
Diese Post durchschauderte die Seele Fausts, er sagte grimmig:
>>Ha, wie schnell der Teufel im Zerstören ist!
<<
Teufel.
Faust, nicht so schnell, als der verwegne Mensch
im Urteil und Richten.
Hättet ihr unsre Macht, längst
würdet ihr die Welt zertrümmert und zum Chaos gemacht
haben.
Beweisest du es nicht, da du deine Herrschaft über
mich so unsinnig mißbrauchst?
Fahre nur zu!
der Mensch,
der sich den Zügel läßt, gleicht dem Rade, das
vom Berge rollt, wer kann es aufhalten?
es springt von Klippe
zu Klippe, bis es zerschmettert.
Faust, gern hätte ich den
Unmündigen der Sünde reifen lassen, nun ist er der Hölle
entgangen samt der Mutter; er brannte auf ihrem Herzen zu Asche,
und sie wehrte der ihn aufzehrenden Flamme, noch mit den Knochen,
von denen schon das Feuer das Fleisch abgefressen hatte.
Faust.
Du legst es an mein Herz.
Er hüllte sein Gesicht in seinen Mantel, und netzte ihn mit
seinen Tränen.
9
Das Gefühl, die Tugend an den Lasterhaften rächen zu
wollen, kühlte sich in Fausten etwas ab; endlich labte er
seinen durch die letzte Geschichte gereinigten Geist mit dem Gedanken,
den ihm der Teufel vorsätzlich hinwarf, der Säugling
und die Mutter seien der Hölle entgangen.
Auch erlaubten
die Sinnlichkeit, das leichte Blut, das Streben nach Genuß,
der Zug nach Veränderung, die Zweifel keiner Empfindung einen
dauernden Eindruck in seinem Herzen.
Da er alles mit lebhaftem
Gefühl umfaßte, so brannten seine Empfindungen wie
Lichtkugeln auf, die einen Augenblick die Finsternis erleuchten,
und dann zerplatzen.
Er blickte endlich wieder unter seinem Mantel hervor, sah Leviathan
auf etwas hören und lächeln.
Er frug ihn: >>Worüber
lächelst du, Würger, mich deucht, du horchst einem Redenden
zu, und gleichwohl seh ich keinen.<<
Teufel.
Du irrst dich nicht.
Soeben schwebte ein Geist einher,
der sich mit ehebrecherischen Händeln abgibt, und erzählt
mir einen Schwank, über den ich lachen muß, so ernsthaft
ich auch, in deiner lästigen Gesellschaft, geworden bin.
Faust.
Erzähle!
ich bedarf des Lustigen.
Teufel.
Soll er; oder ich?
Faust.
Wer er?
Ich seh ihn nicht.
Teufel.
Gleichwohl ist er nah bei dir.
Soll er dir erscheinen;
oder willst du bloß seine Stimme hören?
Sie ist so
sanft, wie die Stimme des Ehebrechers, der zum ersten Falle lockt.
Faust.
So sei's die Stimme; ein Schwank aus der Luft erzählt
ist etwas Neues, und ich bedarf des Neuen; aber lustig muß
der Schwank sein.
>>Lustig und tragisch, Faust, wie's bei euch immer einander
auf dem Fuße folgt<<; sagte eine feine, hellklingende
Stimme, die gleich einer Lock-Pfeife, alle Töne nachahmte.
Die Stimme fuhr fort: >>Ich komme soeben von Köln, das,
wie Ihr wißt, mehr durch Kirchen und Reliquien berühmt
ist, als durch Genies.
Doch Hahnreien gibt's dort mehr, als Kirchen.<<
Faust.
Ein sehr moralischer Teufel! und die Stimme hat viel
gereist, denn sie fängt gleich mit Bemerkungen an.
Narr von
Geiste, von welchem Orte kann man dies nicht sagen?
Stimme.
Faust, die Wahrheit steht überall an ihrem rechten
Platze.
- Ich hatte mich dort in die Rosen-Knospen der weißen
runden Brust einer Betschwester einquartiert, ihr Mann war nach
Holland gereist.
Sie fühlte den schäkernden unruhigen
Gast durch alle mit meinem lüsternen Sitze verbundne Nerven,
klagte über den besondern Umstand bei ihrem Beichtvater;
es kam zu Erklärungen, und die Folge der Erklärungen
war, daß er mich zufällig mit seinem Skapulier berührte.
Mein Spuk war reif, und ich flog davon.
Wie ich durch die Straßen
dahin fuhr, sah ich einen Schlingel, ganz in dem scheußlichen
Kostume ausstaffiert, womit uns eure Mönche beehren.
Roten
Mantel, scheußliche Larve, ungeheure Hörner, einen
Bocksfuß und langen Schwanz.
Ich setzte mich zwischen die
Hörner des Verwegenen, und trabte mit ihm fort.
Er schlich
in das Haus des Junkers von Troßel.
Der Kerl war mir von
seinem ersten Weibe her bekannt, und verdient es, Euch zu werden.
Stellt Euch einen westfälischen Flegel von Edelmann, sechs
Fuß hoch, vor; zwischen seinen breiten Schultern, einen
runden, feisten Kalbskopf, auf dessen Angesicht die Natur, mit
grober Schrift, den eigensinnigen Dummkopf, den Pfaffensklaven,
den hartherzigen, rauh, prahlenden Barbaren, den Bürger-
und Bauernschinder, und den Hahnrei gezeichnet hat.
Seine Erziehung
gaben ihm die Buben, Knechte und Knappen des Hochgebornen Vaters,
in derer Schule er auch ein so fertiger und origineller Flucher
ward, daß es kein Fuhrmann seines Vaterlands mit ihm aufzunehmen
wagte.
Der Kapellan lehrte ihn ein wenig Lesen, stopfte ihm das
Gehirn voller Legenden und Zaubergeschichten, und da er so zum
Edelmann qualifiziert war, gab man ihm ein Fähnlein Volks,
und schickte ihn dem Kaiser gegen die Türken zu Hülfe.
Wacker hieb er in den Feind, doch führte er lieber mit dem
Freunde Krieg, raubte, erpreßte, und handelte, wie ein Kerl
handelt, der kein ander Recht kennt, als das Recht seiner Faust
und seines Adels.
Eine übermäßige Ladung ungarischen
Weins machte seinem Unwesen ein Ende, und stürzte ihn vom
Pferde; er verrenkte sich die Hüfte, ward in der Kur verpfuscht,
und setzte sich in Köln zur Ruhe.
Hier legte er sich aus
Mißmut und Langerweile aufs Studieren, verschlang alle Legenden,
alle Zauber- und Hexengeschichten, erhitzte, verwilderte seine
leere Einbildungskraft, und faßte aus Patriotismus (worin
ihr Teutschen alle Völker der Erde übertrefft) ganz
natürlich eine besondre Vorliebe für die Reliquien und
Legenden des Orts seines Aufenthalts.
Nichts übertraf nach
seinem Sinne, das Wunder der elftausend Jungfrauen (und darin
hatte er nicht unrecht).
Die Legende der Heiligen Drei Könige
aus Morgenland wurde sein Labsal, und schon vor seiner ersten
Ehe unternahm er, ihre Geschichte zu schreiben, bisher ist er
aber noch nicht mit ihnen nach Bethlehem gekommen.
Doch alle diese
frommen Beschäftigungen bekehrten den Flucher nicht.
Pfaff
und Laie machten ihm Vorstellungen darüber; unter neuen,
schrecklichern Flüchen, versicherte er, er wolle sich das
Fluchen abgewöhnen.
Nehmt noch hinzu, daß dieses Tier,
vom vielen Sitzen, hypochondrisch geworden ist, daß er sich
erschrecklich vor dem Tod, und noch mehr vor unsrer Brüderschaft
fürchtet, die er gleichwohl ohne Unterlaß zitiert,
und um den Kerl mit dem letzten Zug zu malen, daß er eifersüchtig
wie ein Tiger ist, daß er sein Weib nicht aus den Augen
läßt, daß sie neben seinem gepolsterten Sessel
hucken, und ihm zuhören muß, wenn er die Legende kommentiert,
oder von seinen Feldzügen lügt.
Vor kurzem verheuratete
er sich mit einer derben, fleischigten Brünette - ein lüsterner
Schalk, ganz auf dem schwankenden Stengel der Unschuld gewachsen,
und nur vom weiblichen Sinne gepflegt.
Ich hatte schon ein Netz
für sie gewirkt; aber der Schalk kam mir, wie Ihr sehen werdet,
zuvor.
Der Mönchsteufel polterte die Treppe hinauf - ich,
der ihm ablauerte, worauf es angesehen war, umzog schnell seine
Hörner mit loderndem, knitterndem Feuer, und setzte mich
in Gestalt einer ungeheuern Fledermaus mit glühenden Augen
dazwischen - Der Mönchs-Teufel trat vor das Bett und schrie:
>>Troßel!
Troßel!
Herr von Troßel!
Mich
sendet Satan, mein Herr.
Mit freundlichem Gruße läßt
er dir sagen, daß, wenn du dein schreckliches Fluchen nicht
lässest, womit du ihn jeden Augenblick zu Hülfe rufest,
er bald genötigt sein würde, dir in hoher Person den
Hals zu brechen.
Schon lange hätte er's gern getan; aber
du stehest unter dem Schutze der elftausend Jungfrauen, der drei
Mohren-Könige, und diese verteidigen dich gegen ihn.
Doch
sollen sie ihn nicht hindern, dir für jeden Fluch, den du
in Zukunft, herausdonnern wirst, einen Liebhaber zu deinem jungen
Weibe Lene zu legen.
Weh dir, wenn du alsdann dein unschuldiges
Weib und den unschuldigen Kavalier beleidigst.<<
-
Der Mönchs-Teufel polterte die Treppe hinunter.
Troßel
zitterte und bebte - Lene war bei der Erscheinung unter die Bettdecke
gekrochen, und streckte nicht eher den Kopf hervor, als bis er
ihr in Verzweiflung zurief.
Dann fing sie erbärmlich an zu
klagen und zu jammern über das Unglück, das ihr bevorstünde,
und beschwur den Todbleichen bei allen Heiligen, sich ja vor dem
Fluchen in acht zu nehmen.
Er gelobte sich's und ihr, unter Stöhnen
und Gebet.
Ich eilte dem Kerl nach, der uns so schändlich
prostituiert hatte, und begleitete ihn nach der Rheinseite.
Ein
junger Edelmann, dem der Schalk von Weibe dieses saubere Spiel,
in der Kirche, angegeben hatte, wartete dort auf ihn - der Kerl
kroch aus der Maske hervor - es war ein Mönch, Faust!
Troßel saß den ganzen Tag stumm und tot da; denn reden
und fluchen war bei ihm eins.
Der Schalk von Brünette blickte
aus halbgeöffneten Augen nach dem Unglücklichen, und
schien nach einem Fluche zu lechzen, wie, nach Eurer Vorstellung,
eine Seele im Fegfeuer nach Erlösung.
Gleichwohl schärfte
sie ihm ohne Unterlaß ein, sich ja vor dem Fluchen in acht
zu nehmen; malte ihm den Teufel und die Gefahr immer schrecklicher,
und sagte weinend, sie würde nie den fürchterlichen
Augenblick überleben.
Troßel seufzte zum erstenmal
herzlich in seinem Leben; er war nun ein lebloses Ding, ein Schatten,
ein Nichts.
Man bestahl ihn, warf seine Legenden untereinander,
trat seinen Lieblings-Hund auf die Pfoten, war mürrisch,
zänkisch, unverschämt gegen ihn, er verlor durch ungerechten
Spruch einen Prozeß - er biß die Zähne zusammen,
schluckte die bis in die Gurgel gedrungenen Flüche zurück,
erduldete alles, und schwieg.
Er war dem Stummwerden nahe, und
schon verzweifelte Lene, als ihm mein Mönch, unter der Maske
eines reisenden Edelmanns, von Troßels Kriegsbruder empfohlen,
eines Abends einen Besuch machte, und der lechzenden Brünette
Gelegenheit verschaffte, den gefesselten Flüchen Luft zu
machen.
Das Mönchlein ließ sich, glattzüngig,
mit Troßel in eine Unterredung über die drei Mohren-Könige
ein.
Die Beredsamkeit des Stummen ward lebendig, er floß
in ihrem Lobe über, las ihm aus seinem Werke vor, und die
Brünette horchte andächtig zu.
Als ihn der Mönch
recht im Feuer sah, sagte er spöttisch lachend: >>Drei
Könige?
Drei Könige auf einmal?
Hat man doch oft an
einem zu viel!
Und was wollten denn die Kerle in Köln?
Was
hatten sie am Rheine zu tun?
Hatten sie denn zu Hause keine Geschäfte,
daß sie herumzogen wie Meistersänger?
Was mögen
indessen ihre Untertanen gemacht haben?
Nehmt mir nicht übel,
soviel ich von Königen weiß, so laufen sie nicht so
von Haus und Hof, es müßte denn sein, daß man
sie davonjagte.
Das ist alles Fabel und albernes Zeug!
<<
Troßel wurde blau und rot.
Die Koller-Ader schwoll auf seiner
Stirne.
Der Geifer des Zorns schäumte um seine blauroten
Lippen.
Er zog krampfhaft die Daumen in die Fäuste, schnitt
fürchterliche Grimassen, blies aus Mund und Nase, wollte
eben, um die Flüche zurückzupressen, nach seiner Krücke
greifen, um dem Lästerer eins zu versetzen; aber das freundliche
Lenchen sprang erschrocken auf, liebkoste ihn, streichelte ihn,
gab ihm süße Worte und Küsse, drückte sich
an ihn, setzte unter Liebkosungen ihr Füßchen auf das
Hühneraug' des Grimmigen, und trat aus allen ihren Kräften
darauf.
Da brach der eingeschloßne Donner los.
Die schrecklichsten
Flüche strömten aus seinem Munde, wie eine losgelaßne
Flut - stürzten wie der Hagel herunter - der Gast entfloh
- die Brünette sank zu seinen Füßen, schrie:
>>Du hast mich unglücklich gemacht, meine Ehre weggeflucht!
<<
und fiel in Ohnmacht.
Starr, bebend und bleich stund der Flucher
da.
Mit noch gräßlichern Flüchen rief er endlich:
>>Warum hast du mir auf das Hühneraug' getreten?
Hab
ich meine verdammte Zunge nicht, bis auf diesen Augenblick, gehalten?
<<
- >>Warum hast du geflucht<<, erwiderte Lene.
>>Dir
ist alles gleichgültig, wenn nur dich der Bocksfüßler
nicht holt, mag meine Ehre immer dabei leiden!
<< Ich konnte
dem Kitzel des Lachens nicht mehr widerstehen.
>>Wer lacht
dahier?
<< klapperte Troßel.
>>Der Teufel<<,
schrie die Brünette.
Das edle Paar entfloh, kroch ins Bette,
und kaum hatte sich Troßel von seinem Schrecken erholt,
kaum fing er an zu schnarchen, als ihn eine gellende Stimme, aufweckte:
>>Heraus, aus dem Bette, Flucher!
Wider Willen muß ich
dich heute zum Hahnrei machen.
Doch fürchte nichts, ich bin,
wie du, von christlichen Eltern geboren, werde dir nichts zu leide
tun.
Alles geschieht zum Heil deiner Seele, aber wenn du dich
rührst, so kommt der Schwarze!
<<
Troßel sprang aus dem Bette, kroch in einen Winkel, zog
die Nachtmütze über das Gesicht, und klapperte vor Furcht
und Angst.
Nach einigen Stunden rief die Stimme: >>Lege dich
wieder zu Bette, und vergiß nicht, daß mein Schicksal
ist, für jeden deiner Flüche deinen Platz einzunehmen,
und das deine, es zu leiden!
<<
Die Stimme stieg zum Fenster hinaus.
Lenchen spielte noch toller
die Verzweifelte, und ihr Haus-Tyrann, der so streng auf sein
Männer-Recht hielt, der nicht den geringsten Widerspruch
vertragen konnte, mußte nun bitten und flehen, sie möchte
ihm nur diesmal verzeihen.
Man stellte dem Flucher neue Fallen, lange vermied er sie; da
aber einmal die Brünette das Mittel entdeckt hatte, seine
Zunge zu lösen, so spielte sie so lange auf dieser Saite,
bis sie etwas erschlaffte.
Ein Streich gelang ihr, über alle
Hoffnung.
Der Arme hatte den ganzen Tag an einem Kapitel seines
Werks gearbeitet, darinnen bewiesen, daß seine Schutzherrn
aus dem Morgenlande nicht zu Fuße, sondern auf Kamelen von
Hause aus geritten wären, und daß ein geflügelter
Bote von oben ihnen bei Nacht eine Laterne vorgetragen hätte.
Lene, die seine Anstrengung während der Arbeit, und seine
endliche Zufriedenheit darüber bemerkte, zerriß die
Blätter, sobald er sich einen Augenblick entfernte, wickelte
Garn in die Fetzen - legte in ein Blatt einen Kreuzer, zündete
es an, und warf es einem singenden Bettler aus dem Fenster zu.
Troßel kam zurück, wollte ihr nun seine Tagesarbeit
vorlesen; fand sie nicht, frug zitternd darnach; Lene ließ
sich dreimal erklären, was er wollte, und sagte endlich mit
kalter Verachtung: >>Hier sind deine Wische!
ich hielt es
für eine Schmiererei, dergleichen du hunderte des Tags machst,
und wieder zerreißest!
<< Knirschend für Wut öffnete
er die Knäuel Garn, warf sie ihr brummend in Schoß,
legte seine Fetzen zusammen und rief mit donnernder Stimme: >>Wo
ist das übrige?
<< >>Zum Fenster hinaus!
<< -
>>Zum Fenster hinaus!
<< - Die Flüche donnerten heraus,
daß die Fenster zitterten, das Glas auf dem Tisch erklang.
Lene stopfte sich die Ohren zu, spielte die vorige Komödie;
der Gast kam, Troßel mußte das Bett verlassen, und
murmelte dabei zwischen den Zähnen: >>Ich wollte, daß
die drei Mohren-Könige die Beine gebrochen hätten!
schon
zum zweitenmal machen sie mich zum Hahnrei.<<
>>Und sie sollen's zum dritten-, vierten- und fünftenmal,
verwegener Sünder!
Ein Fluch gegen die Heiligen ist Todes-Sünde!
<<
rief die Stimme hinter den Bettvorhängen hervor.
Der Gast hielt Wort.
Da nun Troßeln die Besuche zu oft kamen,
so sagte er diesen Morgen zu Lenchen: >>Ich kann es nicht
mehr ertragen!
Ich mag machen, was ich will - mag ersticken,
bersten - fluchen muß ich!
Ich will den Nachmittag nach
dem Pater Orbelius schicken, daß er mich morgen früh
besuche, ihm dann alles erzählen, und ihn bitten, daß
er mir und dir helfe.<<
Lene lobte seinen Entschluß, schlich aber bald darauf in
ihr Kämmerlein, setzte sich hin, ihrem Galan den Vorfall
zu melden, und ihm zu schreiben, er solle abends den Teufel mit
dem Auftrag schicken, Troßeln mit dem Tode zu drohen, wenn
er die Erscheinung entdeckte.
Ich, schon zufrieden mit dem, was geschehen war, schlich ihr nach.
Warf ein hellrotes Mäntelchen um die Schultern, steckte mich
in einen Wams von rauhen Fellen des Alps, legte ein Krägelchen
um den Hals, aus roten, blauen, gelb und grünen Flammen gewebt,
stellte mich auf zwei hohe Hahnen-Füße mit langen Spornen,
nahm eine scheußliche Kröten-Maske vor, und bedeckte
den feuchten, kahlen Schädel mit einem Federhut.
Statt des
Schwanzes wickelte sich eine ungeheure Schlange um meinen Leib,
ihr Rachen ragte aus dem geöffneten Schlunde der Kröten-Maske
weit hervor, und so geschmückt stellte ich mich hinter den
Stuhl der Schreibenden, und zischelte ihr mit ausgestreckter Schlangen-Zunge
in einem süßen, gefälligen Tone zu: >>Bemüht
Euch nicht, gnädige Frau, wenn Ihr einen Teufel braucht,
da habt Ihr gleich den rechten.
Befehlt nur!<<
Die Folgen meines Grußes, Faust, nebst der Moral, wenn wir
uns wieder begegnen.
Die Stimme schwieg, und Faust fühlte den Geist an sich vorüber
sausen.
Er schrie: >>Wo ist er hin?
Die Moral will ich hören.<<
Teufel.
Ho! ho!
soll diese der Teufel auch machen?
und seinen
Schwank verderben, wie's eure Dichter machen?
Er ist schon weit
weg; vermutlich hat er einen neuen Spuk gewittert!
Hm, Faust,
es fehlt den teutschen Weibern, wie ich sehe, nicht an Genie,
und wenn sie nichts aus Euch machen, so geb ich alle Hoffnung
auf.
Unter Glossen und Lachen über den Schwank ritten sie in das
Tor der vor ihnen liegenden Stadt, und die gute Mahlzeit, die
herrlichen Weine, die sie dort fanden, schlugen bald Fausts trübe
Geister völlig nieder.
Da eben in der Stadt Jahrmarkt war,
so ging Faust, mit dem Teufel, nach Tische auf den Platz, um das
Gewimmel zu sehen.
Es war ein sonderbares Land, worin sie sich nun befanden.
In einem
Kloster der Stadt lebte ein junger Mönch, dem es ohne viele
Mühe gelungen war, einige wenige Funken von Verstand durch
das Feuer seiner Einbildungskraft gänzlich aufzubrennen,
und sich so mächtig von der Kraft des religiösen Glaubens
zu überzeugen, daß er hoffte, wenn einst seine Seele
den wahren Schwung erhielte, und der Geist Gottes ihn völlig
durchsauste, es ihm ein leichtes sein würde, Berge zu versetzen,
und sich als ein neuer Apostel in Wundern und Taten zu zeigen.
überdem sog er, gleich einem trocknen Schwamme, die Torheiten
und Scharlatanerien ein, die andere ausheckten, ein Umstand, wodurch
sich die Schwärmer von den Philosophen gänzlich unterscheiden,
denn diese hassen und verachten die Hypothesen eines andern, da
jene allen Unrat des menschlichen Geistes annehmen, und sich zu
eigen machen.
Da dieser junge Mönch, wie jeder Schwärmer,
der von seinem Gegenstand durchdrungen ist, ein feuriger Redner
war, so zog er bald die Seelen der Männlein, und vorzüglich
der Weiber (die alles Leidenschaftliche so gern aufnehmen) an
sich.
Seine Einbildungskraft verschaffte ihm bald einen neuen
Zauberstab; denn da er, vermöge seiner innigen Verbindung
mit dem höchsten Wesen, eine hohe Meinung von den Menschen
hatte, so faßte er in einer seiner glühenden Stunden
den Entschluß, dieses Meisterwerk der Vorsehung, diesen
Liebling des Himmels, für den alles übrige gemacht ist,
physiognomisch zu zergliedern, und sein Inneres durch sein äußeres
zu bestimmen.
Leute von seinem Schlage betrügen sich so oft
selbst, daß man nicht mit Gewißheit sagen kann, ob
ihm etwa ein verborgner Funken des Verstandes zugelispelt hat,
diese Schwärmerei würde der alten einen neuen Firnis
geben, und die frommen Seelen, über deren Gesicht sich so
viel herrliche Dinge sagen ließen, noch mehr an ihn ziehen.
Da er nur die vier Wände seiner Zelle, und Leute seiner Art
gesehen hatte, übrigens, in Ansehung der Menschen, der Welt
und wahrer Wissenschaften so unwissend war, als es Leute von heißer
Einbildungskraft gewöhnlich sind, die obendrein alle aufstoßende
Zweifel mit dem zerschmetternden Hammer des Glaubens zerschlagen,
so läßt sich leicht schließen, daß auch
nur die Phantasie allein bei seinem Werke die Feder führte.
Aber eben darum tat es eine erstaunende Wirkung auf die Geister
aller derer, die lieber verworren fühlen, als klar denken.
Dies ist der Fall des größten Teils der Menschen, und
da die Tage des Lebens unter dem angenehmen Kitzel des geliebten
Selbsts so sanft dahinfließen, so konnte es ihm nicht an
Anbetern fehlen.
Es tut so wohl, sich als ein vielgeliebtes, vorzüglich
besorgtes Schoßkind der Gottheit anzusehen, und über
die übrigen rohen Söhne der Natur mit Verachtung und
Mitleiden hinzusehen!
Unser Mönch blieb aber nicht bei dem
Menschen allein stehen, er stieg auch zu den andern unedlen Tieren
der Erde herunter, bestimmte ihre Eigenschaften aus ihren Gesichtern,
ihrem Baue, und glaubte große Entdeckungen gemacht zu haben,
wenn er aus den Klauen, den Zähnen, dem Blicke des Löwen,
und dem schwächlichen, leichten Baue des Hasens bewies, warum
der Löwe kein Hase, und der Hase kein Löwe sei.
Es wunderte
ihn gewaltig, daß es ihm gelungen, die bestimmten und unveränderlichen
Merkzeichen der tierischen Natur so klar beweisen, und auf den
Menschen anwenden zu können, obgleich die Gesellschaft das
Gesicht des letztern zur Maske geschliffen hat, und er nie einen
in seinem ursprünglichen Zustande sah.
Hierauf drang er selbst
in das Reich der Toten, zog die Schädel aus den Gräbern,
die Gebeine der Tiere aus den Gruben, und zeigte den Lebenden,
wie und warum die Toten so waren, und wie sie, vermöge dieser
Knochen, so und nicht anders sein konnten.
Zu was für gefährlichen
Schlüssen könnten diese Voraussetzungen einen Sophisten,
oder einen Menschen, der gern seine Schlechtigkeit von sich wälzen
möchte, verleiten?
Soll, kann der Mensch durch Kunst ersetzen,
was durch natürliche Anlagen in ihm verhunzt ist?
Dem Teufel war dieser Spuk bekannt, und er merkte wohl, da sie
im Wirtshause bei Tische saßen, daß einige Anwesende
und selbst der Wirt ihn und Fausten mit besondrer Aufmerksamkeit
betrachteten, und sich leise ihre Beobachtungen mitteilten, während
sie verstohlen ihre Profile zeichneten.
Auch zu Faust war der
Ruf dieses Wundermanns gedrungen, hatte ihn aber bisher so wenig
interessiert, daß er auf dieses Geflüster nicht aufmerksam
wurde.
Da sie nun auf den Platz kamen, überraschte sie ein
ganz neues Schauspiel.
Dieses Gewimmel von Menschen war die echte
Schule der Gesichtsspäher.
Jeder konnte da seinen Mann fassen,
und sein Gesicht auf die Waage legen, die Kräfte seiner Seele
abzuwägen.
Einige stunden vor Müllereseln, Pferden,
Ziegen, Schweinen, Hunden und Schafen, andre hielten Spinnen,
Käfer, Ameisen und andre Insekten zwischen den Fingern, forschten
mit scharfem Blicke nach ihrem innern Charakter, und suchten zu
entwickeln, wie sich ihr Instinkt aus dem äußern bestimmen
ließe.
Einige maßen Schädel von Menschen und
Tieren aus, beurteilten das Gewicht und die Schärfe ihrer
Kinnladen und Zähne, und rieten, welchem Tiere sie zugehörten.
Da aber Faust und der Teufel unter sie traten, hörte man
sie ausrufen: >>Welch eine Nase!
Welche Augen!
Welch ein forschender
Blick!
Welch eine liebliche sanfte Rundung des Kinns!
Welche Kraft
ohne Schwäche!
Welche Intuition!
Welche Durchdringlichkeit!
Welche Helle und Bestimmtheit im Umrisse!
Welch ein kraftvoller,
bedeutender Gang!
Welches Rollen der Augen!
Welch ein Wurf der
Glieder!
Wie einverstanden und harmonisch!
Ich gäbe, ich
weiß nicht was darum, wenn ich die Handschrift der Herren
hätte<<, sagte ein Weber, >>um den schnellen
und leichten Gang ihrer Denkkraft aus ihren Federzügen zu
sehen.<<
Sie zogen alle ihr Reißblei aus den Taschen,
und nahmen ihre Profile.
Der Teufel verzerrte bei Anhörung
dieser Fratzen das Gesicht, und einer der Späher schrie:
>>Der innre Löwe Kraft hat sich gegen eine äußre
Versuchung oder einen schwächlichen Gedanken geschüttelt!
<<
Faust belächelte die Narrheit, als auf einmal ein englisches
Gesicht aus einem nahen Fenster auf ihn blickte, und in süßer
Verwundrung rief: >>Heilige Katherine!
welch ein herrlicher
Kopf!
welch eine himmlische, liebevolle, sanfte Schwärmerei!
Welche Gefühl und Anhänglichkeit atmende Physiognomie!<<
Diese Töne erklangen melodisch in dem Herzen Fausts.
Er starrte
nach dem Fenster, sie sah noch einen Augenblick auf ihn, zog sich
zurück, und Faust sagte zu dem Teufel:
>>Ich verlasse diesen Ort nicht, bis ich mit dieser Dirne
gelegen habe.
Die Wollust schimmert unter einem so frommen Glanze
aus ihren Augen, als sollte er der Sinnlichkeit die wahre Würze
mitteilen.<<
Sie wandten sich kaum nach einer Seitenstraße, als einer
der Späher zu ihnen trat, und sie keck um die Physiognomie
ihrer Handschrift bat, um, wie er sie versicherte: >>die Trägheit
oder Fertigkeit ihrer hervorbringenden Kraft, die Gradheit, Standhaftigkeit,
Reinheit oder Schiefheit ihres Charakters daraus zu entziffern<<.
Er setzte hinzu: >>Es habe ihm bisher kein Fremder diese Gefälligkeit
abgeschlagen, und er hoffte von ihnen ein Gleiches.<<
Hierauf zog er ein Taschenbuch, Feder und Dinte hervor, und spitzte
die Ohren voller Erwartung.
Faust.
Nicht so rasch, guter Freund, Dienst um Dienst: sagt
mir vorerst, wer ist die Jungfrau in jenem Hause, die ich eben
am Fenster sah, und deren äußeres so englisch schön
ist?
Späher.
O sie ist ein Engel in allem Verstande.
Unser
großer Seher versichert von ihr, ihre Augen seien Spiegel
der Reinheit und Keuschheit.
Ihr holder Mund sei nur geschaffen,
die hohe Begeistrung eines von himmlischen Dingen erfüllten
Herzens auszudrücken.
Ihre Stirne sei ein glänzender
Schild der Tugend, an dem sich alle Versuchungen, alle irdische
und sinnliche Gefühle zerschlugen.
Ihre Nase wittere die
Gefilde der Unsterblichen.
Sie sei das Ideal der Schönheit,
und aller der Tugenden, die diese begleiten, wenn die Gottheit
eine vollkommen schöne Seele dem Auge des Fleisches sichtbar
machen wollte.
Faust.
Ihr malt wahrlich nicht mit Farben der Erde; aber
sagt mir nun auch etwas von ihren irdischen Verhältnissen.
Späher.
Diese sind freilich nicht so glänzend wie
die erstern, aber doch hinreichend, ihre Ausübung nicht zu
stören.
Faust.
Und sie heißt?
Späher.
Angelika.
Sie schrieben Worte ohne Sinn auf ein Blatt, und der Späher
verschwand vergnügt mit seinem Schatze.
Faust.
Teufel, wie meinst du, daß dem frommen Kinde
beizukommen sei?
Ich bin nun recht in der Laune, das Ideal dieses
Sehers zu verpfuschen.
Teufel.
Auf der graden Heerstraße zu dem menschlichen
Herzen, Faust, darauf wird sie dir gewiß begegnen; denn
früh oder spät muß jeder dahin einlenken, seine
Phantasie mag ihn noch so weit davon entfernt haben.
Faust.
Es muß ein reizender Genuß sein, eine
solche zugespitzte Einbildungskraft mit Bildern der Wollust zu
füllen.
Teufel.
Der Mönch hat dir schon vorgearbeitet, und ihre
Sinnlichkeit so geschärft, ihr Seelchen mit so viel Eitelkeit
und Selbstvertrauen angefüllt, ihre Frömmigkeit so sinnlich
gemacht, daß es weiter nichts erfordert, als gehörig
an dem Herzen anzuklopfen, um sich als würklichern Gegenstand
der Schwärmerei hineinzunisten.
Laß mich eine Probe
machen, zu was die Schwärmerei die Weiber endlich führt.
Faust.
Und schnell!
Ich habe bei Nonnen gelegen, und sie
wie andre Weiber gefunden, laß mich nun sehen, wie sich
eine Schwärmerin dabei gebärdet.
10
Dem Teufel war darum zu tun, eine solche Seele dem Himmel zu stehlen,
Fausts Sündenmaß schneller zu füllen, und stund
in einem Augenblick unter der Gestalt eines alten Mannes mit einem
Guckkasten vor Faust, gab ihm einen Wink und schlich nach dem
Markte.
Hier schlug er seine Bude auf, und rief den Pöbel
zusammen, seine schöne Raritäten zu schauen.
Das Volk
drang hinzu, Mägde und Knechte, Jungfrauen und Witwen, Kinder
und Greise.
Der Teufel gaukelte ihnen allerlei Histörchen
vor, die er mit frommen Erläuterungen und moralischen Sprüchen
begleitete.
Jedermann trat vergnügt von dem Guckkasten zurück,
und reizte die Zuschauer mit Erzählung der gesehenen Wunder.
Die englische Angelika sah aus dem Fenster, und da sie den Teufel
mit einem so frommen Tone die Vorspieglung seiner Histörchen
ableiern hörte, fühlte sie eine unwiderstehliche Versuchung,
die Wunder des Kastens zu sehen, und dem frommen Greise ein Almosen
zufließen zu lassen.
Der Teufel ward gerufen.
Er fühlte
sich selbst betroffen von ihrer wunderbaren Schönheit, ihrer
Sanftmut und Güte, und ward um so begieriger, ihre Sinne
zu verwirren.
Nun legte sie ihr schwärmerisches Auge an die
öffnung des Kastens, der Teufel leierte seine Alltagssprüche
herunter, und gaukelte ihr stufenweis die Szenen der Liebe, bis
zu den ausschweifendsten Vorspiegelungen der Wollust und des sinnlichen
Genusses, vor.
Führte ihre Phantasie so rasch und unmerklich
vom Geistigen zum Sinnlichen hinüber, daß sie die Schattierung
kaum gewahr werden konnte.
Wenn sie das Auge zurückziehen
wollte, so verwandelte sich der anstößige Gegenstand
in ein erhabenes Bild, das den widrigen Eindruck auslöschte,
und das Herz für das folgende zündbarer machte.
Ihre
Wangen glühten, sie glaubte vor einer bezauberten, unbekannten
Welt zu stehen.
In allen diesen Szenen ließ der Tausendkünstler
Fausts Gestalt erscheinen, und versetzte sie immer in die anziehendsten
Lagen.
Sie sah ihn einen Schatten verfolgen, der ihr glich, und
um ihretwillen die größten Taten unternahm, sich den
schrecklichsten Gefahren unterwarf, und nachdem er ihre Aufmerksamkeit
gänzlich gefesselt hatte, und wahrnahm, daß die Neugierde,
die Verwicklung, worin Fausts Gestalt mit ihr verflochten war,
aufzulösen wünschte, so verwandelte er die Szene, und
ließ in schnellem Wirrwarr die schlüpfrigsten und üppigsten
Erscheinungen der tierischen Liebe, mit den reizendsten Farben
bekleidet, vor den Augen der unschuldigen Lauscherin gaukeln.
Der Blitz erleuchtet nicht so schnell das Dunkel, der Wunsch nach
Ehebruch entsteht nicht so schnell in dem Herzen des Wollüstlings,
als diese Erscheinungen vorüberflogen.
Eine Sekunde ist Dauer
dagegen.
Kaum hatte die Unschuldige das Auge an den Kasten gelegt,
als das Gift schon in ihr Herz geflossen war.
Sie sah, bevor sie
fliehen konnte.
Nun deckte sie mit beiden Händen ihre Augen,
floh nach ihrem Schlafzimmer, und sank Fausten in die Arme.
Der
Verwegne nutzte den Augenblick der gänzlichen Abwesenheit
ihres Bewußtseins, fand in ihrem Sträuben, ihren Tränen,
ihrem Seufzen, neuen Reiz zur Sünde, und nie ist eine unschuldigere
Seele, nie ein schönrer, unbefleckterer Körper von der
frechen Hand der Verführung besudelt worden.
Als sie endlich
zu sich kam, und ihren Fall wahrnahm, verhüllte sie ihr Haupt,
und stieß den Frechen zurück.
Er legte kostbare Geschmeide
zu ihren Füßen, sie zertrat sie, und rief: >>Wehe
dir, die Hand des Rächers wird einst schwer auf dir liegen
für diese Stunde!
<<
Der Wahnsinnige freute sich seines Siegs, ging ohne Reue zu dem
Teufel, der die Szene belachte, und sich der schaudervollen Folgen
der Tat freute.
11
Faust befand sich hier in seinem Elemente; die geistige Schwärmerei
hatte den Zunder der Lust so nahe an die Herzen gelegt, daß
er nur anzublasen brauchte, um sie in Flammen zu setzen.
Er flog
von Sieg zu Siege, nutzte hierbei die Macht des Teufels wenig,
desto mehr aber sein Gold und seine Juwelen, die auch die Frommen
zu brauchen wissen.
Angelika ward unsichtbar, und alles Bemühen
Fausts war vergebens, ihr noch einmal zu nahen, er vergaß
sie auch bald in den neuen Berauschungen.
Er las in der Zwischenzeit
mit dem Teufel die Handschrift der Physiognomik, die ihm einer
der Späher für eine große Summe verkauft hatte,
und ärgerte sich grimmig an der Zuverlässigkeit, der
Unwissenheit und dem dichterischen Schwulst des Verfassers.
Der
Teufel glühte vor Zorn, da er sogar sein eignes Portrait
in der Handschrift fand, das der junge Mönch, mit der nur
ihm eignen Verwegenheit, beurteilt hatte.
Es verdroß ihn
so heftig, daß er mit seiner hohen Person sein Spiel getrieben,
daß er dem Hang sich zu rächen nicht widerstehen konnte,
und da Faust in keiner bessern Laune gegen den Mönch war,
so machten sie sich auf, ihm einen Streich zu spielen.
Sie gingen
nach dem Kloster, und da sie beide stattlich gekleidet waren,
und Leute von Rang und Bedeutung zu sein schienen, so wurden sie
von dem jungen Mönch sehr freundlich empfangen.
Aber kaum
sah er den Teufel schärfer an, als er von seinem Angesichte
so begeistert wurde, daß er alle Worte des Grußes
vergaß, ihm stark die Hand schüttelte, sich dann von
ihm entfernte, und ihn bald en face, bald en profil anstarrte.
Hierauf rief er hochbegeistert:
>>Ha! wer bist du, übergroßer?
Ja, man kann, was man will.
Man will, was man kann!
dies sagt mir dein Gesicht, und ich brauche
dich nicht zu kennen, und dies zu sagen.
Nie hab ich die Gewißheit
meiner Wissenschaft mehr gefühlt, als in diesem Augenblick!
Wer kann ein solches menschliches Gesicht ohne Gefühl, ohne
Hingerissenheit, ohne Interesse ansehen - da nicht in dieser
Nase innre, tiefe, ungelernte Größe, und Urfestigkeit
ahnden!
Ein Gesicht voll Blick, voll Drang und Kraft.<<
Er
befühlte Leviathans Stirne, und fuhr fort. >>Erlaube
mir, mit meinem Stirnmesser die Wölbung deiner Stirne auszumessen.
- Ja eherner Mut ist so gewiß in der Stirne, als in den
Lippen wahre Freundschaft, Treue, Liebe zu Gott und den Menschen.
In den Lippen, welch eine vorstrebende entgegenschmachtende Empfindung!
Welch ein Adel im Ganzen.
Ja dein Gesicht ist die Physiognomie eines außerordentlichen
Mannes, der schnell und tief sieht, fest hält, zurückstößt,
würkt, fliegt - darstellt, wenig Menschen findet, auf denen
er ruhen kann, aber sehr viele, die auf ihm ruhen wollen.
Ach wenn ein gemeiner Mensch so eine Stirne, so eine Nase, so
einen Mund, ja nur solch ein Haar haben kann, so steht's schlecht
mit der Physiognomik.
Es ist vielleicht kein Mensch, den dein Anblick nicht wechselsweise
anziehe und zurückstoße - o der kindlichen Einfalt
und der Last von Heldengröße!
So gekannt, und mißkannt
werden wenige Sterbliche sein können.
Adler!
Löwe!
Zerbrecher!
Reformator der Menschen!
Steure
zu, und rufe die Sterblichen von ihrer Blindheit zurück,
teile ihnen deine Kraft mit, die Natur hat dich zu allen dem gestempelt,
was ich dir verkündige.<<
Faust biß wild die Zähne zusammen, während der
Mönch alle die herrlichen und erhabnen Sachen über das
Angesicht des Teufels begeistert herausstieß.
Der Teufel
wandte sich kalt zu dem Seher:
>>Und was hältst du von diesem hier?
<<
Mönch.
Groß, kühn, mächtig, kraftvoll,
sanft, mild; doch das Größte ist größer,
das Kühnre kühner, das Mächtigere mächtiger,
das Kraftvollere kraftvoller, das Sanftere sanfter, das Mildere
milder!
Großer, edler Schüler eines Größern,
wenn dein Geist und Herz ihn ganz fassen werden, so wird sein
Licht auch durch dich leuchten!
- Ich bitte euch, setzt euch,
daß ich euren Schatten nehme!
Faust, der noch mehr ergrimmte, daß ihn der Mönch so
tief unter den Teufel setzte, brach los:
>>Schatten! ja Schatten, die sind es, die du gesehen hast.
Wer bist du, der du dich so frech erkühnst, das Menschengeschlecht
nach den Zuckungen deiner erhitzten und verworrnen Einbildungskraft
zu richten und zu messen?
Hast du den Menschen gesehen?
Wo, wie
und wann?
Im Schatten hast du ihn gesehen, und diesen, ausstaffiert
mit den Floskeln deiner Phantasie, für seine wirkliche Gestalt
gegeben!
Sage, was für Menschen hast du gesehen?
Sektierer,
Fanatiker, Schwärmer, die Schlacken der menschlichen Natur.
Eitle Betschwestern, junge Weiber, die kraftlose Männer,
Witwen, die schlaflose Nächte haben.
Mädchen, die der
Kitzel des Bluts quälet, diese hängen sich an Leute
deinesgleichen, weil sie an nichts kräftigerm hängen
können, und mit dem Geiste buhlen müssen, weil ihre
Leiber nicht bepflügt werden.
- Autoren hast du gesehen,
denen es wohlgefiel, wenn du die flachen Züge ihres Gesichts
zu Merkzeichen des Genies stempeltest.
Große, deren glänzender
Stand und Name ihre Gesichter vor deinen Augen verherrlichten.
Du siehst, ich kenne deinen Umgang, und habe dein Buch gelesen.<<
Teufel.
Bravo, Faust, laß mich nun auch das Wort nehmen,
und ihm die Wahrheit lohnen.
Bruder Mönch! in deiner einsamen
Zelle hast du dir ein schales Ideal von Vollkommenheit zusammengesetzt,
es den Köpfen der Menschen einzuprägen gesucht, das
nun an den Kräften ihres Geistes zehrt, wie der Krebs am
angesteckten Fleische; oder ist es ein Zug neuer Scharlatanerie,
den Menschen durch den Köder der Eitelkeit an dich zu ziehen,
und deine sonstige Schwärmerei mehr auszubreiten?
Es hat
einst auch Menschen gegeben, die es wagten, von dem äußeren
des Menschen auf sein Innres zu schließen (das im Vorbeigehen
gesagt tiefer liegt, als der Mittelpunkt der Erde), aber es waren
andere Kerle wie du.
Sie hatten doch wohl einen Teil des Erdbodens
durchlaufen, waren unter Erfahrungen grau geworden, hatten mit
Menschen gehandelt und gewandelt, mit mehr als einem Weibe geschlafen,
die Schlupfwinkel des Lasters und der üppigkeit durchkrochen.
Stiegen aus dem Palast in die Hütte, krochen in die Höhlen
der Wilden, und wußten, was ohngefähr zu einem wackren
Kerl gehört, was er leisten kann, und was man seiner Natur
nach von ihm fordern muß.
Du starrst vor deinen Vorurteilen
zurück, und zitterst vor der raschen Tätigkeit des Menschen!
Hast dir ein Gespenst von Mönchs- und Weibertugenden zusammengesetzt,
mit Engelreinheit und Keuschheit behangen, das den Menschen just
um das bringt, was ihm noch einigen Wert gibt.
Der Mönch stund zwischen ihnen, wie zwischen zwei feuerspeienden
Bergen, hielt demütig die Hände vor die Brust, und schrie:
>>Erbarmt euch!
<<
Faust.
Höre weiter!
Du siehst auf dem Rücken der
Nase eines Burschen eine kleine Wölbung, die du einmal zum
Zeichen fleischlicher Sinnlichkeit geprägt hast, und er muß
dir ein Wollüstling sein, ob er gleich Hoden hat wie Erbsen,
und Gesäße, so flach wie deine Backen.
Da, wo du es
nicht ahndest, wohin du nicht greifen darfst, wovon du keinen
Schatten nehmen, und in Holz schneiden kannst, da sitzt es dem
Mann und dem Weibe, da ist nur zu oft die Waage ihrer Tugend.
Du hältst das Aufsteigen der üppigen, heißhungrigen
Gebärmutter für himmlische Begeistrung, siehst selige
Gefühle in den Augen der Matrone, während ihre Phantasie
mit Bildern der Wollust buhlt.
Drang nach edler Tätigkeit
auf der Stirne des Jünglings, während der Löwe
Temperament in ihm brüllt.
Wie willst du die Kraft
des Menschen abwägen, da du den gefährlichen, wilden
Kampf, den sie im Innern erregt, nie gefühlt hast?
wie bestimmen,
welcher Versuchung er unterliegen muß, da du dich bloß
mit Schatten genährt hast?
Was meinst du, wenn einer die
Floskeln, womit du deine Unerfahrenheit und Unwissenheit deckst,
in schlichten Menschensinn auflöste?
Was würde übrig
bleiben als Seifenblasen?
Der Teufel nahm das Wort: >>Und wie, wenn dir
alle die Schatten, womit du dein dickes Buch ausgeputzt hast,
in ihrer wahren Gestalt erschienen, wie ich dir nun erscheinen
will?
Ich habe gesehen, daß du auch den Teufel portraitiert
und gemustert hast, es ist hohe Zeit, daß er dir erscheine.
Sieh mich an!
ich will nun mein Inneres auf mein äußeres
ziehen, und du sollst in Staub vor dem Ideal hinsinken, das deine
Phantasie in mir gesehen hat.
Davon sahst du nichts, daß
dieser hier in deinen Schafstall gebrochen ist, und deine geistige
Lämmer erwürgt hat.
Sieh, er dampft vom Genuß
der Wollust - und nun blick auf, und sage dann, du habest einmal
ein Ding in seiner wahren Gestalt gesehen.<<
Hier zog der Teufel sein Inneres in der fürchterlichsten
Maske der Hölle hervor, stellte sich vor Fausten, daß
er ihn nicht beobachten konnte.
Der Mönch sank zusammen.
Der Teufel wandte sich zu Faust in seiner vorigen Gestalt, dann
wieder zu dem bebenden Mönch.
Teufel.
Nun sage, du hättest den Teufel gesehen, und
male ihn, wenn du die Kraft dazu hast.
Oft würdest du so
zusammensinken, wenn du das wahre Innere derer sähest, die
du als Engel gemalt hast.
Faust.
Sei ein Tor, und zeuge Toren; mache dich und die Religion
durch deine Schwärmerei den Verständigen zum Ekel, du
kannst nicht kräftiger für die Hölle arbeiten.
Auf der einen Seite erweckst du Verachtung, auf der andern Verzerrung.
Gehab dich wohl.
Der Mönch ward vor Schrecken wahnsinnig, schrieb aber in
seinem Wahnsinne immer fort, und die Leser merkten die Veränderung
seines Zustandes nicht einmal, so sehr glichen seine neuen Bücher
den alten.
Faust freute sich der Szene herzlich, und da er des Orts müde
war, so machte er sich mit dem Teufel auf den Weg nach dem lachenden
Frankreich.
Viertes Buch
1
Frankreich war nun freilich in diesem Augenblick so lachend nicht,
als es später geworden ist; noch hatte die Gewohnheit, sich
von Tyrannen beherrschen zu lassen, nicht so tief in den Herzen
der Franzosen Wurzel gefaßt, daß sie die Grausamkeiten
ihrer Regenten und deren Viziers, wie ihre Torheiten, in Gassenliedern
besangen, und dieses für gnügende Rache hielten.
Als
Faust und der Teufel den reichen Boden dieses Landes betraten,
seufzte es unter dem Druck des feigsten und grausamsten Wüterichs,
Ludwigs des Elften, der sich zum erstenmal den Allerchristlichsten
König nannte.
Der Teufel hütete sich sehr, Fausten etwas
von ihm vorher zu sagen; ihm war darum zu tun, sein Herz durch
scheußliche Erfahrung, Schlag auf Schlag zu zerknirschen,
ihm den Himmel, bei jedem Schritt im Leben, immer verdächtiger
zu machen, um ihm alsdann den fürchterlichsten Streich beizubringen,
der je einen Menschen getroffen, der übermütig gegen
die Grenzen seiner Natur angestoßen, die eine mächtige
Hand vor unsern Horizont gestellt hat.
Leider fand er in den Taten
der Menschen Stoff genug dazu, und weisere Leute als Faust haben,
ohne Gesellschaft des Teufels, an dieser gefährlichen Klippe
gestrandet, wenn sie einmal vergaßen, daß Ergebung
in sein Schicksal die erste Forderung der Natur an den Menschen
sei; oder wenn Güte und Nachsicht nicht den Grundstoff ihres
Wesens ausmachten, deren milder Schimmer allein die schwarzen
Gemälde der Welterfahrung aufheitern kann.
Es gibt einen
gewissen düstern, giftigen Atheismus des Gefühls, der
beinahe unheilbar ist, weil es ihm nie an reell scheinenden Ursachen
mangelt, weil er aus dem Herzen, und zwar aus einem Herzen entspringt,
das sich durch seine Stimmung und Fühlart zu leicht von den
widersprechenden Erscheinungen der moralischen und physischen
Welt zerreißen läßt.
Ein solches Herz zehrt,
durch seine Glut, den Verstand ebenso auf, wie das Fieber in einem
durch eine starke Wunde Verletzten.
Gegen diesen Atheismus ist
der der Vernunft eine Chimäre; denn der Mann, der denkt,
sucht Ursachen zu Wirkungen auf, und diese Beschäftigung,
da sie ihn endlich zu den Grenzen des menschlichen Geists leiten
muß, legt dem Kühnsten eine Fessel an, die ihn wenigstens
so weit bändiget, daß er nie gänzlich in das dunkle,
große Nichts verschleudert werden kann.
Vergebens ist die
Warnung: die moralische Welt hat ihre Aufrührer wie die politische,
und muß sie haben.
Wenn jene von der aus Schatten gebauten
Brücke, die sie aus der Sinnenwelt in die intellektuelle
zu ziehen streben, uns zur Lehre herunterstürzen, so ruft
uns das Opfer dieser zu, unsern Menschen-Wert nicht in allzuträger
Sicherheit zu verschlummern.
Man verzeihe mir die Ausschweifung.
- Faust wußte von Frankreichs Könige nichts, als daß
er sich den Allerchristlichsten nennen ließ; daß er
der erste sei, der die Vasallen seines Reichs gedemütigt,
und die Rechte der Krone gegen sie behauptet hätte, übrigens
von allen andern Höfen gefürchtet wurde, weil ihm jedes
Mittel zu seinem Zwecke gleich sei, und man kein Beispiel habe,
daß er sein Wort gehalten hätte, wenn nichts dabei
zu gewinnen war.
Er sollte nun Zeuge der Mittel werden, die er
zu seinen Zwecken anwendete.
Der Teufel hatte durch seine ausgesandten Kundschaftet erfahren,
daß der Allerchristlichste König soeben einen Staatsstreich
auszuführen gedächte, sich seines Bruders, des Herzogs
von Berry zu entledigen, um die ihm abgetretne Provinz der Krone
wieder einzuverleiben.
Er versäumte nicht, Fausten zum Zuschauer
dieser Szene zu machen.
Sie ritten an einem Lustwalde vorüber,
der an ein Schloß stieß, und sahen in demselben einen
Benediktinermönch, der sein Brevier zu beten schien.
Der
Teufel freute sich innig des Anblicks, denn er las auf der Stirne
des Mönchs, daß er soeben die Mutter Gottes anflehte,
ihm bei dem großen Unternehmen, das ihm sein Abt aufgetragen,
beizustehen, und ihn nach glücklichem Erfolge aus der Gefahr
zu erretten.
Dieser Mönch war der Bruder Faver Vesois, Beichtvater
des Bruders des Königs.
Der Teufel überließ ihn
seinen frommen Betrachtungen, und ritt mit Fausten nach dem Schlosse,
wo sie als Fremde von Stand, die gekommen waren, dem Prinzen ihre
Achtung zu bezeugen, gütig aufgenommen wurden.
Der Prinz
lebte auf diesem Schlosse, mit seiner geliebten Montserau, in
Ruhe und Vergnügen, dachte kein Arges, und erwartete kein
Arges.
Faust wurde von seinem angenehmen Betragen sehr eingenommen,
und freute sich, einen königlichen Prinzen zu sehen, der
als Mensch tat, und redete, da er bei den teutschen Fürsten
gewohnt war, nichts zu sehen, als steifen Stolz und hölzernes
Zeremoniell, das um so unerträglicher ist, da es jedem Verständigen
ihre Kleinheit und Schwäche nur merklicher macht.
Einige
Tage verstrichen unter Jagd und andern Ergötzlichkeiten,
und der freundliche Prinz zog Fausten immer mehr an sich.
Das
einzige, was ihm mißfiel, war die Neigung des Prinzen zu
seinem Beichtvater, dem Benediktiner.
Er überhäufte
diesen mit so vieler Zärtlichkeit und Freundschaft, ließ
seinen Willen so gefällig von ihm lenken, und der Mönch
beantwortete alles mit einer so frömmelnden Miene, daß
Faust nicht begreifen konnte, wie ein Mann von so offnem Betragen
eine solche heuchlerische Maske liebkosen könnte.
Der Teufel
enthüllte ihm durch das Verhältnis des Prinzen mit der
Dame Montserau bald dieses Rätsel.
Der Prinz hatte ebenso
viel Liebe für sie, als Furcht vor der Hölle, und weil
ihr Gemahl noch lebte, so machte es seine Lage mit ihr bedenklich.
Da er ihr also nicht entsagen, und doch der Hölle gern entgehen
wollte, so bediente er sich des bekannten Seitenwegs, den die
Mönche neben der Religion her gegraben haben, um ihre Macht
auf das Gewissen der Menschen zu gründen, und ließ
sich durch Absolution seiner Sünden die Zukunft zusichern,
wenn die Furcht vor der Hölle ihn zu stark überfiel.
Mußte er sich nicht dankbar gegen einen Menschen bezeigen,
der ihn des Gegenwärtigen genießen ließ, und
ihn über die Zukunft beruhigte?
>>Du siehst, Faust<<,
sagte der Teufel, >>was die Menschen aus der Religion gemacht
haben, und merke nur, daß sie bei jedem großen Verbrechen,
bei jedem scheußlichen Greuel entweder die Hauptrolle spielen,
oder doch die Spielenden über ihre Taten trösten und
beruhigen muß.<<
Dieser Umstand empfahl nun freilich den Verstand des Prinzen bei
Fausten nicht, der mit seinem Gewissen so rasch geendigt hatte;
die letzte Bemerkung des Teufels fiel tiefer in seine Seele; indessen
ließ er noch alles gehen, und genoß, was er der flüchtigen
Zeit nur entreißen konnte.
Man saß eines Abends sehr munter bei Tische; der Teufel
ergötzte die Gesellschaft mit lustigen Schwänken, Faust
warf sein Netz auf die künftige Nacht nach einer muntern
Französin, sie beantwortete sein Spiel nach seinem Wunsche,
alles war heiter, als auf einmal der fürchterliche Tod der
Freude ein Ende machte.
Der Benediktiner hatte eine Schüssel
der schönsten und größten Pfirsichen zum Geschenk
erhalten, die er zum Nachtisch auftragen ließ, und dem Prinzen
die köstlichste, mit einer lächelnden und frommen Miene,
hinreichte.
Der Prinz teilte sie mit seiner Geliebten, und sie
aßen beide die Pfirsiche ohne Verdacht.
Man stund auf.
Der
Mönch sprach das gratias tibi mit Salbung und verschwand.
Der Teufel wollte eben anfangen, eine neue Fratze zu erzählen,
als die Dame Montserau einen Schrei des heftigsten Schmerzes ausstieß.
Ihr schönes Gesicht verzerrte sich plötzlich.
Ihre Lippen
wurden blau, und die Blässe des Todes deckte ihre blühenden
Wangen.
Der Prinz wollte ihr zu Hülfe eilen, das fürchterliche
Gift würkte in demselben Augenblick in seinen Eingeweiden,
er sank bei ihr nieder, und rief zum Himmel: >>Höre es!
es ist die Hand meines Bruders, die mich durch diesen Verfluchten
tötet!
Er, der unsern Vater zwang, den Hungertod zu sterben,
um nicht von ihm vergiftet zu werden, er hat diesen Mönch
erkauft!
<<
Faust stürzte hinaus, um sich des Beichtvaters zu bemächtigen,
er war entflohen; einige Reiter hatten ihn am Lustwald empfangen,
und ihn auf seiner Flucht begleitet.
Faust kehrte zurück.
Schon hatte der Tod seine Opfer verschlungen, und lag auf ihnen
in schaudervoller Gestalt.
Faust und der Teufel überließen
ihm seine Beute, und zogen weiter.
Teufel.
Nun, Faust, braucht ihr des schwarzen Teufels, wie
ihr ihn nennt, da er in Mönchskutten auf der Erde herum spukt?
Wie gefällt dir der Streich dieses Benediktiners, den er
im Namen des Allerchristlichsten Königs hier ausgeführt
hat?
Faust.
Ha, bald sollt ich glauben, unsre Leiber werden von
den gefallnen Geistern der Hölle beseelt, und wir sind nur
ihre Werkzeuge.
Teufel.
Pfui des ekelhaften Loses für einen unsterblichen
Geist, ein so zweideutiges, mißgeschaffnes Ding zu beseelen!
Glaube mir, ob ich gleich ein stolzer Teufel bin, so würde
ich doch lieber in ein Schwein fahren, das sich im Kote besudelt,
als in einen von euch, die ihr euch in Lastern herumwälzet,
und stolz das Ebenbild des Höchsten nennet.
Faust.
Verfluchter!
der du den Menschen so tief herabwürdigestnospace;-
Teufel.
He, werde nicht zornig, Mensch! sage, würden
wir nicht an eurem moralischen Wert ersticken?
Kann der Teufel
das Licht eurer Tugend vertragen?
Ist dieser Mönch nicht
ein frommer Mann?
Sein Abt nicht ein frommer Mann, der ihm diese
Tat aufgetragen hat?
Ist der König nicht der Allerchristlichste
Monarch, und ein sehr guter Bruder, der dem Abt den Wink dazu
gegeben hat?
Wie sollte der Teufel in solchen frommen Leuten seine
Herberge wohl aufschlagen können?
Faust.
Was konnte den Elenden reizen, den Spruch der Verdammnis
auf sich zu ziehen?
Teufel.
Die Verdammnis ist weit entfernt, die Absolution
nahe, und noch näher die großen Güter, der Lohn
der Tat, die das Kloster des Abts zum mächtigsten und reichsten
in der Provinz machen.
Haben Mönche diesem Reiz je widerstanden,
seitdem sie die uns furchtbare Religion so verpfuscht haben, daß
die Hölle nun siegt, die einmal vor dem Ende ihrer Herrschaft
bebte?
Dieser Gedanke fuhr gleich einer Viper in den Busen Fausts.
Er
schwieg, und verlor sich immer tiefer in seinen finstern Betrachtungen
über den Menschen, seine Bestimmung, den moralischen Gang
der Welt, dessen Widersprüche er nicht ausgleichen konnte.
Die ihm täglich aufstoßenden Begebenheiten reizten
seine Galle, legten den Keim zu noch peinlichern Zweifeln, zu
Menschenhaß und Menschenverachtung an sein Herz, die gleich
dem Polypen nur langsam wachsen, und dann nur töten, wenn
sie das Herz so umsponnen haben, daß ihm der Raum, sich
auszudehnen, fehlt.
Sie zogen im Lande weit und breit herum, hatten
der Abenteuer viel, und Faust ließ sich noch nicht von seinen
finstern Betrachtungen im Genusse des Lebens stören.
überall
fanden sie Merkmale der Klaue des feigen Tyrannen, und Faust nutzte
oft die Schätze des Teufels, die blutenden Wunden zu stillen.
2
So kamen sie von Abenteuer zu Abenteuer nach Paris.
Bei ihrem
Eintritt war die ganze Stadt in Bewegung.
Das Volk stürzte
nur einen Weg, sie folgten dem Zuge und kamen zu den Hallen, wo
sie ein schwarzbedecktes Gerüste aufgeschlagen fanden, das
durch eine Türe mit einem nahen Gebäude verbunden war.
Faust fragte, was dieses bedeutete?
und man antwortete ihm, daß
soeben der reiche Herzog von Nemours hingerichtet würde.
>>Und die Ursache?
<< - >>Der König hat es befohlen.
Man sagt, er habe aus feindlichen Gesinnungen gegen das königliche
Haus den Dauphin umbringen wollen.
Da ihn aber vom Könige
beorderte Richter geheim in seinem Keficht verhört haben,
so weiß man nichts als das Gerücht.<<
Einer der
Anwesenden rief:
>>Sagt vielmehr, es seien seine Güter, die ihm den Hals
kosten; denn um ein mächtiger König zu werden, und uns
zu einer großen und berühmten Nation zu machen, ermordet
er unsre Großen, und uns obendrein, wenn wir es nicht für
gut halten.<<
Der Teufel ließ die Pferde nach einem nahen Wirtshause führen,
und leitete Fausten durch den Haufen.
Sie sahen den edlen Herzog,
von seinen unmündigen Kindern begleitet, nach einem schwarz
ausgeschlagenen Zimmer führen.
Hier erwartete ihn ein Mönch,
der seine letzte Beichte hören sollte.
Der Blick des Vaters
hing an seinen Söhnen, und konnte sich nicht von ihnen zu
dem Himmel wenden.
Nach der Beichte drückte er sie wider
seine Brust, sah dann gen Himmel, legte seine bebenden Hände
auf die Häupter der Schluchzenden, und sagte: >>Laß
den Segen eines unglücklichen Vaters, den Habsucht und Tyrannei
ermorden, diesen Unschuldigen gedeihen!
doch<< - hier
hielt er seufzend inne - >>sie sind die Erben eines Unglücklichen,
ihre Ansprüche verdammen sie zu langsamer Marter, sie sind
dem Weh geboren, und in diesem Gefühl muß ich sterben.<<
Er wollte weiter reden, man zwang ihn zu schweigen, und führte
ihn durch die Türe auf das Blutgerüste.
Nach dem Befehl des Königs, der diese Hinrichtung mit der
kalten Bedachtsamkeit eingerichtet hatte, wie man ein Schauspiel
zum Vergnügen anordnet, wurden die Söhne von ihm gerissen,
unter das Gerüst geführt, daß das Blut ihres hingerichteten
Vaters auf ihre weiße Gewänder träufle.
Der Schrei,
den der Vater in diesem Augenblick ausstieß, schauderte
durch die Herzen aller Anwesenden; nur Tristan, der Henker und
Busenfreund des Königs, der schon so viele Tausende seiner
Wut geopfert, befühlte dabei lächelnd die Schärfe
des Schwerts.
Faust glaubte, dieser Ton müsse die Feste des
Himmels durchdringen und ihn zum Rächer der verletzten Menschheit
machen.
Er sah grimmig aufwärts, und sein vermeßner
Blick machte den Höchsten zum Mitschuldigen der schaudervollen
Tat.
Er war einen Augenblick in Versuchung, ihn mit seinen Kindern
durch den Teufel den Händen des Henkers entführen zu
lassen, aber sein nun finstres Herz höhnte des Entschlusses,
er sah nochmals gen Himmel, und sagte in seinem Inneren: >>Ist
mir doch die Sorge für ihn nicht anvertraut; vermutlich gehört
es zu deiner Ordnung auf Erden, daß dieser blute, damit
der König mutiger in Verbrechen werde!
<< Der Herzog kniete
nieder, er hörte das Winseln und Klagen der Söhne unter
dem Gerüste hervor, das ihn in das andre Leben begleiten
sollte, sein eigner schmählicher Tod verschwand vor seinen
Augen, er fühlte zum letztenmal, und fühlte nur für
die Unglücklichen - starre Tränen hingen an seinen
Augen - seine Lippen zitterten - Der Henker führte den
Streich, und das warme Blut des Vaters rann über die bebenden
Söhne hin.
So befleckt, führte man sie auf die Bühne
zurück, zeigte ihnen den Leichnam, das davon getrennte Haupt
des Vaters, trieb sie in das Gefängnis zurück, wo sie
in Körbe gefesselt wurden, die oben weit und unten enge waren,
um sie in dieser peinlichen Lage langsam hinsterben zu lassen.
Ihre Marter zu vermehren, riß man ihnen zu Zeiten die Zähne
aus.
Faust wankte betäubt von dieser schrecklichen Szene nach
dem Wirtshaus, und forderte den Teufel zur Rache an dem auf, den
der Himmel unbestraft solche Greuel begehen ließ.
Teufel.
Faust, ich erwürge ihn nicht, es ist gegen die
Polizei der Hölle, und warum soll der Teufel diesen Grausamkeiten
ein Ende machen, da sie der geduldig ansieht, den die Menschen
ihren Vater und Erhalter nennen?
Vermutlich gehört dies zu
der Ordnung der moralischen Welt, daß die Könige, die
sich die Gesalbten des Himmels nennen, und von ihm ihre Einsetzung
erhalten zu haben vorgeben, so mit den Menschen, denen er sie
vorgesetzt, umspringen müssen.
Folgte ich deinem blinden
Zorn, wer von denen, die wir noch sehen werden, würde deiner
Rache entgehen?
Faust.
Und wäre es nicht ein verdienstliches Werk, wenn
ich gleich einem zweiten Herkules herumzöge, und Europas
stolze Throne von diesen Ungeheuern reinigte?
Teufel.
Kurzsichtiger, beweist nicht eure verdorbene Natur,
daß ihr sie braucht, und würden nicht neue Ungeheuer
aus ihrer Asche aufleben?
Des Mordens würde kein Ende werden,
die Völker sich trennen, und sich durch bürgerliche
Kriege aufreiben.
Du siehst Millionen hier, die diesen Wüterich,
wie sie ihn nennen, in Geduld ertragen, sich schinden lassen,
ohne von Rache entflammt zu werden.
Sahen sie nicht diesen edlen
Herzog hinrichten, wie ein Schaf, und genossen mit ängstlichem
und peinvollen Vergnügen des tragischen Schauspiels?
Beweist
dieses nicht, daß sie ihr Schicksal verdienen, und keines
bessern wert sind; daß sie als Sklaven des Himmels und ihrer
Natur das Joch ertragen müssen, wie man es ihnen auflegt?
Wenn dein Sinn durch die Wollust noch nicht ganz verraucht ist,
so reime dieses mit den Schulbegriffen deiner Moral zusammen,
ich bin kein Lehrer des Lichts in der Finsternis, die euch umgibt.
Ich kann meine Hand nicht an den Gesalbten legen, der so wacker
für die Hölle arbeitet, kann den Faden nicht zerreißen,
an welchem ein Mächtigerer wie ich durch ihn dieses Volk
leitet.
Faust.
Wie gewissenhaft auf einmal mein Teufel geworden ist!
Wie schnell warst du fertig, da ich dir auftrug, den teutschen
Fürsten zu erwürgen, ist dir der Franzose mehr wert?
Teufel.
Er war zu Verbrechen nicht gesalbt wie dieser hier,
und wenn ich deinen Wink erfüllte, so sah ich aus der Tat
Nutzen für die Hölle; einst wird es dir klar werden!
Warum willst du, daß ich gegen meine eigne Eingeweide wüten
soll?
Ist er es nicht, der den Grundstein zu dem Despotismus legt,
der durch Jahrhunderte wachsen, bisher unerhörte Greuel veranlassen,
und unzählige Opfer der Verzweiflung zur Hölle schicken
wird?
Werden nicht alle die tyrannischen Könige, ihre Minister
und die übrigen Blutsauger des Volks in den Pfuhl der Verdammnis
fahren?
Und ich sollte den zerstören, der ein solches Werk
gründet?
Faust, wenn der mächtige Satan in Frankreich
König wäre, so könnte er nicht mit fruchtbarerer
Hand den Samen zu dem künftigen Bösen aussäen,
wie dieser es tut.
Gedulde dich, du sollst diesen König sehen,
dich an seinen Martern ergötzen, und dann wirst du ihm langes
Leben wünschen, sie zu verlängern.
3
Faust machte einige Zeit hierauf mit einem sehr verständigen
und rechtschaffnen Edelmanne Bekanntschaft, und er nebst dem Teufel
gefielen ihm so wohl, daß er sie auf sein Landgut, nahe
bei der Stadt, einlud, wo er mit seiner Familie lebte, die aus
seiner Gemahlin, und seiner sehr schönen sechzehnjährigen
Tochter bestund.
Faust wurde von dem ersten Blicke des reizenden,
unschuldigen Mädchens bezaubert, und fühlte zum erstenmal
etwas von den süßen Qualen einer feinern Liebe.
Er
vertraute dem Teufel seine Pein, und dieser, der das Böse
so gern beförderte, als Faust es tat, bot ihm seine Hülfe
an, und spottete seiner Ziererei.
Faust aber, der auf einmal edel
zu fühlen glaubte, gestund ihm, es ginge ihm nah, dem Edelmann
seine Gastfreundschaft so schlecht zu vergelten.
Der Teufel spottete
seiner Bedenklichkeit noch mehr, und antwortete: >>Nun Faust,
wenn du die Einwilligung des Edelmanns zu dem Spaße brauchst,
so ist mir's um so lieber, denn ich fange auf einen Zug zwei Vögel,
und stehe dir für die Einwilligung.
Für was hältst
du ihn?
<<
Faust.
Für einen Biedermann.
Teufel.
Es ist doch schade, Faust, daß du bei dem teutschen
fanatischen Mönch nicht ein wenig in die Schule gegangen
bist.
Du hältst also diesen Edelmann für einen biedern
Gesellen?
Freilich ganz Paris denkt so von ihm, und leider muß
ich nun wieder in meiner ganzen schwarzen Teufelei erscheinen
- Was glaubst du, daß er vorzüglich liebt?
Faust.
Seine Tochter.
Teufel.
Ich kenne etwas, das er noch mehr liebt.
Faust.
Das wäre?
Teufel.
Gold, davon du freilich schon Beweise haben könntest;
da dir aber die Schätze der Erde durch mich offen stehen,
so gleichst du einem Strome, der sich ergießt, unbekümmert,
woher die Gewässer ihm zufließen, und wohin er sie
ausstößt.
Wieviel hast du schon an den Edelmann verspielt?
Faust.
Das berechne der, der den Quark für mehr hält
als ich.
Teufel.
Er, der dich betrogen hat, zählt es sorgfältiger
als ich.
Faust.
Betrogen?
Teufel.
Wie anders?
Würde er, der nie gespielt hat,
sonst mit dir spielen?
Er sah, was dir das Geld ist, und machte
seinen sichern Plan darauf.
Glaubst du, die Tafel würde so
gut bestellt sein, die Weine so wacker fließen, und die
Gäste, seine Gehülfen, dich zu rupfen, so zahlreich
um den Tisch dieses Geizigen sitzen, wenn dein Gold nicht diese
Wunder würkte?
Faust, in diesem Hause aß man sich vor
unserm Hiersein nie satt.
- Ich sehe an deiner Verwunderung,
daß du dein Lebenlang ein Verschwender warst, und von diesem
Durst nach Gold, der alle Wünsche des Herzens, selbst die
nötigen Bedürfnisse der Natur besiegt, keine Ahndung
hast.
Folge mir leise!
Sie gingen die Treppe hinunter, durchschlichen einige unterirdische
Gänge, und kamen endlich an eine eiserne Türe, wo der
Teufel zu Fausten sagte: >>Sieh durch das Schlüsselloch!
<<
In diesem Gewölbe, das der schwache Schein einer Lampe erleuchtete,
entdeckte Faust den Edelmann vor einem eisernen Kasten, in welchem
viele Säcke mit Geld lagen, die dieser mit zärtlichen
Augen ansah, und hierauf in einen leeren das Gold Stück für
Stück zählte, das er Fausten abgewonnen hatte.
Vorher
aber besah er jedes Stück, wog es in der Hand, küßte
es, rechnete zusammen, überzählte mit vielem Genuß
den ganzen Schatz, seufzte am Ende beklommen über das, was
ihm noch mangelte, die Zahl rund zu machen.
Der Teufel lispelte
Fausten ins Ohr:
>>Um das Fehlende verkauft er dir die Tochter.<<
Faust wollte es nicht glauben; dieses verdroß den Teufel,
und er sagte ungeduldig:
>>Nun, wenn ich dir zeigte, daß das Gold eine so unwiderstehliche
Macht über das Herz des Menschen hat, daß in diesem
Augenblick einige Väter und Mütter aus der Stadt, in
dem ganz nahen Gehölze, mit einigen Abgesandten des Königs
in Unterhandlung sind, ihnen ihre Säuglinge zu verkaufen,
ob sie gleich wissen, daß sie ermordet werden, und der kränkelnde
König ihr Blut trinkt, in dem Wahne, sein scharfes und veraltetes
Geblüt durch ihr süßes und gesundes zu verjüngen.<<
Faust, schaudernd. So ist die Welt die Hölle,
und ich will ihr mit Freuden entfliehen.
Und der König trinkt
wissend diesen schaudervollen Trank?
Teufel.
Der Arzt, der sein Tyrann ist, und sich bereichert,
hat ihn verordnet, und der Beichtvater es unsträflich gefunden,
wenn es dazu dienen kann, Seiner Majestät kostbare Tage zu
verlängern.
Sie eilten nach dem Gehölze, verbargen sich hinter dickes
Gesträuch, und sahen die Abgeordneten des Königs mit
einigen Bürgern und dem Priester des Kirchspiels in Unterhandlung.
Vier kleine Kinder lagen vor ihnen im Grase, eins derselben schrie
erbärmlich, die Mutter koste es, und legte es an die Brust,
um es zu stillen.
Die andern krochen auf den Bäuchen, und
spielten mit den Blumen.
Die Abgeordneten zählten den Männern
das Gold auf die Hand, der Pfarrer empfing seinen Teil, und man
lieferte die Kinder aus.
Noch lange hörte man die armen Kinder
durch den Wald schreien, die Mütter heulten, aber die Männer
sagten ihnen: >>Hier ist Gold, laßt uns in die Schenke
gehen, und uns Mut trinken, andre zu machen.
Man sagt, der König
fresse die Kinder; besser er frißt sie jung, als daß
er sie alt schindet, oder sie in einen Sack genäht in die
Seine werfen läßt, wie er tausenden getan hat.
Laßt
früh sterben, was zum leiden geboren ist; wahrlich es wäre
besser für uns gewesen, wenn sein Vater uns jung gefressen
hätte.<<
Der Pfarrer tröstete sie, und sagte:
>>Es sei ein verdienstliches Werk, und der Mutter Gottes,
welcher der König so sehr zugetan sei, gefällig.
Auch
seien die Untertanen für den König geboren; und da er
an Gottes Statt über sie auf Erden herrschte etc.<<
-
Wer mag den Unsinn ausführen?
So gingen sie nach der Schenke,
versoffen einen Teil des Blutgelds, und sparten den andern auf,
dem Könige die Termine zu bezahlen.
Der Teufel sah Fausten höhnisch an: >>Zweifelst du noch,
ob dir der Edelmann die Tochter verkaufen wird, die du doch wenigstens
nicht fressen wirst?
<<
Faust.
Bei der schwarzen Hölle, die mir in diesem Augenblick
ein Paradies gegen die Erde zu sein scheint, ich will von nun
an allen meinen Begierden den Zügel schießen lassen,
und bei Zerstörung und Verwüstung glauben, ich arbeitete
in dem Sinne dessen, der die Menschen so ungeheuer geschaffen
hat.
Eile, kaufe ihm die Tochter ab, sie ist der Zerstörung
geweiht, wie alles, was Otem hat.
Dieses war die Laune, worin der Teufel Fausten längst zu
sehen wünschte, um ihn zum Ziel zu fördern, und der
lästigen Bürde los zu werden, der Sklave eines so verächtlichen
Dinges zu sein, als der Mensch ihm schien.
Noch denselben Abend
fing er an, den Edelmann zu stimmen, und sprach vorsätzlich
von ihrer nahen Abreise; den folgenden Morgen warf er ihm bei
einem Spaziergange die goldne Angel hin, der Gierige schnappte
darnach, wollte sie aber noch nicht fassen, und machte die gewöhnlichen
Paraden der Tugend - der Teufel stieg bei jeder heuchlerischen
Floskel in der Summe, stieg endlich so hoch, daß der Edelmann
in seinem Herzen des Toren lachte, der sein Gold so unsinnig verschwendete.
Der Vertrag ward gemacht, der Vater ließ Fausten in das
Zimmer seiner Tochter ein und dachte ihr Heuratsgut auf eine Art
erbeutet zu haben, wovon ihr künftiger Mann nichts merken
würde.
Das Mädchen war in der ersten Blüte der
Jugend, Faust hatte durch den Umgang mit den Weibern erlernt,
sie zu betören, und da er ihr beweisen konnte, daß
ihr Vater selbst zu ihrem Falle mitwirkte, so tat die Natur das
übrige.
Der Vater schlich indessen mit dem Geldsack und einer Lampe heimlich
nach seinem, jedermann unbekannten Gewölbe.
Das Herz klopfte
ihm vor Freude, einen Sack zu füllen, und endlich die Summe
seines Schatzes zu runden.
Aus Furcht, belauscht zu werden, und
im Taumel der Freude schlug er die Türe hinter sich hastig
zu, ohne den Schlüssel abgezogen, und zu sich gesteckt zu
haben.
Die Lampe verlosch durch den heftigen Schlag, und er sah
sich auf einmal mit seinem Golde auf dem Arme in dicker Finsternis.
Die Luft im Gewölbe war schwer und dumpfigt, und drückte
bald auf seine Brust.
Nun ward er erst gewahr, daß er den
Schlüssel außen gelassen hatte, und Todesangst schoß
kalt durch sein Herz.
Noch hatte er Kraft und Instinkt genug,
seinen Kasten zu finden, er legte das Gold hinein, kroch tappend
zu der Tür zurück, und überlegte, ob er klopfen
oder schreien sollte.
Es entstund ein peinlicher Kampf in seiner
Seele, er war in Gefahr, sein Geheimnis zu verraten, oder aus
dieser Gruft sein Grab zu machen.
Lange hätte er rufen mögen;
dieses Gewölbe war mit dem bewohnten Teil des Hauses außer
aller Verbindung, und er wußte die Zeit so gut zu wählen,
daß ihn bisher noch niemand bemerkt hatte, wenn er zu seinem
Gott schlich.
Nachdem er lange gekämpft hatte, ohne sich
entschließen zu können, nahm das Bangen seines Herzens
durch die schrecklichen Vorstellungen, und die schwere, verschloßne
Luft so zu, daß es sein Gehirn verwirrte.
Er sank nieder,
kroch zu seinem Kasten zurück, umfaßte ihn, und fing
bald an zu wüten.
Hier kämpfte er mit der Verzweiflung,
und dem scheußlichsten Tod, während seine Tochter,
deren Unschuld er für das Gold, auf welchem er nun winselte,
verkauft hatte, Faust den Lohn seiner Sünde abtrug.
Nach
einigen Tagen, da man schon alle Winkel vergebens durchsucht hatte,
führte der Zufall einen Diener nach dem Gewölbe.
Man
öffnete es, und fand den Verzweifelten blau und schwarz,
in der scheußlichsten Verzerrung auf seinem Schatze.
Er
hatte in der Wut das Fleisch von seinen Armen gefressen, um den
wilden Hunger zu stillen.
Der Teufel erzählte Fausten, auf
ihrem Rückweg nach Paris, den Ausgang der Geschichte, und
dieser glaubte, daß sich doch einmal die Vorsehung gerechtfertigt
hätte.
4
Der Teufel hatte ausgespäht, daß das Parlament über
einen Fall richten würde, der so unerhört war, und die
Menschheit so sehr beschämte, daß er es schicklich
für seinen Plan hielt, Fausten zum Zuhörer davon zu
machen.
Die Sache war diese: Ein Wundarzt befand sich in der Nacht
mit seinem treuen Diener unweit Paris auf der Landstraße.
Er hörte in der Nähe das Winseln und ächzen eines
Menschen.
Sein Herz zog ihn nach dem Orte hin, wo er einen lebendig
geräderten Mörder antraf, der ihn um Gottes Willen bat,
ihn zu töten.
Der Wundarzt schauderte zurück, und als
er sich von seinem Schrecken erholt hatte, fuhr der Gedanke durch
seinen Sinn: ob es nicht möglich sei, diesen Unglücklichen,
durch seine Kunst, wieder herzustellen.
Er sprach mit seinem Diener,
nahm den Mörder von dem Rade herunter, legte ihn sanft auf
seinen Wagen, führte ihn nach seiner Wohnung, und unternahm
seine Heilung, die glücklich vonstatten ging.
Er hatte erfahren,
daß das Parlament hundert Pfund dem zur Belohnung ausgesetzt
hätte, der es anzeigen würde, wer diesen Mörder
vom Rade genommen.
Beim Abschied entdeckte er dem Mörder
dieses, gab ihm Geld zur Reise, und riet ihm, sich ja nicht in
Paris aufzuhalten.
Das erste, was dieser Elende tat, war hinzugeben,
seinen Wohltäter bei dem Parlament anzugeben, um die hundert
Pfund zu erhalten.
Die Wangen der Richter, die so selten erblassen,
wurden bleich bei dieser Anzeige, denn er gestund grade zu, er
selbst sei jener Mörder, den das Parlament auf der Stelle,
wo er das Verbrechen begangen, hätte rädern lassen.
Der Wundarzt wurde vorgefordert, und der Teufel führte Fausten
in diesem Augenblick in die Galerie, da dieser erschien, ohne
ihm vorher etwas von dem Vorfall zu sagen.
Das Gericht meldete
dem Wundarzt die gegen ihn vorhandene Anklage.
Er, der seines
Dieners gewiß war, leugnete sie standhaft.
Man bedeutete
ihm, sich zu bedenken, weil man Zeugen vorführen könnte,
die ihn überführen würden.
Er forderte die Richter
dazu auf.
Man öffnete eine Seitentüre, der Mörder
trat kalt und frech herein, stellte sich vor ihn, und wiederholte
seine Anzeige mit allen Umständen.
Der Wundarzt schrie: >>Was
hat dich, Ungeheuer, zu diesem scheußlichen Undank gereizt?
<<
Mörder.
Die hundert Pfund, wovon Ihr mir sagtet, da
Ihr mich entließet.
Glaubt Ihr, daß mir mit meinen
gesunden Gliedern allein gedient sei?
Ich ward für einen
Mord gerädert, den ich um dreißig Pfund beging, soll
ich nicht hundert durch eine Anzeige zu verdienen suchen, wobei
ich selbst nichts wage?
Wundarzt.
Undankbarer!
Dein Winseln und ächzen rührte
mein Herz.
Ich nahm dich schaudernd vom Rade, besorgte, verband
und heilte deine Wunden, nährte dich mit eigner Hand, solange
du deine zerschlagne Glieder nicht brauchen konntest, gab dir
Geld, das du noch nicht verzehrt haben kannst, um heim zu reisen,
offenbarte dir, um deinetwillen, die Bekanntmachung des Gerichts,
und ich schwöre bei dem lebendigen Gott!
hättest du
mir dein teuflisches Vorhaben vertraut, ich wollte eher alles
bis auf mein Hemde verkauft haben, dir die hundert Pfund auszuzahlen,
damit der Menschheit dieses abscheuliche Beispiel von Undank ewig
ein Geheimnis geblieben wäre.
- Ihr Herren, richtet zwischen
ihm und mir, ich erkenne mich der Anklage schuldig.
Präsident.
Ihr habt die Justiz gröblich beleidigt,
da Ihr den zu erhalten suchtet, den das Gesetz um der Sicherheit
der Bürger willen verdammt hat; doch diesmal soll die strenge
Gerechtigkeit schweigen, und die Menschheit allein zu Gerichte
sitzen.
Euch werden die hundert Pfund, und der Mörder werde
noch einmal gerädert.
Faust, der während des Verhörs schnaubte und glühte,
brach in ein schallendes Bravo aus, das die Galerie wiederholte.
Der Teufel, welcher merkte, daß der letzte Eindruck den
ersten verwischen wollte, führte ihn schnell zu einer andern
Szene.
5
Einige Wundärzte, Doktoren der Medizin, Philosophen und Naturkundiger
hatten eine geheime Gesellschaft geschlossen, Untersuchungen über
den Nervensaft, den Mechanismus des Körpers, und der Würkung
der Seele auf die Materie anzustellen.
Um ihrer Neugierde und
ihrem Forschungsgeist Gnüge zu leisten, lockten sie unter
allerlei Vorwand arme, unbedeutende Leute nach einem, von der
Stadt abgelegnen, Hause, dessen obern Teil sie so eingerichtet
hatten, daß man weder von außen noch von innen wahrnehmen
konnte, was darinnen vorging.
Hier banden sie diese Unglücklichen
mit Stricken auf einen langen Tisch, legten ihnen ein Querholz
in den Mund, lösten ihnen eine Haut nach der andern ab, entblößten
ihre Muskeln, Nerven, ihr Herz, Gehirn, und zerlegten sie bei
lebendigem Leibe, mit eben der Kälte und Aufmerksamkeit,
als man einen unempfindlichen Leichnam anatomiert.
Um recht hinter
das, was sie suchten, zu kommen, nährten sie diese Elenden
gewaltsam mit stärkenden Brühen, und ließen sie
viele Tage lang unter Messerschnitten und langsamen Zerreißen
der Bande des Lebens des peinlichsten Tods hinsterben.
Der Teufel
wußte, daß sie eben versammelt waren, und sagte zu
Faust: >>Du hast einen Wundarzt gesehen, der aus Menschenliebe
oder Neigung für seine Wissenschaft den geräderten Mörder
heilet; ich will dir nun Naturkündiger zeigen, die, um Geheimnisse
zu erforschen, die ihr nie ergründen werdet, ihre Brüder
lebendig schinden.
Du scheinst zu zweifeln?
Komm und überzeuge
dich.
Wir wollen zwei Doktoren vorstellen.<<
Er führte ihn in das entlegne Haus, sie traten in das gewölbte
Arbeitszimmer, das kein Tageslicht erleuchtete.
Hier sahen sie
die Naturkündiger einen dieser Unglücklichen, dessen
Fleisch unter ihren Händen zitterte, und dessen aufgerißne
Brust unter dem peinlichsten Schmerz sich hub, zerschneiden, und
hörten sie über ihre Entdeckungen reden und streiten,
als wenn sie eine Blume zergliederten.
Sie waren mit ihrem Gegenstand
so beschäftigt, daß sie den Teufel und Fausten nicht
einmal wahrnahmen.
Faust fühlte Zuckungen in all seinen Nerven,
er stürzte hinaus, schlug sich vor die Stirne, und gebot
dem Teufel, das Haus über die Köpfe dieser Ungeheuer
zusammenzuwerfen, daß ihre Spur von der Erde vertilgt würde.
Teufel.
Faust, warum rasest du?
Fühlst du denn nicht,
daß du eben auf die Weise in der moralischen Welt verfährst,
wie diese in der physischen?
Sie schneiden in das Fleisch der
Lebenden, und du wütest durch meine zerstörende Hand
in der ganzen Schöpfung -
Faust.
Verworfner! denkst du, mein Herz sei schon Stein geworden?
Gefällt dir das Metzeln dieser Unglücklichen?
Auf! ich
kann die Raserei, die in meiner Brust und in meinem Gehirne glüht,
nur durch Rache kühlen.
Mein ganzes Wesen löset sich
vor der Vorstellung des Leidens dieser Unglücklichen auf.
Die Qualen des ganzen Menschengeschlechts überfallen mich
in diesem Augenblick.
O ich fühle, daß es Unsinn ist,
da ich ihre Tränen nicht trocknen, ihre Wunden nicht heilen
kann; aber rächen will ich sie an diesen Ungeheuern.
Auf,
zerstöre, und schnell! daß nicht einer überbleibe!
Eile, oder ich wüte meinen Zorn an dir aus.
Der Teufel, der ihm mit Vergnügen gehorchte, erschütterte
den Grund des Gebäudes, es stürzte krachend zusammen,
und zerschmetterte die Ungeheuer.
Der empörte Faust eilte
nach Paris zurück, ohne auf den Wink zu merken, den ihm der
Teufel gegeben hatte.
6
Faust hatte so viel von den Kefichen gehört, die der Allerchristlichste
König hatte verfertigen lassen, die ihm verdächtigen
und gefährlichen Personen einzusperren, daß er dem
Teufel befahl, Anstalt zu machen, damit er sie in Augenschein
nehmen könnte.
Dieses war ein Schauspiel, das ihm der Teufel
gern verschaffte, und ob es gleich bei Todesstrafe verboten war,
keinen hinzu zu lassen, so öffnete doch die Beredsamkeit
des Teufels, die so mächtig von seinen Fingern floß,
das Kastell.
Sie fanden dort Kefiche von Eisen, die rundum mit
dergleichen Stangen versehen waren, und worinnen ein Mensch grade
aufrecht stehen konnte.
An die Füße der Elenden, denen
diese traurige Wohnung angewiesen war, hatte man schwere Ketten
geschmiedet, an die eine große Kugel befestigt war.
Der
Aufseher vertraute ihnen, daß der König oft in gesunden
Tagen in dieser Galerie herumspaziert sei, um sich an dem Gesang
seiner Nachtigallen, wie er sie nannte, zu ergötzen.
Faust
fragte einige der Unglücklichen um die Ursache ihrer schmählichen
Gefangenschaft, und hörte Geschichten, die das Herz zerreißen.
Unter andern tat er an einen ehrwürdigen Greis dieselbe Frage,
und dieser antwortete in einem kläglichen Tone:
>>Ach, wer Ihr auch seid, so laßt Euch mein grausames
Schicksal zur Warnung dienen, nie Eure Hände einem Tyrannen
zu Grausamkeiten zu leihen.
Ihr seht in mir den Bischof von Verdun,
jenen Unglücklichen, welcher zuerst dem grausamen Könige
den Gedanken von diesen scheußlichen Kefichen beigebracht
hat, und der den ersten verfertigen ließ, damit einer seiner
Feinde hineingesperrt würde.
Der König ließ sogleich,
nach dem von mir gegebenen Muster, zwei machen, und wies mir,
dem Erfinder, den ersten zur Wohnung an.
Hier büße
ich nun schon vierzehen Jahre für meine Sünde, und flehe
täglich den Tod, meiner Marter ein Ende zu machen.<<
Faust.
Ha! ha!
Ew.
Ehrwürden hat also, gleich einem
zweiten Perillus, auch seinen Phalaris gefunden.
Ihr wißt
doch die Geschichte?
- Ihr schüttelt den Kopf - nun zum
Zeitvertreib will ich sie Euch erzählen.
Dieser Perillus (der nebenher weder ein Bischof noch ein Christ
war) goß einen ehernen Ochsen, den er dem Tyrannen Phalaris
als ein Meisterstück zeigte, und ihn versicherte, er habe
ihn so zugerichtet, daß wenn seine Majestät einen Menschen
hineinstecken, und ihn durch untergelegtes Feuer glühend
machen ließe, das Geschrei des geplagten Menschen das Brüllen
eines Ochsen ganz genau nachahmen würde, welches Seiner Majestät
viel Vergnügen machen könnte.
Phalaris antwortete: >>Wackrer
Perillus, es ist billig, daß der Künstler sein Werk
selber probe!
<< Hierauf mußte der Künstler in den
Ochsen kriechen, es ward Feuer darunter gelegt, er brüllte
wie ein Ochs, und so spielte vor tausend Jahren Phalaris die Geschichte,
die der Allerchristlichste König mit Euch, Ehrwürdiger
Bischof von Verdun, nur wiederholt hat.
Bischof.
O hätt ich doch dieses Beispiel früher
gewußt, es sollte mir zur Warnung gedient haben.
Faust.
Da seht Ihr, Ehrwürden, daß zu Zeiten die
Geschichte auch einem Bischofe nutzen kann.
Laßt Euch die
Zeit nicht lang werden; über das Schicksal dieser Unglücklichen
weint man, und über das Eure lacht man.
7
Faust wollte nun diesen König sehen, dessen scheußliche
Taten seine Einbildungskraft so erhitzt hatten, daß er sich
ihn kaum unter einer menschlichen Gestalt vorstellen konnte.
Der
Teufel stellte ihm die Unmöglichkeit vor, in das Schloß
Plessis du Parc, worin Feigheit und Furcht den Tyrannen gefangen
hielten, in ihrer wahren Gestalt zu dringen, und setzte hinzu,
daß außer den nötigen Dienern, seinem Quäler
dem Arzt, seinem Beichtvater, und seinem Freund dem Henker, nebst
einigen Astrologen, kein Mensch ohne besondere Erlaubnis eingelassen
würde.
Faust.
So laß uns andre Gestalten annehmen.
Teufel.
Gut, ich will zwei seiner Trabanten entfernen, und
wir wollen ihren Dienst unter ihrer Gestalt verrichten, um diesen
König und sein Glück in der Nähe zu beobachten.
Der Augenblick, den Elenden zu sehen, ist trefflich.
Die Furcht
vor dem Tode rächt schon vor der Hölle seine Taten an
seinem feigen Herzen, und in dieser Marter sinnt er Tag und Nacht,
wie er ihn entfernen mögte, zieht ihn dadurch immer näher,
und sieht ihn jede Sekunde scheußlicher.
Komm, ich will
dich zum Zeugen seines Jammers machen.
Der Teufel führte seinen Vorschlag aus, und sie stunden beide
als Trabanten im Inneren des Schlosses, wo die Stille des Grabes
wohnte, und die schaudervollen Schrecken des Todes herumschwebten.
Hierher hatte sich der verbannt, vor dem Millionen bebten, um
der Rache der Verwandten der Ermordeten, der Furcht vor seinem
Sohne, in dem er den Rächer seines Vaters zu sehen glaubte,
auszuweichen.
Dem Auge seiner Untertanen konnte er in dieser peinlichen
Gefangenschaft entfliehen; aber ihm folgten die Qual seines Herzens,
das Leiden seines Körpers; umsonst ermüdete er den Himmel
mit Flehen um Gesundheit und Ruhe, vergebens suchte er ihn mit
Geschenken an Heilige, Priester und Kirchen zu bestechen, umsonst
behing er seinen siechen, kraftlosen Körper mit Reliquien
aus allen Teilen der Erde; der Gedanke: du mußt sterben!
nagte gleich einer giftigen Schlange in seinem geängsteten
Busen.
Kaum wagt er aus seinem Zimmer zu gehen, weil er fürchtet,
in jedem, auf den er stößt, einen Mörder zu finden.
Treibt ihn die Angst in die freie Luft, so bewaffnet er sich mit
Dolch und Speer, und hüllt sein zusammengeschrumpftes Gerippe
in prächtige Kleider, um ihm einen gelognen Glanz zu geben,
zeigt sich nur von weitem, damit das Auge der ferne Stehenden
nicht die Maskerade wahrnehme.
Tag und Nacht blickt er angstvoll
durch die Schießlöcher des Turms, ob keine Feinde nahen,
seinem traurigen Leben ein Ende zu machen.
Vierhundert Trabanten
wachen unaufhörlich um die düstre Höhle des abgelebten
Wüterichs, der sein Dasein nur noch durch Grausamkeiten zu
erkennen gibt.
Ihr dumpfer Zuruf erschallt jede Stunde dreimal,
von Posten zu Posten, durch die einsame Stille, und jeder Schrei
erinnert den Tyrannen an seine schreckliche Lage.
Das Feld um
das Schloß ist mit Fußangeln bestreut, damit keine
Reuterei nahen kann, es zu überfallen.
An den innern Mauern
hängen Ketten, an welche große und schwere Kugeln geschmiedet
sind, um seine gepeinigte Diener zu fesseln, wenn sie etwas verabsäumen.
Rund um das Schloß sind Galgen aufgerichtet, und sein einziger
wahrer Freund, der Henker Tristan, geht forschend umher, Opfer
auszuspähen, um die Angst des Tyrannen durch ihre Hinrichtung
zu mindern, denn in jedem Verurteilten sieht er einen Feind seines
Lebens weniger.
Zu Zeiten schleicht er hinter die Scheidewand
neben der Folterkammer, um die Bekenntnisse der Verdächtigen
zu belauschen, ergötzt sich an ihren Qualen, und findet Trost
für die seinigen darinnen.
Bedeckt mit Reliquien, an seinem
Hut ein bleiernes Bild der Mutter Gottes, seiner vermeinten Beschützerin,
trinkt er das Blut der ermordeten Säuglinge, läßt
sich von seinem Arzt martern, dem er monatlich zehntausend Taler
bezahlt, bestürmt den Himmel mit unablässigem Gebet,
stirbt jeden Seigerschlag, und vermehrt bei jedem seiner Gedanken
die Schrecken des Todes, dessen Namen auszusprechen bei Strafe
des Hochverrats verboten ist.
So zeigte der Teufel Fausten den gefürchteten Ludwig, und
Fausts Herz ergötzte sich an der Blässe seiner Wangen,
an den Furchen, die die Angst auf seine Stirne gegraben.
Er weidete
sich an seinem Todesschweiß, an seinem beklommnen Atem,
und sättigte sich an seiner Qual.
Schon wollte er dem ekelhaften
Aufenthalt entfliehen, als ihm der Teufel ins Ohr raunte, den
kommenden Tag abzuwarten, eine besondre Szene anzusehen.
Der König
hatte vernommen, daß in Kalabrien ein Eremit Martorillo
lebte, den man in ganz Sizilien als einen Heiligen verehrte.
Dieser
Tor hatte von seinem vierzehenden bis zu seinem vierzigsten Jahr
auf einem spitzen Felsen gelebt, seinen Körper durch Fasten
gemartert, und seinem Geiste alle Nahrung versagt; aber der Schein
des Heiligen bedeckte den Dummkopf, und er sah bald die Fürsten
wie den Pöbel zu seinen Füßen.
Um diesen außerordentlichen
Mann hatte Ludwig den König von Sizilien gebeten, und hoffte
seine Genesung von ihm.
Er war nun eben auf dem Wege, und da er
zugleich dem Könige die Erlaubnis von dem Papst mitbrachte,
seinen ganzen Leib mit dem heiligen öle von Reims schmieren
zu dürfen, so glaubte er bald alle Schrecken des Todes zu
besiegen.
Der glückliche Tag erschien, der kalabrische Bauer
nahte dem Schlosse, der König ging ihm bis an das Tor entgegen,
fiel ihm zu Füßen, küßte seine Hände,
und bat ihn um Leben und Gesundheit.
Der Kalabrer spielte seine
Rolle so, daß Faust sich nicht enthalten konnte, bei der
Farce in ein lautes Gelächter auszubrechen.
Schon wollte
ihn Tristan mit seinen Helfern ergreifen; es war um sein Leben
geschehen, der Teufel entriß ihn ihren Klauen, und flog
mit ihm davon.
Als sie in Paris angekommen waren, sagte Faust
zu dem Teufel:
>>Dieses feige, niederträchtige, abergläubische,
bebende Ding ist es also, vor dem die kraftvollen Söhne Frankreichs
zittern, und von dem sie sich ohne Widerstand erwürgen lassen?
Ein Totengerippe in Purpur gehüllt, das kaum noch den Wunsch
zu leben aus der Brust hervorkeichen kann?
Und sie beben vor ihm,
als ob ein gewaltiger Riese, dessen furchtbarer Arm von einem
Ende des Reichs zu dem andern reichte, auf ihrem Nacken säße!
Treten doch die feigsten Tiere vor die Höhle des Löwen,
wenn kraftloses Alter den Räuber fesselt, und spotten des
unvermögenden Würgers.<<
Teufel.
Dadurch eben unterscheidet sich der König der
Menschen von dem Könige des Waldes.
Dieser ist nur furchtbar,
solange er Kräfte hat; aber da jener die Kräfte seiner
Sklaven an seinen Willen bindet, so ist er gleich stark, er liege
an der Gicht oder stehe in blühender Jugend an der Spitze
der Heere.
Fühlst du nun bald, daß es Wahn ist, der
euch in allem leitet, euch zu Sklaven macht, eure Ketten zerbricht,
und euch wiederum neue schmiedet.
So treibt ihr euch im ewigen
Kreise herum, und ihr seid verdammt, immer den Schatten für
das Wesen zu ergreifen.
Damit nicht zufrieden, Unterworfne der
Natur, eurer Leidenschaften und grenzlosen Begierden, eines unsichtbaren,
strengen Herrns zu sein, müßt ihr euch, um bestehen
zu können, und euch nicht in eurer Wut zu zerfleischen, einen
euch nähern Tyrannen wählen, und damit euch dieser ohne
Gefahr für ihn mißbrauchen möge, leitet ihr seine
Rechte von dem ersteren ab.
Dies war wohl das äußerste
Maß eures Unsinns, ein Ding, das euch gleicht, zu vergöttern!
Hadere mit dem, von dem sie diese Rechte erhalten haben wollen.
Faust.
Fasse es, wer da kann!
Er schlug wider seine Stirne,
und seine Brust. Dieses hier, und dieses da stehen im Widerspruch
mit allem, was ich sehe, vernehme und fühle.
Finstre Gedanken,
wie plagende Dämonen der Nacht, ziehen in meinem Gehirne
herum, und oft dünkt mich, die moralische Welt würde
von eben einem solchen Dinge beherrscht, wie dieser Elende eines
ist.
Er mordet ohne Form und Recht, und so wird der Mensch gleich
dem Stier gefällt, ohne zu wissen, warum er bluten muß.
Faust fuhr in dieser Laune fort, und spann seine dunkle Gedanken
und Gefühle bis ins Abscheuliche aus.
Der Teufel ergötzte
sich, da er ihn seinem Zwecke nahen sahe, stimmte ihn zu fernerm
Herumstreifen, um ihn durch neue Szenen noch mehr zu verwirren.
Als sie aus Paris ritten, sagte der Teufel:
>>Schon wittre ich die künftigen ungeheuren Taten, die
diese blühende Stadt erschüttern werden.<<
Auf dem Wege nach Calais sagte er oft:
>>Bald werden diese Felder durch Bürger- und Religionskriege
mit Leichen besäet werden.
Jahrhunderte wird der Geist der
Zwietracht wüten, und wenn der Despot des Mordens sollte
müde werden, so wird ihn der Priester auf Befehl des Himmels
zu noch schrecklichem Greueln reizen.<<
8
Faust und der Teufel flogen über den Kanal, und kamen in
dem Augenblick in London an, als sich der häßliche,
mißgeschaffne Herzog Gloster zum Protektor des Reichs aufwarf,
und mit allen Kräften arbeitete, seines Bruders, des verstorbenen
Königs Sohn, der Krone zu berauben.
Den Vater hatte er mit
Gift aus dem Wege geräumt, und die Königin, die sich
bei der Entdeckung seiner Absichten nach der Westmünsterabtei
mit ihren Kindern flüchtete, schon dahin gebracht, ihm den
Erben des Throns, der damals vierzehen Jahr alt war, mit seinem
jüngern Bruder York auszuliefern.
Sie übergab sie bebend,
und schien das Schicksal ihrer Söhne zu ahnden.
Faust war
Zuhörer, als der Doktor Shaw, auf Befehl des Protektors,
dem erstaunten Volke von der Kanzel bewies: daß seine und
des verstorbenen Königs noch lebende Mutter verschiedne Liebhaber
in ihr Bette aufgenommen hätte, der verstorbene König
im Ehebruch erzeugt sei, und daß sich niemand vom königlichen
Hause einer rechtmäßigen Geburt rühmen könnte,
außer der Protektor.
Er sah die Großen hinrichten,
die diesem Plan nicht beitreten wollten, und der Teufel führte
ihn in dem Augenblick in den Tower, da Tyronel den rechtmäßigen
König von England nebst seinem Bruder York durch Meuchelmörder
ermorden, und an der Schwelle ihres Gefängnisses begraben
ließ.
Er war Zeuge der niederträchtigen Unterwerfung
des Parlaments, und der Krönung des scheußlichen Tyrannen.
Er war Zeuge davon, wie sich die Königin mit dem Mörder
ihrer Söhne in Unterhandlung einließ, seine gewaltsame
Thronbesteigung durch die Hand ihrer ältesten Tochter zu
unterstützen, um im Glanze des Hofes und der Herrschaft erscheinen
zu können, ob sie gleich durch die empörten Großen
des Reichs mit ihrem künftigen Rächer, dem Grafen Richmond,
in gleiche Verbindung getreten war.
Dieses brachte Fausten so
auf, daß ihn selbst die Reize der schönen Engländerinnen
nicht länger in dieser Insel fesseln konnten, er verließ
sie im finstern Groll, denn so kalt und ohne Schleier hatte er
noch nicht Verbrechen begehen sehen.
Er war noch nicht in Rom
gewesen.
Als sie im Begriff waren, sich einzuschiffen, sagte der
Teufel zu ihm:
>>Dieses Volk, Faust, wird eine Zeitlang unter dem Joche des
Despotismus seufzen, dann vielleicht einen seiner Könige
auf dem Blutgerüste der Freiheit opfern, um sie seinen Nachfolgern
für Gold und Titel zu verkaufen.
übrigens ein wackres
Volk im Laster, und ein guter Rekrutierungsplatz für die
Hölle.<<
Hierauf führte er ihn nach Mailand, wo sie den Herzog Galeas
Sforza am heiligen Stephanstage in der Domkirche ermorden sahen.
Faust hörte die Meuchelmörder mit lauter Stimme den
heiligen Stephan und heiligen Ambrosius anrufen, ihnen zu ihrem
edlen Vorhaben den gehörigen Mut zu verleihen.
In Florenz, dem Sitz der Musen, sahen sie den Neffen des großen
Kosmus, des Vaters des Vaterlands, in der Kirche Santa reparata
in dem Augenblick an dem Altar ermorden, da der Priester den Leib
des Herrn emporhub; dieses war das Zeichen zum Mord, welches den
Mördern der Erzbischof von Florenz, Salviati, gegeben hatte.
Der Papst hatte ihn zu dieser Tat durch seinen Neffen anwerben
lassen, die Mediceer zu vertilgen, um in Italien zu herrschen;
doch dieses gehört zur spätern Geschichte der Kirche.
Im Norden sahen sie wilde Barbaren und Trunkenbolde ebenso morden
und verwüsten, wie die übrigen aufgeklärteren Europäer.
In Spanien fanden sie den Betrug und die Heuchelei unter der Maske
der Religion auf dem Throne, sahen in einem Auto da fé
dem milden Gott der Christen Menschen durch die Flamme opfern,
und hörten den Großinquisitor Torquemada gegen die
heuchlerische Isabella, und den trugvollen Fernando sich rühmen:
daß das heilige Gericht bereits achtzigtausend verdächtigen
Personen den Prozeß gemacht, und sechstausend Ketzer wirklich
lebendig verbrannt hätte.
Als Faust das erstemal die Damen
und Kavaliere auf dem großen Platz in all ihrem Glanze versammelt
sah, schmeichelte er sich einem Freudenfest beizuwohnen; da er
aber die Elenden, unter der Prozession der Gott lobenden Priester,
heulen und wehklagen hörte, überzeugte er sich bald,
daß der Mißbrauch der Religion den Menschen zu dem
abscheulichsten Ungeheuer der Erde macht.
Er genoß indessen,
unter Verwünschung des ganzen menschlichen Geschlechts, noch
immer der Freuden des Lebens und der schönen Weiber in Engelland,
Florenz und Spanien, fing endlich an zu glauben, alle diese Greuel
gehörten notwendig zu der Natur des Menschen, der ein Tier
sei, das entweder selbst zerreißen, oder von seinesgleichen
zerrissen werden müßte.
9
Der Teufel, der Fausten durch alle diese Szenen wund und durchglüht
sah, und bemerkte, daß sein moralischer Sinn durch das Beschauen
dieser Schandtaten immer mehr in Rauch aufging, beschloß
ihn nun zum Nachtisch an den päpstlichen Hof zu führen.
Diesen sah er als die reiche Quelle der Laster, als die größte
Schule der Verbrechen an, woraus sie, von dem Oberhaupte der Religion,
und dem Statthalter Gottes, gleichsam geheiligt, zu den andern
Völkern Europas flössen.
Er sagte zu Faust:
>>Du hast nun gesehen, wie alle Höfe Europas sich gleichen,
und wie die Menschen regiert werden; laß uns jetzt nach
Rom ziehen, um zu sehen, ob es mit der Kirche und der geistlichen
Regierung besser steht.<<
Der Listige schmeichelte sich, Alexander der Sechste ,
der damals die dreifache Krone trug, und die Schlüssel zu
dem Himmel und der Hölle in seiner Gewalt hatte, sollte seinem
finstern Plan gegen Fausten den Schwung geben, und seine eigne
Rückkehr in die Hölle befördern.
Längst war
er des Aufenthalts auf Erden müde, denn da er seit Jahrtausenden
schon so vielmal dieselbe durchzogen hatte, so sah er doch, so
sehr ihn auch die schwarzen Taten der Menschen ergötzten,
nur immer das alte.
Das Einerlei ist so ermüdend, daß
ein Teufel leicht das Dunkel dem Licht vorziehen kann, ihm zu
entfliehen, da die Menschen aus dieser Ursache wenigstens die
Hälfte ihrer Torheiten begehen, die sich nur zu oft mit Verbrechen
enden.
Auf dem Wege nach Rom stießen sie auf zwei gegen einander
gelagerte Heere.
Das eine kommandierte Malatesta von Rimini, das
andre ein päpstlicher General.
Die tückische Politik
Alexanders, die den jungen König aus Frankreich nach Italien
gelockt, und dann zurückgetrieben hatte, arbeitete nun durch
heimlichen Gift, Meuchelmord und offne Fehde, alle die Großen
zu berauben, um aus ihren Herrschaften und Kastellen Fürstentümer
für seine Bastarde zusammenzusetzen.
Er fing zuerst mit den
Schwächsten an, und hatte dies kleine Heer ausgeschickt,
dem Malatesta Rimini zu entreißen.
Als Faust und der Teufel
die Landstraße hinauf ritten, sahen sie auf einer Anhöhe,
unweit des päpstlichen Lagers, zwei stattliche Männer
in einen sehr hitzigen Zweikampf verwickelt.
Die Neugierde trieb
Fausten näher, der Teufel folgte ihm, und sie merkten bald,
daß sich die zwei erhitzten Kämpfer nicht zu trennen
gedächten, bis einer dem Schwerte des andern erläge.
Das aber, was Fausten am sonderbarsten vorkam, war eine schneeweiße
Ziege, mit bunten Bändern geschmückt, die ein Schildknappe
als den Preis des Sieges zu halten schien, und mit welcher er
ganz kalt neben den zwei Wütenden stund.
Viele Ritter hatten
sich auf der Anhöhe versammelt, um Zeugen des Ausgangs zu
sein, den sie mit vieler Gleichgültigkeit abwarteten.
Faust
nahte sich einem von ihnen und fragte mit teutscher Ehrlichkeit:
>>ob sich die zwei Herren wohl um die schöngeschmückte
Ziege schlügen?
<< Er hatte bemerkt, daß die zwei
Champions bei jeder Pause mit vieler Zärtlichkeit nach der
Ziege blickten, und sie nach Rittergebrauch um Beistand bei der
Gefahr anzuflehen schienen.
Der Italiener antwortete ihm kalt:
>>Allerdings, und ich hoffe, unser General wird ihn dafür
zur Hölle schicken, daß er, ein unter seinem Befehl
stehender Ritter, es gewagt hat, die schönste Ziege der Welt
aus seinem Zelte zu entführen, während er herumritt,
das Lager des Feinds zu erkennen.<<
Faust trat zurück,
schüttelte den Kopf, und wußte nicht, ob er wachte
oder träumte.
Der Teufel ließ ihn einige Augenblicke
in dieser Verwirrung, endlich sagte er ihm etwas ins Ohr, wobei
Faust errötete, und das das Papier besudeln würde.
Der
Zweikampf ging mittlerweile immer hitzig fort, bis das Schwert
des päpstlichen Generals eine öffnung in dem Panzer
des Ritters fand, und ihn in seinem Blut auf den Boden streckte.
Er blies seine Seele unter Flüchen weg, und nahm mit seinem
letzten Blicke zärtlich von der Ziege Abschied.
Der General
ward von den Anwesenden frohlockend empfangen, der Schildknappe
führte ihm die Ziege zu, er nannte sie: mia cara, und streichelte
sie unter süßen Liebkosungen.
Faust entfernte sich von dem Kampfplatze, und wankte zwischen
dem Kitzel zu lachen, und dem Gefühl des Unwillens, als der
Teufel ihm folgendes hinwarf:
>>Faust, dieser lustige Zweikampf hat dich nun mit dem päpstlichen
General bekannt gemacht; aber der gegen ihm über Stehende
ist nicht weniger merkwürdig.
Dieser schlug sich auf Gefahr
seines Lebens um eine weiße Ziege, und der andre hat schon
zwei seiner Weiber, aus den besten Häusern Italiens, vergiftet
und mit eigner Hand erdrosselt, um schneller von ihnen zu erben.
Er freit wirklich um die dritte, und wenn er auf den Füßen
bleibt, so wird sie vermutlich ein gleiches Schicksal haben.
Beide
sind übrigens sehr religiöse Männer, halten Prozessionen,
widmen dem Himmel Gelübde, und flehen ihn um Sieg an; für
welchen glaubst du, daß er sich erklären müßte?
<<
Faust machte dem Teufel ein wildes Gesicht, und ließ die
hämische Frage unbeantwortet; der Teufel aber, der sich an
seiner Prahlerei über den moralischen Wert des Menschen rächen
wollte, unterließ nicht, noch einige bittre Glossen über
die Liebhaberei des päpstlichen Generals, und über die
Schlechtigkeit des Menschen überhaupt zu machen, worauf Faust,
der ihn eben auf der äußersten ertappte, noch weniger
zu antworten fand.
10
Der Anblick Roms und seiner großen Ruinen, auf welchen noch
der mächtige Geist der alten Römer zu schweben schien,
überraschte Fausten, und da er mit ihrer Geschichte ziemlich
bekannt war, so erhub sich seine Seele bei der lebhaften Erinnerung
und Vorstellung dieses einzigen Volks der Erde; aber die neuen
Bewohner der ehemaligen Königin der Welt füllten sie
bald mit andern und niedrigern Gegenständen.
Auf des Teufels
Rat kündigten sie sich als teutsche Edelleute an, die die
Herrlichkeit Roms nach Italien gezogen; ihr Staat, Gefolge und
Aufwand aber ließ mehr hinter ihnen vermuten.
Die äbte,
Mönche, Matronen, Kuppler, Kupplerinnen, Scharlatane und
Pantalons drängten sich zu ihnen, und trugen ihnen ihre Dienste
in dem Augenblick an, als das Gerücht ihrer Ankunft durch
alle die Zünfte derer erscholl, die das bequeme Handwerk
ergriffen haben, von den Lastern und Torheiten der Menschen zu
leben.
Sie trugen ihnen ihre Schwestern, Töchter, ihre Weiber
und Verwandten an, malten ihre Reize und Vorzüge mit so feuriger
Beredsamkeit, daß der von allen Seiten bestürmte Faust
nicht wußte, wo er angreifen sollte.
Da diese Kuppelei auf
die possierlichste Art mit dem Gewande der zügellosen üppigkeit
und der strengen Religion zugleich bekleidet war, so dünkte
es Fausten: dieses Volk brauche die Religion zu nichts anderm,
als durch sie den Zuruf der innern empörten menschlichen
Natur bei ihren Schandtaten und Greueln zu stillen und zu beruhigen.
Den Tag nach ihrer Ankunft erhielten sie eine Einladung von dem
Kardinal Cäsar Borgia, einem der vielen Bastarde des Papsts;
er empfing sie auf das prächtigste, und nahm es über
sich, sie Seiner Heiligkeit dem Papst vorzustellen.
Sie ritten
mit ihrem Gefolge, in dem größten Staat, nach dem Vatikan,
und der Teufel küßte mit Fausten den Pantoffel Seiner
Heiligkeit.
Faust verrichtete dieses in dem Glauben eines wahren
katholischen Christen, der den Papst für das hält, wofür
er sich ausgibt, und der Teufel dachte bei sich, wenn mich Alexander
kennte, ich würde ihn vielleicht zu meinen Füßen
sehen.
Nachdem die äußere Zeremonie vorüber war,
ließ sie der Papst in seine innere Zimmer einladen, wo er
sich freier mit ihnen besprach.
Hier wurden sie mit seinen übrigen
Bastarden, der berühmten Lucrezia, und Francisco Borgia,
dem Herzog von Gandia, bekannt etc.
Der Papst fand die Gesellschaft des schönen und gewandten
Teufels Leviathans so sehr nach seinem Geschmacke, daß er
von dem ersten Augenblick eine besondre Gunst gegen ihn äußerte,
die, wie wir sehen werden, bald bis zu der äußersten
Vertraulichkeit stieg.
Faust hielt sich an den Kardinal Borgia,
der ihm von den Genüssen und Freuden Roms ein so lüsternes
Gemälde entwarf, daß er nicht wußte, ob er sich
im Vatikan, oder in einem Tempel der irdischen Venus befände.
Er machte ihn zugleich mit seiner Schwester Lucrezia, der jetzigen
Gemahlin Alfonsos von Aragonien, genauer bekannt.
Sie stellte
die sinnliche Wollust in den gefährlichsten Reizen verkörpert
vor, und nahm Fausten auf eine Art auf, daß er wie bezaubert
vor ihr stund, und sich bei dem ersten Blicke von dem Wunsche
durchglüht fühlte, den Becher der Freude aus der Hand
derjenigen zu empfangen, die ihn so schäumend darreichte.
11
Faust und der Teufel waren in wenigen Tagen mit der päpstlichen
Familie auf den Fuß der Vertraulichkeit.
Eines Abends wurden
sie zu einem Schauspiel ins Vatikan eingeladen, welches Fausten
mehr in Erstaunen setzte als alles, was er bisher am päpstlichen
Hofe gesehen hatte.
Man spielte die Mandragola.
Der edle
Machiavell hatte dieses Schauspiel geschrieben, um durch die Zügellosigkeit
desselben dem römischen Hofe ein auffallendes Gemälde
von den schlechten Sitten der Klerisei vorzustellen, und ihm zu
beweisen, daß sie die Quelle der Verderbnis der Laien sei.
Er betrog sich hier in seinem edlen Zwecke, wie er sich später
betrog, da er in seinem Fürsten die Greuel der Tyrannei
der Welt aufdeckte.
Die Tyrannen und ihre Stützen, die Mönche,
verschrien den als Lehrer der Tyrannei, der sie ärger als
ein Sterblicher haßte, und ihr durch sein Werk einen tödlichen
Streich beizubringen suchte.
Das verblendete Volk ließ sich
von ihren Betrügern so betäuben, daß sie ihren
Arzt als einen Vergifter ansahen.
So ging es auch hier; die Mandragola
wurde beklatscht, ergötzte viele Abende den päpstlichen
Hof, und keiner außer dem Teufel und Faust merkte, daß
die Satire Machiavells durch den Beifall des Papsts und der ganzen
Klerisei um so giftiger wurde.
Faust hörte von dem Papst,
den Kardinälen, Nonnen und Damen Dinge beklatschen und preisen,
die nach seiner Meinung selbst die üppigen römischen
Kaiser nicht auf der Bühne würden geduldet haben.
Aber
dieses Staunen wurde bald von lebhaftern Szenen verdrängt,
und er merkte, daß die Taten Alexanders und seiner Bastarde
alles übertrafen, was die Geschichte zur Schande der Menschheit
aufgezeichnet hat.
Lucrezia, welcher ihn seine reiche Geschenke
noch mehr als sein kraftvolles Ansehen empfahlen, weihte ihn kurz
darauf in die Geheimnisse der Wollust ein, und er fühlte
in ihren Armen, daß der päpstliche Hof in dem Besitze
von Geheimnissen sei, wovon die übrige blödsinnige christliche
Welt nichts ahndete.
Durch diese innige Verbindung entdeckte er
ihr blutschänderisches Verhältnis mit ihren beiden Brüdern,
dem Kardinal und dem Herzog, und da er sie eines Tags mit dem
Papst, ihrem Vater, überraschte, zu dem er und der Teufel
geheimen Zutritt hatten, so fand er, daß er sie nicht allein
mit den Brüdern, sondern auch mit Seiner Heiligkeit
teilte.
Der einzige Mißhandelte war Alfonso, welcher die
Ehre hatte, sich ihren Gemahl zu nennen.
Nun sah Faust die Ursache
des bittern Hasses des Kardinals gegen seinen Bruder ein, dessen
Grund Eifersucht über die Gunstbezeigungen der Schwester
war.
Er hatte ihn oft schwören hören, daß er sich
noch an ihm auf die blutigste Art rächen würde.
Wenn sich Faust den Tag über am Hofe und in der Stadt in
allen Lüsten herumgewälzt hatte, so pflegte er gewöhnlich
dem Teufel abends die Ohren über die Laster der Menschen
zu ermüden.
Ihr Anblick empörte ihn, ob er gleich weder
Kraft noch Willen hatte, einer seiner Neigungen zu widerstehen.
Gewöhnlich endigte er mit dem Ausruf: >>Wie ist es möglich,
daß ein solches Ungeheuer Papst werden konnte!
<<
Der Teufel, der genau wußte, wie es bei seiner Wahl zugegangen
(denn einer der Fürsten der Hölle war damals im Konklave),
erzählte ihm:
>>Wie Alexander als Vizekanzler des päpstlichen Stuhls
die Stimmen der Kardinäle gekauft, und wie er diese, nachdem
er seinen Zweck erhalten, und sie ihn an die Erfüllung seines
Versprechens erinnert, teils verjagt, teils unter verschiednem
Vorwand auf die grausamste Art habe hinrichten lassen.<<
Faust.
Daß sie schlecht genug waren, ihn zum Papst
zu machen, begreife ich; aber wie sie ihn ertragen, dies geht
über meine Fassung.
Teufel.
Die Römer sind sehr wohl mit ihm zufrieden.
Er sorgt für den Pöbel, mordet, plündert die Großen,
und wird durch seine Verbrechen den päpstlichen Stuhl mehr
in die Höhe bringen, als alle seine Vorgänger.
Können
sie wohl einen bessern Papst wünschen, als einen, der ihre
Laster durch sein eignes Beispiel heiligt?
der ihnen noch über
die Indulgenzen durch seine Taten beweist, daß der Mensch
vor keiner Sünde erschrecken muß?
12
Der Papst hatte seinen ältesten Bastard, Francisco, in einem
Konsistorium zum General des Heiligen Stuhls gemacht, und der
Kardinal faßte in demselben Augenblick den Entschluß,
seinen Bruder auf die Seite zu schaffen, um seinem Ehrgeiz ein
weiteres Feld zu eröffnen.
Seine Mutter, Vanosa, hatte ihm
vertraut: die Absicht des Papsts sei, dem Herzoge, auf den Ruinen
der Fürsten Italiens, einen Thron zu errichten, und durch
ihn, als den Erstgebornen, alle die Anschläge zur Vergrößerung
seiner Familie auszuführen.
Der Kardinal, der die Meuchelmörder
zu hunderten in seinem Solde hatte, ließ seinen getreuen
Dom Michelotto aufsuchen, und hielt folgende Rede an ihn:
>>Wackrer Michelotto, es sind nun schon fünf Jahre, daß
mein Vater auf dem päpstlichen Stuhle sitzt, und noch bin
ich das nicht, was ich sein könnte, wenn wir unsre Geschäfte
etwas klüger betrieben hätten.
Er hat mich zum Erzbischof,
endlich zum Kardinal gemacht; aber was ist dieses für einen
nach Taten und Ruhm strebenden Geist?
Kaum reichen meine Einkünfte
zu dem Nötigen hin, und ich bin unvermögend, Freunde,
die mir wesentliche Dienste tun, nach dem Wunsche meines Herzens
zu belohnen.
Bist du Michelotto, nicht selbst ein Beweis davon?
Sage, hab ich etwas von der großen Schuld abtragen können,
die deine Dienste an mich einfordern können?
Sollen wir denn
immer nur stille sitzen, und abwarten, bis Glück oder Zufall
etwas für die tun wollen, die es nicht wagen, sich zu ihrem
Herrn und Meister zu machen?
denkst du, ein Leben, das ich im
Konsistorium und der Kirche hinschmachte, sei für einen Geist
wie der meine gemacht?
Bin ich für diese Pfaffereien geboren?
Hätte die Natur, ich weiß nicht warum, meinen Bruder
Francisco, nicht vor mir in die Welt gestoßen, würden
nicht alle die Ehrenstellen, wodurch man allein große Aussichten
befördern kann, auf mich gefallen sein?
Würdest du,
braver Michelotto, noch das sein, was du bist?
Weiß mein
Bruder die Vorteile zu nutzen, die ihm der Papst und das Glück
darbieten?
Laß mich an seine Stelle treten, und mein Name
soll bald durch ganz Europa erschallen!
Mich stempelte die Natur
zum Helden, und ihn, den Sanftern, zum Pfaffen.
Wir müssen
also den verhaßten Streich zu verbessern suchen, den uns
der Zufall gespielt hat, wenn wir das erfüllen wollen, wozu
wir geboren sind.
Sieh uns beide an! wer kann sagen, wir seien
von einem Vater?
Und was liegt nun daran, daß er mein Bruder
ist?
Wer sich über andre erheben will, muß alle Hindernisse
seines Emporsteigens mit Füßen treten, und die weichlichen,
schwachen Bande der Natur, Zärtlichkeit und Verwandtschaft
vergessen; ja wenn er ein Mann ist, auch wohl seine Hände
in das Blut derer tauchen, die seinem unternehmenden Geist durch
ihr Dasein Fesseln sind.
So taten alle große Männer,
so handelte der Stifter des unsterblichen Roms.
Damit Rom werde,
was er in ahndungsvollem Geiste sah, mußte sein Bruder fallen;
damit Cäsar Borgia groß werde, muß sein Bruder
bluten.
Rom soll von neuem durch mich der Sitz eines mächtigen
Königs werden, mein Vater soll mir die Leiter zu meinem Emporsteigen
halten, und dann will ich unter ihm den Stuhl Petri zerschlagen,
den Betrug geheiligt hat, dieses Volk von dem schimpflichen Joche
der Priester befreien, und wiederum zu Männern und Helden
machen.
So sterbe der, der mir ein Hindernis ist, daß wir
wachsen, und der Welt zeigen können, was wir sind.
Ob ich
ihn nun gleich in der Dunkelheit der Nacht, ohne allen Verdacht
ermorden könnte, so will ich doch dir diese Tat überlassen,
damit du ein noch stärkeres Recht erhaltest, meine künftige
Größe und mein Glück mit mir zu teilen.
Ich reise
morgen nach Neapel, um als Legat der Krönung des Königs
beizuwohnen.
Meine Mutter Vanosa, die es, unter uns, müde
ist, ihren unternehmenden Cäsar als Kardinal zu sehen, und
früh den Helden in mir entdeckte, und angefeuert hat, gibt
mir, meinem Bruder, und unsern Freunden heut ein Abendessen -
Mein Bruder wird spät in der Nacht zu einer uns gemeinschaftlichen
Buhlerin schleichen, und ich müßte Michelotto schlecht
kennen, wenn er den Weg zu seinem Palaste zurück fände.
Ich heiße Cäsar, und will alles oder nichts sein.<<
Michelotto faßte des Kardinals Hand, dankte ihm für
sein Zutrauen, berief sich auf die Beweise seiner Treue und Ergebenheit,
und entfernte sich, um einige seiner Gesellen auf die Tat vorzubereiten.
Faust und der Teufel wurden zu dieser Abendmahlzeit gleichfalls
eingeladen.
Die Gäste waren sehr munter.
Francisco überhäufte
seinen Bruder mit Zärtlichkeit, ohne dessen Entschluß
zu erschüttern.
Nach dem Essen nahm Cäsar Abschied von
seiner Mutter, um sich zu dem Papst zu begeben, seine letzten
Befehle abzuholen; sein Bruder erbot sich, ihn eine Strecke Wegs
zu begleiten, um das Vergnügen seiner Gesellschaft noch einige
Augenblicke länger zu genießen.
Faust und der Teufel
folgten ihnen.
Francisco trennte sich bald von dem Kardinal, nachdem
er ihm vorher in das Ohr gelispelt, wohin er sich begäbe.
Der Kardinal wünschte ihm lachend Glück, umarmte ihn,
und nahm Abschied von ihm.
Er eilte nach dem Vatikan, endigte
sein Geschäft, suchte die Meuchelmörder am bestimmten
Orte auf, und erteilte seine Befehle.
Faust war bei der Schwester
eines Principe abgestiegen, und der Teufel, der das schwarze Drama
seiner Entwicklung nah sah, lenkte es so ein, daß er sich
mit Fausten in dem Augenblick an der Tiber befand, als Dom Michelotto
den Leichnam des ermordeten Herzogs in den Fluß versenken
ließ.
Faust wollte auf die Mörder zusprengen, der Teufel
hielt ihn zurück, und sagte:
>>Nahe nicht, und halte dich still, daß dich keiner
entdecke, ihrer sind tausende in Rom, und du bist in dem Vatikan
selbst an meiner Seite deines Lebens nicht sicher, wenn sie gewahr
werden, daß du sie beobachtest.
Der Ermordete, den sie nun
versenken, ist Francisco Borgia, sein Mörder ist sein Bruder,
und das, was du nun siehest, ist das Vorspiel von Taten, die einst
der Hölle selbst Erstaunen abzwingen werden.<<
Hierauf enthüllte er ihm das ganze finstre Gewebe, und wiederholte
ihm die Rede des Kardinals an Michelotto.
Faust antwortete kälter,
als der Teufel es erwartete:
>>Ich fasse denn ihre Taten leichter als die Hölle; was
kann man wohl von einer Familie anders erwarten, wo der Vater
und die Brüder blutschänderisch mit der Tochter und
der Schwester leben?
Der Papst nennt sich den Statthalter Gottes,
die Menschen erkennen ihn dafür, und der, der ihn an seine
Stelle gesetzt hat, scheint mit seinem Regimente zufrieden; was
soll Faust dazu sagen, von dem die Kirche fordert, daß er
ihn anbete; aber, Teufel, wer mir noch etwas Gutes von den Menschen
sagt, den falle ich an, wie ein wütendes Tier.
Laß
uns schlafen gehen; du hast recht, der Teufel ist nur ein Narr
gegen unser einen, besonders wenn wir im Priesterrocke stecken.
O wäre ich in dem glücklichen Arabien geboren, ein Palmbaum
meine Decke, und die Natur mein Gott!
<<
12
Der Papst hatte seinen ältesten Bastard, Francisco, in einem
Konsistorium zum General des Heiligen Stuhls gemacht, und der
Kardinal faßte in demselben Augenblick den Entschluß,
seinen Bruder auf die Seite zu schaffen, um seinem Ehrgeiz ein
weiteres Feld zu eröffnen.
Seine Mutter, Vanosa, hatte ihm
vertraut: die Absicht des Papsts sei, dem Herzoge, auf den Ruinen
der Fürsten Italiens, einen Thron zu errichten, und durch
ihn, als den Erstgebornen, alle die Anschläge zur Vergrößerung
seiner Familie auszuführen.
Der Kardinal, der die Meuchelmörder
zu hunderten in seinem Solde hatte, ließ seinen getreuen
Dom Michelotto aufsuchen, und hielt folgende Rede an ihn:
>>Wackrer Michelotto, es sind nun schon fünf Jahre, daß
mein Vater auf dem päpstlichen Stuhle sitzt, und noch bin
ich das nicht, was ich sein könnte, wenn wir unsre Geschäfte
etwas klüger betrieben hätten.
Er hat mich zum Erzbischof,
endlich zum Kardinal gemacht; aber was ist dieses für einen
nach Taten und Ruhm strebenden Geist?
Kaum reichen meine Einkünfte
zu dem Nötigen hin, und ich bin unvermögend, Freunde,
die mir wesentliche Dienste tun, nach dem Wunsche meines Herzens
zu belohnen.
Bist du Michelotto, nicht selbst ein Beweis davon?
Sage, hab ich etwas von der großen Schuld abtragen können,
die deine Dienste an mich einfordern können?
Sollen wir denn
immer nur stille sitzen, und abwarten, bis Glück oder Zufall
etwas für die tun wollen, die es nicht wagen, sich zu ihrem
Herrn und Meister zu machen?
denkst du, ein Leben, das ich im
Konsistorium und der Kirche hinschmachte, sei für einen Geist
wie der meine gemacht?
Bin ich für diese Pfaffereien geboren?
Hätte die Natur, ich weiß nicht warum, meinen Bruder
Francisco, nicht vor mir in die Welt gestoßen, würden
nicht alle die Ehrenstellen, wodurch man allein große Aussichten
befördern kann, auf mich gefallen sein?
Würdest du,
braver Michelotto, noch das sein, was du bist?
Weiß mein
Bruder die Vorteile zu nutzen, die ihm der Papst und das Glück
darbieten?
Laß mich an seine Stelle treten, und mein Name
soll bald durch ganz Europa erschallen!
Mich stempelte die Natur
zum Helden, und ihn, den Sanftern, zum Pfaffen.
Wir müssen
also den verhaßten Streich zu verbessern suchen, den uns
der Zufall gespielt hat, wenn wir das erfüllen wollen, wozu
wir geboren sind.
Sieh uns beide an! wer kann sagen, wir seien
von einem Vater?
Und was liegt nun daran, daß er mein Bruder
ist?
Wer sich über andre erheben will, muß alle Hindernisse
seines Emporsteigens mit Füßen treten, und die weichlichen,
schwachen Bande der Natur, Zärtlichkeit und Verwandtschaft
vergessen; ja wenn er ein Mann ist, auch wohl seine Hände
in das Blut derer tauchen, die seinem unternehmenden Geist durch
ihr Dasein Fesseln sind.
So taten alle große Männer,
so handelte der Stifter des unsterblichen Roms.
Damit Rom werde,
was er in ahndungsvollem Geiste sah, mußte sein Bruder fallen;
damit Cäsar Borgia groß werde, muß sein Bruder
bluten.
Rom soll von neuem durch mich der Sitz eines mächtigen
Königs werden, mein Vater soll mir die Leiter zu meinem Emporsteigen
halten, und dann will ich unter ihm den Stuhl Petri zerschlagen,
den Betrug geheiligt hat, dieses Volk von dem schimpflichen Joche
der Priester befreien, und wiederum zu Männern und Helden
machen.
So sterbe der, der mir ein Hindernis ist, daß wir
wachsen, und der Welt zeigen können, was wir sind.
Ob ich
ihn nun gleich in der Dunkelheit der Nacht, ohne allen Verdacht
ermorden könnte, so will ich doch dir diese Tat überlassen,
damit du ein noch stärkeres Recht erhaltest, meine künftige
Größe und mein Glück mit mir zu teilen.
Ich reise
morgen nach Neapel, um als Legat der Krönung des Königs
beizuwohnen.
Meine Mutter Vanosa, die es, unter uns, müde
ist, ihren unternehmenden Cäsar als Kardinal zu sehen, und
früh den Helden in mir entdeckte, und angefeuert hat, gibt
mir, meinem Bruder, und unsern Freunden heut ein Abendessen -
Mein Bruder wird spät in der Nacht zu einer uns gemeinschaftlichen
Buhlerin schleichen, und ich müßte Michelotto schlecht
kennen, wenn er den Weg zu seinem Palaste zurück fände.
Ich heiße Cäsar, und will alles oder nichts sein.<<
Michelotto faßte des Kardinals Hand, dankte ihm für
sein Zutrauen, berief sich auf die Beweise seiner Treue und Ergebenheit,
und entfernte sich, um einige seiner Gesellen auf die Tat vorzubereiten.
Faust und der Teufel wurden zu dieser Abendmahlzeit gleichfalls
eingeladen.
Die Gäste waren sehr munter.
Francisco überhäufte
seinen Bruder mit Zärtlichkeit, ohne dessen Entschluß
zu erschüttern.
Nach dem Essen nahm Cäsar Abschied von
seiner Mutter, um sich zu dem Papst zu begeben, seine letzten
Befehle abzuholen; sein Bruder erbot sich, ihn eine Strecke Wegs
zu begleiten, um das Vergnügen seiner Gesellschaft noch einige
Augenblicke länger zu genießen.
Faust und der Teufel
folgten ihnen.
Francisco trennte sich bald von dem Kardinal, nachdem
er ihm vorher in das Ohr gelispelt, wohin er sich begäbe.
Der Kardinal wünschte ihm lachend Glück, umarmte ihn,
und nahm Abschied von ihm.
Er eilte nach dem Vatikan, endigte
sein Geschäft, suchte die Meuchelmörder am bestimmten
Orte auf, und erteilte seine Befehle.
Faust war bei der Schwester
eines Principe abgestiegen, und der Teufel, der das schwarze Drama
seiner Entwicklung nah sah, lenkte es so ein, daß er sich
mit Fausten in dem Augenblick an der Tiber befand, als Dom Michelotto
den Leichnam des ermordeten Herzogs in den Fluß versenken
ließ.
Faust wollte auf die Mörder zusprengen, der Teufel
hielt ihn zurück, und sagte:
>>Nahe nicht, und halte dich still, daß dich keiner
entdecke, ihrer sind tausende in Rom, und du bist in dem Vatikan
selbst an meiner Seite deines Lebens nicht sicher, wenn sie gewahr
werden, daß du sie beobachtest.
Der Ermordete, den sie nun
versenken, ist Francisco Borgia, sein Mörder ist sein Bruder,
und das, was du nun siehest, ist das Vorspiel von Taten, die einst
der Hölle selbst Erstaunen abzwingen werden.<<
Hierauf enthüllte er ihm das ganze finstre Gewebe, und wiederholte
ihm die Rede des Kardinals an Michelotto.
Faust antwortete kälter,
als der Teufel es erwartete:
>>Ich fasse denn ihre Taten leichter als die Hölle; was
kann man wohl von einer Familie anders erwarten, wo der Vater
und die Brüder blutschänderisch mit der Tochter und
der Schwester leben?
Der Papst nennt sich den Statthalter Gottes,
die Menschen erkennen ihn dafür, und der, der ihn an seine
Stelle gesetzt hat, scheint mit seinem Regimente zufrieden; was
soll Faust dazu sagen, von dem die Kirche fordert, daß er
ihn anbete; aber, Teufel, wer mir noch etwas Gutes von den Menschen
sagt, den falle ich an, wie ein wütendes Tier.
Laß
uns schlafen gehen; du hast recht, der Teufel ist nur ein Narr
gegen unser einen, besonders wenn wir im Priesterrocke stecken.
O wäre ich in dem glücklichen Arabien geboren, ein Palmbaum
meine Decke, und die Natur mein Gott!
<<
13
Das Gerücht von der Ermordung des Herzogs von Gandia erscholl
bald durch Rom und ganz Italien.
Der Papst ward davon so gerührt,
daß er sich der wildesten Verzweiflung überließ,
und drei Tage ohne Speise und Trank blieb.
Nachdem man endlich
seinen Körper in der Tiber gefunden, gab er die strengsten
Befehle, alle Mühe anzuwenden, die Mörder zu entdecken.
Seine Tochter, die vermutete, woher der Streich käme, gab
ihrer Mutter Vanosa Nachricht von dem strengen Entschlusse des
Papsts, und diese begab sich die folgende Nacht in das Vatikan.
Der Teufel, der als Liebling des Papsts während seiner Trauer
allein in seinem Zimmer bleiben durfte, entfernte sich bei der
Ankunft der edlen Vanosa, suchte Fausten auf, der die Lucrezia
tröstete, und führte ihn an die Türe, folgendes
Gespräch zu belauschen.
Als sie der Türe nahten, hörten sie diese Worte des
Papsts:
>>Ein Brudermörder, und Kardinal!
Und du, die Mutter
von beiden, verkündigest mir dies mit einer Kälte, als
hätte Cäsar einen der Colonne oder Orsinis vergiftet!
Er hat in seinem Bruder seinen guten Ruf ermordet, hat das Gebäude
der Größe im Grund erschüttert, das ich durch
meine Familie aufführen wollte; aber der Kühne soll
der Strafe und meiner Rache nicht entgehen,<<
Vanosa.
Roderico Borgia, du hast bei meiner Mutter geschlafen,
darauf bei mir, schläfst nun mit meiner und deiner Tochter,
und wer mag die zählen, die du heimlich ermorden und vergiften
ließest?
Gleichwohl bist du Papst, Rom zittert vor dir,
und die ganze Christenheit betet dich an.
Sieh, so viel kommt
darauf an, in welcher Lage man sich befindet, wenn man Verbrechen
begeht.
Ich bin beider Mutter, Roderico, und wußte, daß
Cäsar den Francisco ermorden würde.
Papst.
Ha der Abscheulichen!
Vanosa.
Bin ich's, so bin ich es nur in deiner Schule geworden.
Der kalte, bedächtliche, sanfte Francisco mußte dem
feurigen, unternehmenden Cäsar Platz machen, damit dieser
die glänzenden Hoffnungen erfülle, die du meinem Busen
vertraut hast, als du den päpstlichen Stuhl bestiegst.
Francisco
war zum Mönch geboren, mein Cäsar zum Helden, und darum
nannte ich ihn so im prophetischen Geiste.
Nur er ist fähig,
alle die kleinen und großen Tyrannen Italiens zu vernichten,
und sich eine Krone zu erkämpfen.
Er muß Gonfalonier
des päpstlichen Stuhls werden, und die Borgias zu Herren
von Italien machen.
Ist dies nicht dein Wunsch?
Hast du nur für
Francisco gemordet und vergiftet?
Würden diese Verbrechen
uns nützen, wenn Cäsar Kardinal bliebe, und der ermordete
Schwächling einst euren Raub verteidigen sollte?
Nur von
ihm kann ich Schutz erwarten, wenn du nicht mehr bist, er achtete
seiner Mutter, während dieser Kalte mich vernachlässigte,
und dem Vater allein schmeichelte, von dem er seine Größe
hoffte.
Cäsar fühlt, daß ein Weib wie ich, die
einen Helden gebären konnte, ihm auch den Weg zu unsterblichen
Taten vorzuzeichnen weiß.
Heitere dich auf, Roderico, und
sei weise; denn wisse nur immer, die Hand des Mörders deines
Lieblings wird von einem solchen kühnen Geiste geleitet,
die auch des Vaters nicht schonen würde, wenn er es wagen
sollte, den Schleier aufzuheben, der diese nötige Tat verbirgt.
Papst.
Dein großer Sinn, Vanosa, erhebt mich, ob er
gleich mein Herz durchschaudert.
Francisco ist kalt, und Cäsar
lebt; er lebe, sei der Erstgeborne, werde groß, weil es
das Schicksal so haben will.
- Er klingelte, ließ auftischen,
und war heitern Muts.
Faust.
Teufel, befreie die Welt von diesem Ungeheuer; oder
du sollst die Wut empfinden, die mir sein Dasein einflößt.
Teufel.
Sprichst du abermals Unsinn, die Sprache der Söhne
des Staubs?
Vergißt du, wer der Mann ist, wen er bildlich
vorstellt?
Wer ich bin?
Was ich kann und darf?
Faust.
Du sollst!
Teufel.
Geh und kühle deine Wut in den Armen seiner
Tochter und Buhlerin; freue dich, so nah mit dem verwandt zu sein,
der da bindet und löset; vielleicht daß dir die Verwandtschaft
am Tage der Rechnung nutzet.
14
Francisco war vergessen, und der Papst sann nun, wie er dem verwegnen
Geist Cäsars einen weitern Schauplatz zur Ausübung seiner
gefährlichen Kräfte eröffnen möchte.
Dieser
krönte indessen den König von Neapel mit denen von seines
Bruders Blute befleckten Händen, und Friedrich von Neapel
zog daraus eine düstre Ahndung, in welcher er sich auch nicht
betrog.
Der Teufel sorgte dafür, daß Fausten von allem diesem
nichts entging, und dieser sah mit hämischen Lachen alle
die Kardinäle, die Gesandten von Spanien und Venedig dem
Brudermörder, den sie alle dafür erkannten, bis an die
Tore der Stadt entgegen gehen, ihn darauf von einem großen
Konsistorium empfangen, und im Triumphe zur Audienz des Papsts
begleiten, der ihn mit vieler Zärtlichkeit empfing.
Vanosa legte die Trauer ab, und feierte den Abend seiner Rückkunft
mit einem Feste, wobei alle Großen Roms erschienen.
Bald hierauf zog Cäsar den lästigen Kardinalshut aus,
vertauschte ihn mit dem Schwerte, und ward mit allem Pracht zum
Gonfalonier des päpstlichen Stuhls geweiht.
Der Teufel sah mit vielem Vergnügen, wie Faust den Wurm,
der an seinem Herzen zu nagen anfing, durch die wildesten Genüsse
zu betäuben suchte.
Er sah, wie jeder schwarze Streich, den
er erlebte, sein Herz mehr vergällte, und sein verblendeter
Geist sich immer mehr überzeugte, daß alles das, was
er sah und hörte, in der Natur des Menschen gegründet
sei, und man sich ebenso wenig über diese Greuel zu verwundern
habe, als darüber, daß der Wolf ein Räuber sei,
der alles ohne Schonung zerreiße, seinen Heißhunger
zu stillen.
Der Teufel unterstützte dies mit den Sophismen,
die spätere Philosophen in Systeme gebracht haben, leerte
die Schätze der Erde, schleppte Kleinodien zusammen, und
Faust wütete unter den Jungfrauen und Matronen Roms, zerstörte
tausend moralische und glückliche Verhältnisse der Familien,
und glaubte nicht genug an dem Menschengeschlecht verderben zu
können, das, wie er meinte, der Verwüstung geweiht sei.
Der Unterricht der Lucrezia hatte längst seine Sinne vergiftet,
und die Wollust seine dämmernde gute Gefühle so vernichtet,
daß sich bald zu Menschenhaß Menschenverachtung gesellte,
welche Empfindung, wie der Teufel ihn versicherte, die einzige
ist, die den Mann von Verstand von dem Dummkopf unterscheidet.
Die Bande der sanften Menschheit zogen sich in seinem Herzen zusammen,
und er glaubte in der Leitung des Himmels die Hand eines Despoten
zu entdecken, der unbekümmert auf das Einzelne nur für
den Gang und die Erhaltung des Ganzen wache.
Die Welt kam ihm
nun wie ein stürmisches Meer vor, auf welches das Menschengeschlecht
geworfen ist, von dem Winde hin und her getrieben, der diesen
an einem Felsen zerschmettert, den andern in den Hafen bläst,
und wo der Verunglückte noch dafür verantworten muß,
daß er sein Steuer nicht besser geführt, ob man ihm
gleich eines aus so schwachem Stoffe gegeben, das sich an jeder
einherrauschenden Welle zerbricht.
15
Alexander hatte eine Lustjagd in Ostia veranstalten lassen.
Es
begleitete ihn daher ein großes Gefolge von Kardinälen,
Bischöfen, Damen und Nonnen, welche letztere man wegen besondrer
Verdienste aus den Klöstern gezogen, um die Gelagen reizender
zu machen.
Der Teufel war beständig auf der Seite des Papsts,
und Faust war von der Lucrezia unzertrennlich.
Jeder überließ
sich in Ostia dem Zuge seiner tierischen Natur, und man beging
in den wenigen Tagen Ausschweifungen, wobei ein Tiber und Nero
noch etwas hätte lernen können.
Faust hatte nun Gelegenheit,
den Menschen, nach dem Ausdrucke des Teufels, in seiner scheußlichen
Nacktheit zu beobachten; aber was waren alle diese Szenen der
üppigkeit gegen die Anschläge, die der Papst, um sich
von der Ermattung der Lust zu erholen, mit seinen Bastarden in
Gegenwart Fausts und des Teufels faßte?
Hier ward beschlossen,
den Alfonso von Aragonien, den Gemahl der Lucrezia, zu ermorden,
um dem König von Frankreich einen Beweis zu geben, daß
man willens sei, mit dem Könige von Neapel gänzlich
zu brechen, und ihm zur Eroberung der Krone Siziliens beizustehen.
Ludwig der Zwölfte war schon durch Alexanders Vermittlung
in Italien eingebrochen, und die Borgias sahen dadurch alle ihre
Anschläge reifen.
Lucrezia übertrug diese blutige Tat
ihrem Bruder, und sah sich schon als Witwe an.
Hierauf ward der
Plan zu dem folgenden Feldzug entworfen, nämlich: sich aller
Städte, Kastelle und Herrschaften der Großen Italiens
zu bemächtigen, jeden ihrer Besitzer mit seiner Nachkommenschaft
zu ermorden, damit keiner am Leben bliebe, der einen Anspruch
darauf zu machen hätte, und ihnen durch künftige Verschwörungen
beschwerlich sein könnte.
Um das Heer zu unterhalten, diktierten
Alexander und Cäsar der Lucrezia eine Liste der reichen Kardinäle
und Prälaten, die man nach und nach vergiften wollte, um
sie, vermöge des Rechts des päpstlichen Stuhls, zu beerben.
Nach dieser geheimen Beratschlagung begab man sich zu dem Abendessen.
Der Papst war mit seinen Entwürfen, und ihrer nahen Erfüllung
so zufrieden, daß er sich der ausschweifendsten Laune überließ,
und den Ton zu einem Bacchanal angab, wozu man die Züge im
Petron und Sueton suchen mag; doch vergaß er dabei der Sorge
für den Staat nicht ganz; er frug in der Glut des Weins die
Anwesenden: wie er es anfangen müßte, die Einkünfte
des päpstlichen Stuhls zu erhöhen, um das große
Heer einige Feldzüge durch zu unterhalten.
Nach vielen Projekten
schlug Ferara von Modena, Bischof von Patria, der würdige
Minister Alexanders, durch welchen er die ämter der Kirche
an den Meistbietenden verkaufen ließ, vor: Indulgenzen,
unter dem Vorwand eines bevorstehenden Türkenkriegs, durch
Europa zu predigen, und setzte als wahrer päpstlicher Finanzier
hinzu: >>der törichte Wahn der Menschen, ihre Sünden
durch Gold abzukaufen, sei die sicherste Quelle des Reichtums
eines Papstes.<<
Lucrezia, die in dem Schoße ihres Vaters lag, und mit Fausts
blonden Locken spielte, sagte lächelnd:
>>Die Rolle der Indulgenzen enthält solche abgeschmackte,
veraltete und alberne Sünden, daß damit nicht viel
zu gewinnen ist.
Man hat sie in dummen und barbarischen Zeiten
entworfen, und es ist einmal Zeit, einen neuen Sündentarif
zu machen, wozu Rom selbst die besten Artikel liefern kann.<<
Die von Wein und Wollust begeisterte Gesellschaft freute sich
des glücklichen Einfalls; der Papst forderte einen jeden
auf, neue Sünden vorzuschlagen, zu taxieren, und die zu wählen,
die am meisten im Gange wären, folglich am meisten eintrugen.
Borgia.
Heiliger Vater, überlaßt dies den Kardinälen
und Prälaten, sie sind am besten damit bekannt.
Ferara von Modena, Bischof von Patria, setzte sich als Sekretair
nieder.
Ein Kardinal.
Nun dann, so will ich beginnen, die Quelle
des Reichtums zu öffnen.
Schreibe, Ferara, ich gebe den Ton
an, die andern werden schon einstimmen.
Absolution für jede
von einem Priester begangne H------i; er begehe sie mit wem er
wolle, mit einer Nonne, außer oder in dem Bezirke des Klosters,
mit seiner Bluts-Seitenverwandtin, oder seiner geistlichen Tochter.
Mit Dispensation, alle ämter der Kirche verwalten, und neue
Benefizien erhalten zu können, so er an den päpstlichen
Schatz neun Goldgulden bezahlt.
Papst.
Gut!
gut!
Schreibe flugs neun Goldgulden, Bischof,
und trinkt ihr andern den Priestern, die sie bezahlen, Absolution
zu.
Jeder Gast füllte sein Glas, und man schrie Chorus: Absolutio!
Dispensatio!
Papst.
Ich sehe wohl, ich muß den andern Mut machen.
Sie sehen diesen Augenblick mehr nach den Nonnen, als auf meinen
Vorteil.
Bischof Ferara, schreibe: Für die feinere Sodomie
zwölf Goldgulden, für die gröbere funfzehen, er
sei Laie oder Priester.
Mit diesem Artikel allein hoffe ich meine
Kavallerie zu unterhalten, und ich sehe voraus, daß mir
ein großer Teil ihres Soldes zurückkommen wird.
Chorus.
Absolutio!
Dispensatio den feinern und gröbern
Sodomiten!
Nonne.
He, was ist denn das da?
will sich niemand unsrer
annehmen?
Heiliger Vater, haben wir allein kein Recht auf Eure
väterliche Gnade?
Ich bitte Euch, laßt uns taxieren,
daß auch wir in Ruhe sündigen mögen.
Alexander.
Recht, meine Tochter, und ihr sollt nicht schlechter
gehalten werden wie die Priester.
Ich will dir gleich einen Beweis
meiner päpstlichen Huld geben.
Schreibe, Bischof!
Absolution
für jede Nonne die H------i treibt; es sei mit wem sie wolle,
mit ihrem Bruder, Blutsverwandten oder Beichtvater, außer
oder in dem Bezirk des Klosters, mit Dispensation, allen Würden
des Klosters vorzustehen, neun Goldgulden.
Bist du zufrieden?
Das Nönnchen küßte ihm die Hand.
Chorus.
Absolutio!
Dispensatio!
Ein Bischof.
Nun dann!
Absolution und Dispensation jedem
Priester, der eine Beischläferin öffentlich unterhält,
fünf Goldgulden.
Lucrezia.
O der gemeinen alltäglichen Menschen.
Hört
auf mich!
Absolution jedem Christen, der seine Mutter, Schwester
oder sonstige Verwandtin beschläft, funfzehen Goldgulden.
Chorus.
Absolutio!
Dispensatio!
Faust, den die ganze Szene wegen des Teufels entsetzlich
ärgerte; der aber doch dem Borgia eins versetzen wollte,
rief brüllend:
Absolution jedem Vater-Bruder-Mutter- und Schwestermörder
für drei Goldgulden.
Papst.
Ho ho Freund, wo wollt Ihr hinaus, daß Ihr den
Mord geringer anschlagt als H------i, da doch der erste die Menschen
aus der Welt treibt, und die letzte sie hinein?
Cäsar Borgia.
Heiliger Vater, er will durch einen
hohen Preis nicht von der Sünde des Mords abschrecken.
Papst.
Laßt es durchgehen!
Teufel.
Cautela, ihr Herren!
Ich sage, daß aller gemeldeten
Absolutionen und Dispensationen die Armen unfähig sind, unwürdig
des süßen Trosts der Kirche, und ohne Rettung verdammt.
Ist es so nach Eurem Sinne?
Chorus unter starkem Gelächter.
Ja, verdammt sei
alles, was kein Gold hat!
Die Armen fahren ohne Trost der Kirche
zur Hölle!
Cäsar Borgia.
Weiter, ich eröffne eine ergiebige
Quelle!
Wer stiehlt, und sei es auch Kirchenraub, dessen Seele
kann gelöst werden, so er der päpstlichen Kammer drei
Teile vom Diebstahl abgibt.
Chorus.
Absolution den Kirchenräubern und allen Dieben,
die mit dem päpstlichen Stuhle das Geraubte teilen!
Papst.
Du öffnest eine reiche Mine, Cäsar!
schreibe
Bischof!
Es geht vortrefflich!
Faust.
Wohlauf, ihr Herren!
Absolution für jeden, der
Zauberei treibt, und mit dem Teufel ein Bündnis macht.
Wie
hoch taxiert ihr den Fall?
Papst.
Mein Sohn, hiermit wirst du den päpstlichen Stuhl
nicht bereichern.
Der Teufel versteht seinen Vorteil nicht, man
ruft ihn umsonst.
Faust.
Heiliger Vater, malt ihn nicht an die Wand, und schlagt
nur immer an.
Papst.
Um der Seltenheit willen, hundert Goldgulden.
Faust.
Hier sind sie, im Fall es mir gelänge, fertigt
mir die Absolution aus und singt Chorus.
Chorus.
Absolution dem, der mit dem Teufel ein Bündnis
macht.
Der Bischof Ferara schrieb.
Eine andre Nonne.
Herr Bischof, da Ihr doch eben am Schreiben
der Absolution für den Teufelsbanner seid, so fertigt mir
zugleich auch eine Schrift, ihr wißt schon für was,
aus; hier ist mein Rosenkranz, er ist bei der heiligen Magdalene
funfzehn Goldgulden wert, und ich behalte noch etwas Absolution
übrig.
Ferara schrieb, und der Papst unterzeichnete.
Teufel.
Glaubt denn Ew. Heiligkeit, daß der Satan des
Fetzen Papiers achten wird?
Der Großinquisitor zog plötzlich seine Hand aus dem
Busen einer äbtissin, fuhr glühend auf und schrie mit
lallender Zunge:
>>Wa - was ist das?
Ich rieche Ketzerei!
Wer ist der Atheist,
der diesen Frevel gesprochen hat?
<<
Der Papst drückte dem Teufel den Zeigefinger leise auf den
Mund, und sagte: >>Kavalier, dieses sind Staatsgeheimnisse!
berühre sie nicht, denn ich darf selbst dich nicht retten,
wenn der päpstliche Stuhl bestehen soll.<<
Um dem Papst den Hof zu machen, und zugleich das Gewissen zu beruhigen,
öffnete jeder der Anwesenden seinen Beutel.
Ferara rief noch
einige Schreiber; man fertigte ihnen die Absolution aus, und jeder
griff nach einem Gegenstand, um den übrigen Teil der Nacht
Gebrauch davon zu machen.
Nie wurden Sünden mit ruhigerm
Herzen begangen.
Ferara von Modena schrieb diesen Tarif den folgenden Morgen ins
reine, übergab ihn der Presse und ließ ihn in der
Stille in der Christenheit herumlaufen.
16
Cäsar Borgia vergaß des Worts nicht, das er seiner
Schwester gegeben hatte.
Alphonso von Aragonien ward an der Schwelle
des Palasts des Gonfaloniere ermordet, als er sich eben zu ihm
begeben wollte, einer Maskerade beizuwohnen, wozu alle Großen
Roms eingeladen waren, die Vorstellung der Siege Cäsars anzusehen,
die Borgia als Vorbedeutung der seinigen aufführen ließ.
Bald darauf setzte er sich mit seinem Heere in Marsch, und nach
einigen Monaten stahl der Teufel dem Papst folgenden Brief aus
der Tasche, den er Fausten zu lesen übergab:
Heiliger Vater!
ich küsse Ew. Heiligkeit Füße.
Sieg und Glück
haben mich begleitet, und ich ziehe sie hinter mir her wie meine
Sklaven.
Ich hoffe, Cäsar ist nun seines Namens würdig,
denn auch ich kann sagen: ich kam, sah, und siegte.
Der
Herzog von Urbino ist in die Schlinge gefallen, die ich ihm gelegt
habe.
Vermöge des Breves Ew. Heiligkeit bat ich ihn um seine
Artillerie, unter dem Vorwand, Eure Feinde zu bekriegen.
Von allen
den Gunstbezeigungen, womit wir ihm geschmeichelt haben, verblendet,
schickte er mir durch einen Edelmann seine Einwilligung schriftlich
zu.
Unter dieser Maske sandte ich einige Tausende nach Urbino,
die sich auf meinen Befehl der Stadt und des ganzen Landes bemächtigten.
Leider ist er auf das Gerücht hiervon selbst entflohen; aber
die mächtige und gefährliche Familie Montefeltro hat
bezahlen müssen, und ich habe die ganze Brut vernichten lassen.
Hierauf stieß der betörte Vitellozzo, mit seinen Völkern,
bei Camerino zu mir.
Ich ließ den Cäsar von Varano
im Wahn, ihn mit guten Bedingungen aus Camerino abziehen zu lassen,
und überfiel die Stadt in dem Augenblick, da er beschäftigt
war, die Artikel der übergabe niederzuschreiben.
Ich hoffte
der ganzen Familie durch einen Streich ein Ende zu machen; aber
leider ist mir der Vater entwischt.
Seine beiden Söhne ließ
ich erdrosseln, und schmeichle mir, der Gram soll ihnen den Alten
nachsenden.
Bald darauf zog ich von Camerino aus, und beorderte
Paul Orsino, Vitellozzo und Oliverotto mit ihren Völkern
nach Sinigaglia, das sie nach meiner Anweisung bestürmten,
um ihr künftiges Grab mit eigner Hand zu bereiten.
Nun sah
ich alle unsre Feinde in dem fein gesponnenen Netze, schickte
meinen treuen Michelotto mit seinen Gesellen voraus, mit dem Bedeuten,
daß jeder auf meinen Wink einen von unsern Feinden ergreifen
sollte.
Ich setzte mich in Marsch; die Betörten kamen mir
entgegen, mir ihre Achtung zu bezeigen, und ließen nach
meinem Wunsche ihre Mannschaft zurück.
Ich führte sie
unter Liebkosungen in die Stadt, und in dem Augenblick, als meine
Völker ihre verlaßnen Haufen überfielen, faßte
Michelotto mit seinen Angehörigen jeder seinen Mann.
So machte
ich mich zum Herrn der Länder und Schlösser derer, die
wir mit der Hoffnung von Eroberungen über ihre Feinde betört
haben.
Die folgende Nacht ließ ich sie im Kerker erwürgen.
Michelotto, dem ich dieses Geschäft übertragen, hat
mir mit vielem Lachen erzählt: Vitellozzo habe um weiter
nichts gebeten, als daß man ihn doch nicht ermorden möchte,
bis er die Absolution seiner Sünde von Ew. Heiligkeit erhalten
könnte. Man sage mir nun noch einmal, es gehöre
Kunst dazu, sich zum Herrn der Menschen zu machen!
Sobald Ew.
Heiligkeit die Orsinis und übrigen wird eingezogen haben,
will ich ihnen den Pagola, den Herzog von Gravina, und die andern
gleichfalls ohne Eure Absolution nachsenden.
Ich hoffe, Ew. Heiligkeit
wird sich aus meinem Berichte überzeugen, daß ich der
Krone wert bin, die ich mit Mut und Verstand zu erwerben weiß.
Vorher hatte ich Faenza mit seinem Herrn Astor, einem überaus
schönen Knaben von zehen Jahren, genommen.
Er soll leben,
so lange er zu meinem Vergnügen dient; wahrlich, nie hat
ein Sieger einen reizendem Ganymed zur Beute erhalten, und herrschte
der lüsterne Jupiter noch, so würde ich den gefährlichen
und mächtigen Nebenbuhler fürchten.
Sollte Caraccioli,
der General der Venezianer, dessen schöne Frau ich auf ihrer
Reise aufheben ließ, und die mir nun mit Astor die Arbeit
würzt, nach Rom kommen, so empfehlt ihn dem Bruder meines
Michelottos.
Ich höre, daß er viel Lärmens macht,
und da er ein hitziger Kopf ist, so muß man seiner Rache
zuvorkommen.
Die Venezianer verstehen ihren Vorteil zu gut, als
daß sie sich um seinetwillen mit uns überwerfen sollten.
Das Geräusch der Waffen hat mich der Angelegenheiten meiner
Schwester nicht vergessen machen.
Der Abgesandte des ältesten
Sohns des Herzogs von Este ist auf dem Wege, die Vermählung
in seinem Namen mit ihr zu vollziehen, und ich hoffe ihr noch
beizuwohnen.
Wir sind nun der Colonne, der Orsinis, Salviatis,
Vitellozzos und all unsrer gefährlichen Feinde los!
Laßt
uns noch das Haus Este und Medicis vertilgen, Ludwig den zwölften
sich wie sein Vorgänger in Italien aufreiben, wer wird es
dann noch wagen, gegen die Borgias aufzustehen?
Ich küsse
Ew. Heiligkeit die Füße etc.
Cäsar Borgia. Gonfalonier.
Faust sah nach Lesung dieses Briefs finster gen Himmel, und rief:
>>Er ist dein Statthalter, nennt sich nach dir, dein Volk
betet ihn an, und deine Gläubigen flehen ihn um Absolution
ihrer Sünde in dem Augenblick, da er sie erwürgen läßt!
Ein blutschändrischer Meuchelmörder vertritt deine Stelle
auf Erden, Tyrannen geißeln und erwürgen deine Völker,
du schläfst, und sie nennen dich ihren Vater!
Ist alles Feuer
in den Eingeweiden der Erde verloschen? hast du es ausgeblasen?
vermag es nicht mehr durch die dicke Kruste der verfluchten Erde
zu brechen, um die wahnsinnigen, die scheußlichen Verbrecher
aufzuzehren? hast du alle Materie des Donners verbraucht?
Sind
alle die Funken verstoben, die du einst in glühendem Feuerregen,
über ganze Städte gossest!
hast du ganz deinen Blick
von dem Menschengeschlecht abgewandt, und sind sie deiner Rache
so wenig mehr wert wie deiner väterlichen Fürsorge?
<<
Der Teufel lachte über diese Standrede und führte den
Entflammten in das Vatikan, wo sie den Papst in großer Freude
über das Glück seiner Waffen antrafen.
Er hatte schon
die Befehle gegeben, die übrigen der Orsinis, den Alviano,
Santa Croce, die sonstigen Kardinäle und Erzbischöfe
in die Falle zu locken, und wartete mit Ungeduld auf den Ausgang.
Ganz Rom eilte zum Glückwunsch herbei.
Die bezeichneten wurden
im Vatikan festgenommen, nach verschiednen Gefängnissen gebracht,
und heimlich hingerichtet, während die Trabanten des Papsts
ihre Paläste plünderten.
Der Kardinal Orsini ward allein
nach der Engelsburg gebracht, und ihm die ersten Tage erlaubt,
sich aus der Küche seiner Mutter besorgen zu lassen; da aber
der Papst hörte, daß er seit seiner Gefangenschaft
einen Weinberg für zweitausend Scudis verkauft hätte,
und eine wegen ihrer außerordentlichen Größe
sehr kostbare Perle besäße, so entzog er ihm diese
Gunst.
Die Mutter der einst großen und blühenden Orsinis
hüllte sich in Mannskleider, überbrachte dem Papst die
zweitausend Scudis und die Perle, er nahm sie mit der Rechten,
und gab mit der Linken das Zeichen zur Hinrichtung des Kardinals.
Dieser Zug machte Fausten so wahnsinnig, daß der Teufel
allen seinen Witz brauchte, um ihn zu Verstand zu bringen.
Er
forderte nicht weniger von ihm, als das ganze Vatikan mit allen
Borgias zu zertrümmern, und die Menschheit an den Ungeheuern
zu rächen.
Der Teufel antwortete: >>Faust, ich wollte, aber es gelung
mir nicht.<<
Faust.
Ha, wie?
Teufel.
Erinnerst du dich der Gefahr Alexanders vor kurzem?
Faust.
Ich tue es, denn ich wütete gegen den rettenden
Zufall, der den rächenden Zufall fruchtlos machte.
Teufel.
Zufall! rettender Zufall! rächender Zufall!
Was denkst du unter diesem schallenden Geprassel von Worten?
Und
was für eine Art von Philosoph bist du, wenn du etwas darunter
denken kannst?
O der Menschen! o der Vernunft!
Nein, Faust, ich
war der rächende Zufall, um mich deiner hohen Gunst zu empfehlen,
denn du wirst dich erinnern, daß du mir auftrugst, ihn zu
verderben; aber der rettende Zufall kam von einer Hand, deren
Macht ich in diesem Augenblick noch bebend fühle.
Faust.
Höllischer Gaukler! warte, ich will dich Beseßnen
exerzieren.
Welche gefährliche Schlingen wirfst du nun wieder
um mein törichtes Herz?
Teufel.
Schlingen?
Ich?
Dir?
Tor, spinnt sie nicht dein Herz
aus seinen eignen Händen?
Sei stolz darauf, daß deine
Weisheit und Torheit dein eignes Werk seien, ich bin nicht so
vermessen, mich meines Einflusses da zu rühmen, wo man seiner
so wenig bedarf.
- Erinnerst du dich des sausenden Sturms in
Hagel und Donner, der über Rom hinfuhr?
Faust.
Ich tue es.
Teufel.
Ich hatte mich in den sausenden Sturm geschwungen,
fuhr prasselnd in den Rauchfang des Vatikans, zersprengte ihn
und das Dach, warf das Dach auf die goldne Decke des Zimmers,
in welchem Alexander saß, auf neue Greuel sinnend, während
er seine Horas betete.
über sein Haupt schossen die Balken
- ich hoffte, sie sollten ihn zerschmettern.
Plötzlich sah
ich sie schweben über dem Haupte des Sünders, gefesselt
von einer mächtigen Hand, gehalten von dünnen Fäden
der Spinnen.
Zur Warnung war er nur leicht verwundet - ich sah
das ungeheure Gewicht schweben, an den dünnen Fäden,
Faust, Schauder überfiel mich, und schon wollt ich das Licht
fliehen.
Faust.
O daß ich dich Elenden für deinen halben
Dienst, für deinen giftigen Bericht züchtigen könnte,
wie es mein nun empörtes Herz heischt.
Teufel.
Versuch es!
- Ich sage dir, es gehört zur Ordnung
der Dinge, daß er noch mehr Verbrechen begehe.
Die wachende
Vorsicht beschützte ihn nur, daß er mutiger in Greueln
werde; so befördert er vermutlich die verborgenen Absichten,
die die Zukunft aufklärt.
Faust.
Und die, die durch ihn leiden?
Teufel.
Ja, da ist deine hohe Weisheit in der Klemme!
Dies
ist die Angel, womit eure Philosophie die kühnen Forscher
fängt, und nach sich zieht, bis sie daran ersticken.
Sei
ruhig, Faust, dir soll bald Licht werden - und dieser Papst da,
der soll mir nicht entgehen.
Ich wittere den Augenblick seines
Falls, wie das leise Aufwallen der ersten Begierde zur Sünde
- du wirst dich dran ergötzen; aber ob es die trösten
kann, die durch ihn gelitten haben - He!
Der Teufel goß öl in die glühende Flamme, und
leicht konnte er nun Fausten beweisen, daß es nicht seine,
sondern die Sache des Himmels sei, dem Bösen zu wehren, und
er führte dieses Thema so aus, daß Faust zwar von seinem
Wahnsinn geheilt wurde, aber an einer noch gefährlichern
Seuche erkrankte; er überzeugte sich nun völlig, der
Mensch sei ein elender Sklave, und sein Herr und Schöpfer
ein grausamer Despot, der an seinem Unsinn und seinem Frevel einen
Gefallen hätte, um ihn desto schärfer bestrafen zu können;
ja der ihm geflissentlich alle diese, seinem Glücke widersprechende
Neigungen in das Herz gelegt hätte, um seiner Rache an ihm
genug zu tun.
Die Tugendhaften und Gerechten hielt er für
Toren, die den Bösen zum Raub und Fraße hingeworfen
wären; aber fürchterlich peinigte ihn Leviathans Vorspiegelung
der wunderbaren Rettung des Papsts, die ganz Rom bezeugte und
ganz Rom nicht begriff.
Als Borgia erfuhr, daß der Papst seinen Anschlag ausgeführt
hätte, ließ er seine übrigen Gefangnen, nebst
dem jungen Astor, erdrosseln, zog in Rom triumphierend ein, und
teilte mit dem Papst und den übrigen Bastarden den Raub der
Plünderung der Paläste.
17
Die Hochzeit der Lucrezia wurde bald hierauf mit allem asiatischen
Pracht gefeiert, und jeder Römer strebte, dieses Fest durch
allen möglichen Glanz zu verherrlichen.
Den Tag der Vermählung
läutete man alle Glocken, die Artillerie donnerte von der
Engelsburg, man hielt Stiergefechte, spielte sittenlose Komödien,
und das betäubte Volk schrie vor dein Vatikan: >>Es lebe
Papst Alexander!
Es lebe Lucrezia, die Herzogin von Este!<<
Faust brüllte mit, und sagte zum Teufel: >>Wenn nun dieses
Geschrei mit dem Gewinsel der Ermordeten an das Gewölbe des
Himmels anschlägt, wem soll der Ewige glauben?
<< Der
Teufel beugte sich zur Erde und schwieg.
Um das Ende der Feierlichkeiten der Hochzeit zu krönen, hatte
Alexander mit seiner Tochter auf den Abend eines Sonntags ein
Schauspiel angeordnet, wovon bisher die Jahrbücher der Greuel
der Menschheit noch kein Beispiel gegeben haben.
Der Papst saß
mit seiner Tochter auf einem Ruhebette, in einem großen
hellerleuchteten Saale; Faust, der Teufel, und die übrigen
zu diesem Fest erlesenen stunden um sie herum.
Auf einmal öffneten
sich die Türen, und es traten funfzig reizende Kurtisanen
in dem Stand der Natur herein, die nach dem wollüstigen Geflüster
blasender Instrumente einen Tanz aufführten, den uns der
Wohlstand verbietet zu beschreiben, ob gleich ein Papst die Stellungen
dazu erfunden hat.
Nach dem Tanz gab Seine Heiligkeit ein Zeichen
zu einem Wettkampf, den wir noch weniger beschreiben können,
und hielt den Preis des Sieges in den Händen, um die Kämpfenden
mutiger zu machen.
Die unparteiischen Römer riefen endlich
Fausten als Sieger aus; Lucrezia bekränzte ihn mit Rosen
unter Küssen, und der Papst übergab dem wackern Teutschen,
als Preis des Sieges, einen goldnen Becher, worauf Lucrezia die
Schule der Wollust hatte graben lassen.
Faust schenkte ihn seinem
feinsten Kuppler, einem venezianischen Mönch, bei dem ihn
lange hernach der göttliche Aretino sah, und seine berüchtigte
Situationen darnach kopierte.
Dieser Sieg kostete indessen Fausten
so viel, daß er mit der letzten Kraft seines Körpers
auch die letzte Kraft seines Geistes zerbrach.
Der Teufel, der
ihn nun zu seinem Zwecke völlig reif sah, frohlockte ihm
lauten Beifall entgegen.
18
Der Papst hatte bei der Vermählung seiner Tochter eine Kardinalsbeförderung
vorgenommen, wozu er die reichsten Prälaten auslas, und da
Cäsar Borgia zu dem künftigen Feldzuge große Summen
brauchte, so nahm er sich vor, einige davon bei einem Feste, das
sein Vater auf der Villa gab, in die andre Welt zu schicken.
Der
Papst fuhr mit seiner Tochter, dem Teufel, Fausten, dem Borgia
und der Gemahlin des Venezianers früh nach dieser Villa.
Um der Lucrezia ein neues Vergnügen zu machen, ließ
er einige rosigte Stuten in den Hof führen, sie von feurigen
neapolitanischen Hengsten bespringen, und dieses Schauspiel ergötzte
Lucrezia auf eine ganz besondre Art.
Die Neuvermählte, von
diesem Schauspiel gereizt, zog Fausten in ein Seitenzimmer, fand
aber bald, daß seine Kleinodien einen dauerhaftern Wert
hätten als er.
Borgia begab sich mit der Venezianerin in
ein andres Seitenzimmer, und der Papst blieb mit dem Teufel allein.
Die Gesichtsbildung Leviathans hatte schon lange besonders auf
ihn gewürkt, und erhitzt von dem, was er gesehen, fing er
an, dem Teufel gewisse Anträge zu machen, bei welchen sich
dieser in ein wildes Lachen ausschüttete; da aber der Papst
immer heftiger in ihn drang, und er merkte, daß er in Gefahr
sei, seine hohe unsterbliche Person von einem verächtlichen
Menschen, und gar von einem Papste, besudelt zu sehen, so erwachte
der schwarze Groll der Hölle in seinem Geist, und er stund
in dem entscheidenden Augenblick in einer Gestalt vor ihm, die
nie ein lebendes Auge gesehen, noch zu sehen wagen darf.
Der Papst,
der ihn gleich erkannte, erhub ein Freudengeschrei:
>>Ah ben venuto, Signor diavolo!
Wahrlich, du kannst mir zu
keiner gelegnern Zeit erscheinen als jetzt, und schon lange habe
ich deine Gegenwart gewünscht, denn ich weiß, wozu
man einen so mächtigen Geist, wie du bist, brauchen kann.
Ha! ha! ha!
du gefällst mir weit besser so als vorher.
Du
Schäker du!
Komm! und sei mein Freund, nimm deine vorige
Gestalt an, und ich will dich zum Kardinal machen, denn nur du
allein kannst mich schnell auf die hohe Stufe heben, die ich zu
ersteigen strebe.
Ich bitte dich, hilf mir meine Feinde vertilgen,
schaffe mir Geld, und jage mir die Franzosen aus Italien, die
ich nicht mehr brauche.
Dies ist für einen Geist, wie du
bist, das Werk eines Augenblicks, und du kannst zum Lohn von mir
fordern, was dir gefällt.
Nur offenbare dich nicht meinem
Sohne Cäsar, er ist ein so großer Bösewicht, daß
er mich selbst vergiften würde, um durch dich König
von Italien und Papst zugleich zu werden.<<
Der Teufel, den es anfangs ein wenig verdroß, daß
sein furchtbares äußere nicht mehr auf den Papst würkte,
konnte sich doch endlich des Lachens nicht enthalten.
Denn das,
was er sah und hörte, übertraf alle Taten der Menschen,
die die Hölle zu ihrer Ergötzung aufgezeichnet hat.
Er sagte hierauf mit ernster Miene:
>>Papst Alexander, der Satan zeigte einst dem Sohne des Ewigen
alle Herrlichkeit der Welt, und bot sie ihm an, so er niederfiele
und ihn anbetete<< -
Papst.
Ich verstehe dich.
Er war ein Gott, und bedurfte nichts,
wäre er ein Mensch und Papst gewesen, er hätte es gemacht
wie ich.
Er fiel nieder, betete den Teufel an, und küßte seine
Füße.
Der Teufel stampfte auf den Boden, daß die Villa erbebte.
Faust und Lucrezia, Cäsar und die Venezianerin sahen durch
die losgefahrnen Türen den Papst vor der schrecklichen Gestalt
des Teufels mit gefaltnen Händen knien; dann rief dieser
mit bittrem Hohne:
>>Sodomie und dann Anbetung des Teufels!
bei dem Satan, dem
Herrscher des dunklen Reichs, ein Papst kann in keinem schönern
Augenblick seines Lebens zur Hölle fahren.<<
Er faßte den Bebenden, erwürgte ihn, und übergab
seinen Schatten einem Geiste, ihn nach der Hölle zu fördern.
Borgia sank vor Schrecken zusammen, und der furchtbare Anblick
zog ihm eine Krankheit zu, die ihn außer alle Tätigkeit
setzte, um alle Früchte seines Frevels brachte, und die schwarzen
Taten der Borgias dienten nur zur Vergrößerung des
päpstlichen Stuhls.
Der erwürgte und scheußlich
verstellte Papst wurde mit vielem Pompe begraben, und die Geschichtschreiber,
die mit seinem tragischen Ende nicht so bekannt waren, wie ich
es bin, erfanden die Fabel, die eines Teils auf Wahrheit gegründet
ist: er und sein Sohn hätten aus Versehen eines Dieners aus
einer den Kardinälen bestimmten, vergifteten Flasche getrunken,
und sich so in ihrem eignen Netze gefangen.
Fünftes Buch
1
Die scheußliche Anbetung des Papsts, sein schaudervolles
Ende, der schreckliche Anblick des Teufels, den Faust bisher nur
unter seiner erhabenen Gestalt gesehen hatte, machten einen so
starken Eindruck auf ihn, daß er von der Villa nach Rom
eilte, aufpacken ließ, und mit betäubtem Sinn und klopfendem
Herzen davon ritt.
Sein Gefühl war durch alles, was er gesehen
und beobachtet hatte, so stumpf geworden, daß er, der so
kühn war, dem Ewigen in seinem Innern zu trotzen, es kaum
wagte, dem Teufel, den er noch sklavisch beherrschte, in die Augen
zu sehen.
Menschenhaß, Menschenverachtung, Zweifel, Gleichgültigkeit
gegen alles, was um ihn geschah, Murren über die Unzulänglichkeit
und Beschränktheit seiner physischen und moralischen Kräfte
waren die Ernte seiner Erfahrung, der Gewinn seines Lebens; aber
noch weidete er sich an dem Gedanken, daß ihn das, was er
gesehen, zu diesen widrigen Empfindungen berechtigte, und daß
entweder keine Verbindung auf Erden zwischen dem Menschen und
seinem Schöpfer sei; oder doch der Faden, der ihn mit demselben
verbände, so verworren und zweideutig durch dieses Labyrinth
des Lebens liefe, daß ihn das Auge des Menschen nicht entdecken,
vielweniger eine gute Absicht dabei wahrnehmen könnte.
Noch
schmeichelte er sich in seinem Wahne, seine Verirrungen seien
in der ungeheuern Masse der Greuel der Erde wie ein Tropfen Wassers,
der in den Ozean fällt.
Der Teufel erlaubte ihm gerne, sich
in diesem Traume zu wiegen, damit der Schlag, den er voraussah,
ihn so treffen möchte, daß er der Verzweiflung nicht
entfliehen könnte.
So glich nun Faust dem welterfahrnen Manne,
der seinen Leidenschaften den Zügel gelassen, so lange seine
Kräfte dauerten, der das Gefühl der Natur in seinem
Herzen aufgerieben, alles ohne Bedenken der Folgen für sich
und andre genossen hat, und nun in Stumpfheit des Geistes und
des Herzens bitter in die Welt zurückblickt, das ganze Menschengeschlecht
nach der schwarzen Erfahrung beurteilt, die er gemacht hat, ohne
nur einmal zu bedenken, daß diese Erfahrung ihren Anstrich
von unserm Innern erhält, und sich hauptsächlich nach
unserm eignen Werte bestimmt.
Nur das feige, schlechte Herz wird
schlechter durch Erfahrung; der Edle sieht die Laster und Verirrungen
der Menschen bloß als Dissonanzen an, die die Harmonie seiner
Brust in ein helleres Licht setzen, und ihm sein eignes Glück
fühlbarer machen.
Faust, der alle häusliche und innige
Verbindung zerrissen hatte, in dem Lauf seines fernern Lebens
keine mehr aufzufassen strebte, durch seine Zerrüttung und
Denkart nun keiner mehr fähig war, blickte düster in
die Welt und auf die Menschen, bis er, von allgemeinen Betrachtungen
auf sich geleitet, mit Schrecken vor seinem eignen Bilde zurückfuhr.
Er fing an zu überrechnen, was er durch sein gefährliches
Wagstück gewonnen hätte, und da er dieses gegen seine
ehemaligen Wünsche, Aussichten und Hoffnungen hielt, so sah
er bald, daß die völlige Ausgleichung so ausfallen
müßte, daß er sie nicht ertragen würde.
Der Stolz, die Rolle, die er so kühn unternommen, seiner
ehemaligen Kraft würdig auszuspielen, trat hervor, und der
Gedanke, sich der Zahl derer entrissen zu haben, die eine unbesorgte
Hand der Gewalt, der Geißel der Mächtigen, den Unterdrückern
und Betrügern der Menschen unterworfen, alles genossen zu
haben, noch genießen zu können, das Werk seiner eignen
freien Wahl zu sein, das Leere der Wissenschaften eingesehen zu
haben, schwellten auf einmal von neuem seine Segel.
Er lachte
der Erscheinung seiner kranken Phantasie, entwarf einen neuen
Lebensplan, schmeichelte sich, durch Forschen und Nachdenken über
Gott, die Welt und die Menschen die Rätsel endlich zu enthüllen,
von welchen er glaubte, sie seien dem Menschen nur darum in den
Weg geworfen, seinen moralischen Zustand so unglücklich zu
machen, als seinen physischen.
>>Wer diesen Knoten gelöst,
oder sich überzeugt hat, daß er nicht zu lösen
sei<<, sagte er in seinem Herzen, >>der macht sich
zum Meister seines Geschicks<<, und so wäre er gewiß
aus seinem scholastischen Jahrhundert in unser hellphilosophisches
hinüber gesprungen, wenn der Teufel nicht an seiner Seite
gewesen wäre; oder ihm Zeit dazu gelassen hätte.
Wenigstens
war er auf dem Wege, ein Philosoph wie Voltaire zu werden, der
nur überall das Böse sah, es hämisch hervorzog,
und alles Gute verzerrte, wo er es fand; oder mit einem
edlern Philosophen zu reden: der überall den Teufel sah,
ohne an ihn zu glauben.
2
Faust lag in einem süßen Morgenschlummer auf der Grenze
Italiens, als sich ein sehr bedeutender Traum vor seinem Geiste
mit lebhaften Farben malte.
Ihn beschloß eine schaudervolle
Erscheinung.
Er sah den Genius der Menschheit, der ihm
einst erschienen, auf einer großen, blühenden Insel,
die ein stürmisches Meer umfloß, unruhig auf und nieder
wandern, und sehr ängstlich nach den brausenden empörten
Fluten blicken.
Das tobende Meer war mit unzähligen Kähnen
bedeckt, in welchen Greise, Männer, Jünglinge, Knaben,
Kinder, Weiber und Jungfrauen von allen Völkern der Erde
saßen, die mit allen Kräften gegen den Sturm arbeiteten,
um die Insel zu erreichen.
Sowie die Glücklichen nach und
nach landeten, luden sie verschiedne Baumaterialien aus, die sie
in verworrnen Haufen hinwarfen.
Nachdem eine unzählbare Menge
das Land betreten hatte, entwarf der Genius auf der erhabensten
Stelle der Insel den Grundriß zu einem großen Baue,
und jeder der Menge, alt und jung, schwach und stark, nahm von
den verworrnen Haufen ein schickliches Stück, und trug es
nach der Anweisung derer, die der Genius erlesen hatte,
an den gehörigen Ort.
Alles arbeitete mit Freuden, Mut und
Unverdrossenheit, und schon erhub sich das Gebäude hoch über
der Erde, als sie auf einmal von großen Scharen überfallen
wurden, die aus einem dunklen Hinterhalt in drei Haufen auf sie
drangen.
An der Spitze eines jeden stund ein besondrer Heerführer.
Der erste trug eine schimmernde Krone auf seinem Haupte, auf seinem
ehernen Schilde glänzte das Wort Gewalt, in seiner
Rechten hielt er einen Szepter, der wie der Stab Merkurs mit einer
Schlange und einer Geißel umwunden war.
Vor ihm her ging
eine Hyäne, die ein Buch im blutigen Rachen trug, auf dessen
Rücken geschrieben stund: mein Wille! Sein Heer war
mit Schwertern, Speeren und andern zerstörenden Werkzeugen
des Krieges bewaffnet.
Der zweite Heerführer war eine erhabene
Matrone, deren sanfte Züge und edle Gestalt unter einem Priestergewand
versteckt waren.
Auf ihrer Rechten ging ein hagres Gespenst, mit
blitzenden Augen, der Aberglauben, mit einem Bogen, der
aus Knochen der Toten gebildet und zusammengesetzt war, und mit
einem Köcher voll giftiger Pfeile bewaffnet.
Auf ihrer Linken
schwebte eine wilde, phantastisch gekleidete Gestalt, die Schwärmerei,
die eine brennende Fackel führte; beide drohten unter scheußlichen
Verzerrungen des Gesichts, und führten als gefangne Sklavin
die edle Matrone an Ketten.
Vor ihnen her ging die Herrschsucht,
auf ihrem Haupte eine dreifache Krone, in der Hand einen Bischofsstab,
und auf ihrer Brust schimmerten die Worte: Religion! Der
Aberglauben und die Schwärmerei erwarteten
mit Ungeduld das Zeichen von dieser, dem Drang ihrer Wut, die
sie kaum halten konnten, folgen zu dürfen.
Ihr Heer war ein
verworrner, tobender, bunt gekleideter Haufen, und jeder desselben
führte einen Dolch und eine brennende Fackel.
Der dritte
Heerführer ging mit stolzen und kühnen Schritten einher;
er war in das bescheidne Gewand des Weisen gekleidet, und hielt,
wie ein jeder seines Haufens, einen Becher in der Hand, der mit
einem schwindelnden und berauschenden Getränke gefüllt
war.
Diese zwei letzten Haufen tobten und schrien so entsetzlich,
daß das Tosen und Gebrause der Wellen, das Geheul des Sturms
nicht mehr zu hören war.
Als sie den Arbeitern nah waren, mischten sich die drei Haufen
auf Befehl ihrer Führer untereinander, und fielen diese mit
ihren zerstörenden Waffen in grimmiger Wut an.
Die mutigsten
der Arbeiter warfen ihre Werkzeuge weg, und griffen zu den Schwertern,
mit denen sie begürtet waren, um die Feinde zurückzuschlagen.
Die andern verdoppelten indessen ihren Eifer, das angefangne Werk
zu vollenden.
Der Genius deckte seine mutige Streiter und
fleißige Arbeiter mit einem großen glänzenden
Schilde, den ihm eine Hand aus den Wolken reichte; er konnte aber
die unzählbare Menge nicht bergen.
Mit tiefem Schmerze sah
er viele Tausende der Seinigen unter den vergifteten Pfeilen und
den mörderischen Waffen hinsinken.
Viele ließen sich
von den Vorspieglungen und Lockungen derer betören, die ihnen
die bezauberten Becher als Erquickung darreichten, taumelten dann
in wildem Rausche herum, und zerstörten die mühsame
Arbeit ihrer Hände.
Die mit den Fackeln bewaffneten machten
sich mit ihren Dolchen einen Weg, warfen ihre Fackeln in das angefangne
Gebäude, schon loderte die Flamme, und drohte das herrliche
Werk in die Asche zu legen.
Der Genius sah mit schmerzvollem Blick
auf die Gefallnen und Verirrten, sprach den übrigen Mut zu,
flößte ihnen durch seine Standhaftigkeit und Erhabenheit
Kraft, Geduld und Ausharren ein.
Sie löschten die Flammen,
stellten das Zerrüttete her, und arbeiteten unter Verfolgung
und Tod mit solchem Eifer, daß trotz der Wut und dem Haß
ihrer Feinde ein großer, herrlicher, edler Tempel emporstieg.
Der Sturm legte sich, und helle sanfte Heiterkeit ergoß
sich über die ganze Insel.
Hierauf heilte der Genius
die Verwundeten, tröstete die Müden, pries die tapfern
Streiter, und führte sie unter Siegesgesängen in den
Tempel ein.
Ihre Feinde stunden betäubt vor dem Riesenwerk,
und zogen sich, nachdem sie vergebens versucht hatten, dessen
Feste zu erschüttern, ergrimmt zurück.
Faust befand
sich nun selbst auf der Insel.
Das Feld um den erhabenen Tempel
war mit Leichen der Erschlagenen von allen Altern beider Geschlechter
bedeckt, und diejenigen, die aus den Zauberbechern getrunken hatten,
gingen kalt unter den Toten herum, vernünftelten, spotteten
und kritisierten über die Bauart des Tempels, maßen
seine Höhe und Breite, um seine Verhältnisse zu berechnen,
und bestimmten sie um so zuverlässiger, je weiter sie von
der Wahrheit entfernt waren.
Faust ging an ihnen vorüber,
und als er dem Tempel nahte, las er über seinem Eingang folgende
Worte: Sterblicher! wenn du tapfer gestritten, treu ausgehalten
hast, so tritt herein, und lerne deine edle Bestimmung kennen!
Sein Herz glühte bei diesen Worten, und er hoffte auf einmal,
das ihn quälende Dunkel zu durchbrechen.
Kühn drang
er nach dem Tempel, stieg die hohen Stufen hinauf, sah, wie eine
schimmernde, rosenfarbene Dämmerung ihn füllte, hörte
die sanfte Stimme des Genius, er wollte hineintreten, die
eherne Pforte fuhr mit einem dumpfen Schall vor ihm zu, und er
bebte zurück.
Nun dünkte ihn, daß der Tempel,
der vorher auf ebenem Boden gestanden, auf drei großen Felsen
ruhte, woran er die Symbole der Geduld, Hoffnung
und des Glaubens erkannte.
Seine Begierde, in die Geheimnisse
des Tempels zu dringen, nahm durch die Unmöglichkeit noch
mehr zu; auf einmal fühlte er sich Flügel, erhub sich,
und fuhr mit solchem Ungestüme gegen die eherne Pforte, daß
er zurückgeschleudert in den tiefsten Abgrund sank, und in
dem Augenblick zitternd aus dem Schlaf auffuhr, als er den Boden
zu berühren glaubte.
Er schlug betäubt die Augen auf,
eine blasse, in ein weißes Totentuch gehüllte Gestalt,
in der er seinen Vater erkannte, riß die Bettvorhänge
auseinander, und sprach mit klagender Stimme:
>>Faust!
Faust!
Nie hat ein Vater einen unglücklichern
Sohn gezeugt, in diesem Gefühl bin ich nun eben gestorben.
Ewig, ach ewig liegt die Kluft der Verdammnis zwischen mir und
dir!
<<
3
Dieses bedeutende Gesicht, und die schaudervolle Erscheinung durchbebten
die Seele Fausts; er sprang auf, öffnete das Fenster, um
freie Luft zu atmen, die ungeheuren Alpen lagen vor ihm, die aufgehende
Sonne vergoldete nun eben ihre dunklen Spitzen, und dieses Bild
schien ihm eine Dolmetschung seines Gefühls.
Er versank in
tiefe Betrachtungen; das Luftgebäude seines Stolzes fiel
zusammen, und die schlummernden Empfindungen seiner Jugend schossen
hervor, um seine Qual zu vermehren.
Der Gedanke, sein Leben dem
Wahn geopfert, die Kraft seines Geists nicht genützt, in
dem Strudel der Wollust, in dem Geräusche der Welt verbraust
zu haben, drang durch seine Seele.
Er bebte vor der Enthüllung
des nächtlichen Gesichts zurück; schon arbeitete sein
Geist an der Deutung der Bilder, als sein Herz ihn ins Dunkel
zurücktrieb:
>>Woher kamen nun diese Ungeheuer, die die fleißigen
Arbeiter überfielen?
Wer berechtigte sie zu dem Frevel, sie
in ihrer Arbeit zu stören, und sie unter ihrem edlen Tagwerk
zu ermorden?
Wer ließ es zu?
Wollte, konnte er's nicht hindern,
der es zuließ?
Wenn ich die Bilder des Gesichts recht verstehe,
so deuten sie auf die Grundstützen der in Gesellschaft gesammelten
Menschen, und jede derselben behauptet ihren Ursprung vom Himmel?
Ist ihr Vorgeben Betrug, warum leidet der schmähliche Strafe,
welcher sie antastet?
deuten sie auf Mißbrauch - wie dann?
so ist alles Mißbrauch unter der Sonne, so soll es so sein,
und mein Unwille ist gerecht.
Ist es nicht das Werk eines Höhern,
den wir nicht befragen können, der uns nichts enthüllt
hat?
Warum erlagen so viele Tausende der Wut dieser Ungeheuer?
Konnte, wollte sie der Genius nicht alle bergen?
Sind einige vorher
bestimmt, als Opfer für die andern zu fallen?
Wer steht mir
dafür, daß ich nicht einer von denen bin und sein muß,
den das Los der Verwerfung bei der Entstehung getroffen?
Mußten
es diese mit ihrem Leben erkaufen, damit jene im Triumph einzögen,
und der Ruhe genössen?
Was haben die Unglücklichen verschuldet?
Was die verschuldet, die lechzend nach dem Becher griffen, ihren
glühenden Durst zu stillen?
<<
So trieb er sich lange auf dem Meere der Zweifel herum, als ihm
durch die Erscheinung seines Vaters seine seit so langer Zeit
vergeßne Familie einfiel.
Er faßte den Entschluß,
zu den Verlaßnen zurückzukehren, in die bürgerliche
Ordnung wiederum einzutreten, sein Gewerbe zu treiben, und sich
von der lästigen Gesellschaft des Teufels zu befreien.
So
machte er sich nun auf den Weg zu seiner Heimat, wie viele, die
unbestimmtes jugendliches Brausen für Genie halten, mit großen
Ansprüchen in die Welt treten, das wenige Feuer ihrer Seele
schnell verdampfen, und mit den schalen überbleibseln sich
nach kurzem auf eben dem Punkte befinden, von dem sie ausgelaufen,
sich und der Welt zur Last.
Faust kochte dieses alles im stillen
aus, er ritt stumm, düster und mürrisch an der Seite
des Teufels.
Dieser überließ ihn gerne seinen Betrachtungen,
lachte seines Entschlusses, und verkürzte sich die Zeit mit
der süßen Hoffnung, bald wieder den süßen
Dampf der Hölle zu riechen.
Er freute sich schon im voraus
darauf, wie er des Satans spotten wollte, der ihm Fausten als
einen Kerl besondrer Kraft empfohlen hätte, den er doch vor
der Entwicklung seines Schicksals so mürbe sah.
Er stellte
sich den Kühnen in dem Augenblick vor, da er ihm zum erstenmal
erscheinen mußte, und nun sah er ihn gebeugt, wie einen
büßenden Mönch, neben sich her reiten.
Sein Haß
gegen ihn nahm zu, und er jauchzte in seinem schwarzen Inneren,
als er Worms in der Ebene vor sich liegen sah.
4
Sie ritten beide die Landstraße hinan, und als sie noch
einige Steinwürfe von der Stadt entfernt waren, sahen sie
einen Galgen nah an derselben, an welchem ein schlanker, wohlgestalteter
Jüngling hing.
Faust blickte hinauf.
Der frische Abendwind,
der durch seine blonde über sein Gesicht gefallene Haare
blies, und ihn hin und her schaukelte, entdeckte Fausten seine
jugendliche Bildung.
Er brach bei diesem Anblick in Tränen
aus, und rief mit bebender Stimme:
>>Armer Jüngling, in der ersten Blüte des Lebens
schon hier am verfluchten Holze?
Was kannst du verbrochen haben,
daß dich das Gericht der Menschen so früh verurteilt
hat?
<<
Teufel, mit ernstem und feierlichem Tone: Faust, dieses
ist dein Werk!
Faust.
Mein Werk?
Teufel.
Dein Werk!
Sieh ihn genau an - es ist dein ältester
Sohn!
Faust blickte hinauf, erkannte ihn, und sank vom Pferde.
Teufel.
Schon jetzt vernichtet?
So wirst du mich bald um
die Früchte meiner Mühe bringen, die ich nur in deinem
Jammer ernten kann.
Winsle und stöhne, die Stunde naht, worin
ich dir den dicken Schleier von den Augen reißen muß.
Höre!
ich will mit einem Atemzug das verworrne Labyrinth
weghauchen, in welchem du dich nicht finden konntest, dir Licht
über die Wege der moralischen Welt geben, und dir zeigen,
wie gewaltsam du sie durchkreuzt hast.
Ich ein Teufel, will dir
zeigen, mit welchem Rechte und Gewinn ein Wurm wie du sich zum
Richter und Rächer des Bösen aufwirft, und in die Räder
dieser so ungeheuren und fest gestimmten Maschine greift.
Langsam
will ich dir alles zuzählen, damit das Gewicht eines jeden
deines Frevels, einer jeden deiner Torheiten, schwer auf deine
Seele falle.
Erinnerst du dich des Jünglings, den ich auf
deinen Befehl, bei unserm Auszug aus Mainz, vom Ersaufen erretten
mußte?
Ich warnte dich; du wolltest dem Zug deines Herzens
gehorchen, vernimm nun die Folgen.
Hättest du jenen Bösewicht
ertrinken lassen, so würde dein Sohn nicht an diesem schändlichen
Holze sein Leben verloren haben.
Er, um deswillen du durch die
Führung des Schicksals verwegen griffst, nahte sich bald
nach deiner Entfernung deinem jungen verlaßnen Weibe.
Der
Glanz des Goldes, das wir ihr so reichlich hinterlassen hatten,
reizte ihn mehr, als ihre Jugend und Schönheit.
Es war ihm
ein leichtes, das Herz der von dir Vernachlässigten zu gewinnen,
und er machte sich in kurzem so zum Meister davon, daß sie
ihm ihre Führung, und alles, was sie besaß, überließ.
Dein Vater wollte sich seiner Wirtschaft widersetzen, der junge
Mann schlug und mißhandelte ihn, er suchte seine Zuflucht
in dem Hospitale der Armen, wo er vor einigen Tagen vor Kummer
über dich und deine Familie gestorben ist.
Da ihn dein Sohn
darauf mit heftigen Vorwürfen anfiel, und ihm drohte, trieb
er auch ihn aus dem Hause.
Dieser irrte in der Wildnis herum,
schämte sich zu betteln, kämpfte lange mit dem Hunger,
stahl endlich in einer Kirche dieser Stadt einige Groschen von
einem Opferteller, ihn zu stillen, tat es aber so unvorsichtig,
daß man ihn bemerkte, und der Hochweise Magistrat ließ
ihn aus Rücksicht seiner Jugend nur hängen, ob er ihnen
gleich unter Tränen sagte, er habe in vier Tagen nichts als
Gras verschlungen.
Deine Tochter ist in Frankfurt, prostituiert,
um zu leben, jedem ihre Jugend, der sie dafür bezahlt; dein
zweiter Sohn dient bei einem Prälaten, der die Jünglinge
dazu braucht, wozu mich der Papst einst brauchen wollte, und wofür
er eine so billige Taxe im Sündentarif festsetzte.
Der junge
von mir gerettete Mann raubte endlich deinem Weibe das letzte;
dein Freund, den wir vom Bettelstab retteten, versagte deinem
alten Vater seine Hülfe, stieß deine Kinder, die zu
ihm flüchteten, und um Brot flehten, weg, und nun will ich
dir deine Familie zeigen, damit du mit Augen siehst, was du aus
ihnen gemacht hast.
Dann will ich dich wieder hierher reißen,
Rechnung mit dir halten, und du sollst eines Todes sterben, wie
ihn kein Sterblicher gelitten hat.
Ich will deine bebende Seele
herumzerren, bis du da stehest, ein erstarrtes Bild der Verzweiflung.
5
Der Teufel ergriff den Jammernden, flog mit ihm nach Mainz, zeigte
ihm sein Weib und seine zwei jüngste Kinder, mit Lumpen bedeckt,
vor dem Franziskanerkloster sitzen, um die ekelhaften überbleibsel
des Nachtessens dieser Mönche abzuwarten.
Als die Mutter
Fausten erblickte, schrie sie: >>Ach Gott, Faust, euer Vater!
<<,
deckte ihre Augen mit ihren Händen zu, und sank in Ohnmacht.
Die Kinder liefen zu ihm, hingen sich an ihn, und schrien um Brot.
Faust.
Teufel, gebiete über mein Schicksal, laß
es schrecklicher sein, als es das Herz des Menschen tragen und
fassen kann, nur gib diesen Elenden, und errette sie vor Schande
und Hunger!
Teufel.
Ich habe für dich die Schätze der Erde
geplündert, du hast sie der Wollust und dem Vergnügen
aufgeopfert, ohne dieser Elenden zu gedenken.
Fühle nun deine
Torheit, dieses ist dein Werk; du hast das Gewebe zu ihrem Schicksal
gesponnen, und deine hungrige, bettlerische und elende Brut wird
den von dir ausgesäeten Jammer, durch Kinder und Kindeskinder,
fortpflanzen.
Du zeugtest Kinder, warum wolltest du nicht ihr
Vater sein?
Warum hast du da das Glück gesucht, wo es nie
ein Sterblicher gefunden hat?
Blicke sie noch einmal an, und dann
fort; in der Hölle siehst du sie einst wieder, wo sie dich
für die Erbschaft verfluchen werden, die sie dir nur zu danken
haben.
Es riß ihn von den Jammernden, sein Weib wollte soeben seine
Knie umfassen, und um Erbarmung flehen - Faust wollte sich zu
der Unglücklichen neigen, der Teufel faßte ihn, und
stellte ihn abermals unter den Galgen bei Worms.
6
Die Nacht senkte sich schwarz auf die Erde.
Faust stund vor dem
grausenden Anblick seines unglücklichen Sohns.
Wahnsinn glühte
in seinem Gehirne, und er rief im wilden Tone der Verzweiflung:
>>Teufel, laß mich diesen Unglücklichen begraben,
entreiße mir dann das Leben, und ich will in die Hölle
hinunterfahren, wo ich keinen Menschen im Fleische mehr sehen
werde.
Ich habe sie kennen gelernt, mir ekelt vor ihnen, vor ihrer
Bestimmung, vor der Welt, und dem Leben.
Die gute Tat zog unaussprechliches
Weh auf mein Haupt, und ich hoffe, die bösen allein sind
zum Glück ausgeschlagen.
So muß es sein in dem tollen
Sinn des Wirrwarrs auf Erden.
Fördere mich hinunter, ich
will ein Bewohner der Hölle werden, ich bin des Lichts müde,
gegen welches ihre Dunkelheit vielleicht Tag ist.
-
Teufel.
Nicht zu rasch!
- Faust, ich sagte dir einst, du
solltest das Stundenglas deiner Zeit selbst zerschlagen, du hast
es in diesem Augenblick getan, und die Stunde der Rache ist da,
nach der ich so lange geseufzt habe.
Hier entreiße ich dir
deine mächtige Zauberrute, und feßle dich in den engen
Bezirk, den ich nun um dich ziehe.
Hier sollst du mich anhören,
heulen und zittern: ich ziehe die Schrecken aus dem Dunkel hervor,
enthülle die Folgen deiner Taten, und ermorde dich mit langsamer
Verzweiflung.
So jauchze ich, so siege ich über dich!
Tor, du sagst, du hättest den Menschen kennen gelernt?
Wo?
Wie und wenn?
Hast du auch einmal seine Natur erwogen? durchforscht,
und abgesondert, was er zu seinem Wesen Fremdes hinzugesetzt,
daran verpfuscht und verstimmt hat?
Hast du genau unterschieden,
was aus seinem Herzen, und was aus seiner durch Kunst verdorbenen
Einbildungskraft fließt?
Hast du die Bedürfnisse und
Laster, die aus seiner Natur entspringen, mit denen verglichen,
die er der Kunst und seinem verdorbenen Willen allein verdankt?
Hast du ihn in seinem natürlichen Zustand beobachtet, wo
jede seiner unverstellten äußerungen das Gepräge
seiner innern Stimmung an sich trägt?
Du hast die Maske
der Gesellschaft für seine natürliche Bildung genommen,
und nur den Menschen kennen gelernt, den seine Lage, sein Stand,
Reichtum, seine Macht und seine Wissenschaften, der Verderbnis
geweiht haben, der seine Natur an eurem Götzen, dem Wahn,
zerschlagen hat. An die Höfe, in die Paläste hast
du dich gedrängt, wo man der Menschen lacht, indem man sie
mißbraucht, wo man sie mit Füßen tritt, während
man das verpraßt, was man ihnen geraubt hat.
Die Herrscher
der Welt, die Tyrannen mit ihren Henkersknechten, wollüstige
Weiber, Pfaffen, die eure Religion als Werkzeug der Unterdrückung
nutzen, die hast du gesehen, und nicht den, der unter dem schweren
Joche seufzt, des Lebens Last geduldig trägt, und sich mit
Hoffnung der Zukunft tröstet.
Stolz bist du die Hütte
des Armen und Bescheidnen vorübergegangen, der die Namen
eurer erkünstelten Laster nicht kennt, im Schweiß seines
Angesichts sein Brot erwirbt, es mit Weib und Kindern treulich
teilt, und sich in der letzten Stunde des Lebens freut, sein mühsames
Tagwerk geendet zu haben.
Hättest du da angeklopft, so würdest
du freilich ein schales Ideal von heroischer, überfeiner
Tugend, die eine Tochter eurer Laster und eures Stolzes ist, nicht
gefunden haben; aber den Menschen in stiller Bescheidenheit, großmütiger
Entsagung, der unbemerkt mehr Kraft der Seele und Tugend ausübt,
als eure im blutigen Felde, und im trugvollen Kabinete, berühmte
Helden.
Ohne letztere, Faust, ohne eure Pfaffen und Philosophen,
würden sich bald die Tore der Hölle zuschließen.
Kannst du sagen, daß du den Menschen kennest, da du ihn
nur auf dem Tummelplatz der Laster und deiner Lüste gesucht
hast?
Kennst du dich selbst?
Laß mich tiefer reißen,
ich will mit Sturm in die Glut blasen, die du in deinem Busen
gesammelt hast.
Wenn ich tausend menschliche Zungen hätte,
und dich Jahre in diesem Kreise gefesselt hielte, so könnte
ich dir doch nicht alle die Folgen deiner Taten und Verwegenheiten
entwickeln.
Durch Jahrhunderte läuft das Gewebe des Unglücks
deiner Hand, und künftige Geschlechter verfluchen einst ihr
Dasein, weil du in wahnsinnigen Stunden deinen Kitzel befriedigt;
oder dich zum Richter und Rächer menschlicher Handlungen
aufgeworfen hast.
Sieh, Kühner, so bedeutend wird euer Würken,
das euch Blinden so beschränkt scheint!
Wer von euch kann
sagen, die Zeit vertilgt die Spur meines Daseins?
Weißt
du, was Zeit und Dasein sind und sagen wollen?
Schwellt der Tropfen,
der in das Weltmeer fällt, nicht die Woge um einen Tropfen?
Und du, der nicht weiß, was Anfang, Mittel und Ende sind,
hast mit verwegner Hand die Kette des Geschicks gefaßt,
und an den Gliedern derselben genagt, ob sie gleich die Ewigkeit
geschmiedet hat!
Nun ziehe ich den Vorhang hinweg, und schleudre
das Gespenst Verzweiflung in dein Gehirn.
Faust drückte seine Hände vor seine Augen, der Wurm
der Qual sog an seinem Herzen.
Teufel.
Vernimm nun deines Lebens Gewinn, und ernte ein,
was du gesäet hast, erinnre dich dabei, daß ich keinen
deiner Frevel ausführte, ohne dich vor den Folgen zu warnen.
Gezwungen von dir, unterbrach ich den Lauf der Dinge, und ich
der Teufel stehe schuldlos vor dir, denn alles sind Taten deines
eignen Herzens.
Denkst du noch der Nonne Klara, der wollüstigen Nacht, die
du mit ihr zugebracht?
Wie solltest du nicht, da sie dich so sehr
ergötzte?
Höre die Folgen derselben!
Kurz nach unsrer
Entfernung starb der Erzbischof, ihr Freund und Beschützer,
und sie mußte nach ihrer Niederkunft mit ihrem Kinde als
ein Gegenstand des Abscheus im peinlichen Kerker den verzweifelnden
Hungertod sterben.
In der Wut fiel sie über den Neugebornen
her, sättigte sich an deinem und ihrem Blute, und verlängerte
ihre scheußliche Marter, so lange der unnatürliche
Fraß dauerte.
Was hatte sie verbrochen, sie, die ihr Verbrechen
nicht begriff, den Urheber ihrer Schande, und ihres schrecklichen
Todes, weder kannte noch ahndete?
Fühle nun die Folgen einer
einzigen Sekunde der Wollust, und bebe!
Hast du nicht den Wahnsinn
bekräftigt, der sie verdammte?
Mußte die Hölle
nicht den Vorwurf deines Frevels tragen?
Sie ermordeten deine
Brut, als die Brut des Satans, und du hast durch diese Tat die
Begriffe dieses Volks auf Jahrhunderte verwildert?
Stöhne
nur, ich ziehe der Schrecken mehr herauf.
Es ist wahr, mit dem Fürst-Bischof ist dir's besser gelungen.
Er ließ den Hans Ruprecht begraben, und versetzte seine
Familie in Wohlstand.
Auch verlor er durch meine Vorspieglung
sein Fett, und ward einer der gelindesten und gütigsten Fürsten;
erschlaffte aber die Bande der bürgerlichen Ordnung so durch
seine Nachsicht, daß seine Untertanen bald ein Haufen Halunken,
Säufer, Faulenzer, Räuber und liederlichen Gesindels
ward.
Um sie wiederum zu Menschen zu machen, mußte nun der
jetzige Bischof ihr Henker werden, hundert Familien zerstören
und hinrichten, damit die andern, durch das Beispiel erschreckt,
in die bürgerliche Ordnung einträten.
Drei Schlemmer
und Fresser hätten diesem Volke nicht so weh getan, als ihm
diejenigen nun tun, denen dieser Fürst, gezwungen, das Schwert
der Gerechtigkeit, und die Gewalt der Rache vertrauen muß.
Der Doktor Robertus, der berühmte Freiheitsrächer, der
Mann nach deinem Sinne, war von frühster Jugend ein Feind
des Ministers, den er wegen seiner Talente haßte.
Neid und
Eifersucht waren die Quellen seines unabhängigen Geistes,
und hätte jener wie er gedacht, so würde er mit Freuden
die Grundsätze des strengsten Despotismus angenommen haben,
denn nur dazu war sein hartes und wildes Herz geschaffen.
Der
rechtschaffne Mann war der Minister, dieser ein Unhold, der die
Welt in Brand gesteckt hätte, es teils getan hat, um seinen
grenzenlosen Ehrgeiz zu befriedigen.
Ich mußte ihn nach
deinem Willen retten, ihn mit einer großen Summe Gelds versehen,
vernimm nun, wozu er sie gebraucht hat, und freue dich der Folgen.
Er nutzte seine Freiheit, das Gold und den Wahn, den sein Verschwinden
durch mich im Volke veranlaßte, so gut, daß es ihm
bald gelang, einen fürchterlichen Aufstand zu erregen.
Er
bewaffnete die Bauern, diese ermordeten die Edelleute, verwüsteten
das ganze Land, der edle Minister fiel ein Opfer seiner Rache,
und dein Freiheitsrächer Robertus ist der Stifter des unglücklichen
Bauernkriegs, der sich nach und nach in ganz Teutschland ausbreiten
und es verheeren wird.
Mord, Totschlag, Plündrung, Kirchenraub
wüten nun, und dein edler Held steht an der Spitze eines
tollen Haufens, und droht aus Teutschland einen Kirchhof des Menschengeschlechts
zu machen.
Ernte den Jammer ein, den du veranlaßt hast,
der Satan selbst hätte nicht besser für die Zerstörung
der Menschen, die wir hassen, arbeiten können, als du, da
du diesen Wahnsinnigen der Gerechtigkeit entrissen hast.
Kehre mit mir an den Hof jenes teutschen Fürsten zurück,
wo du den Rächer der Tugend und Gerechtigkeit so rasch und
kühn gespielt hast.
Dieser Fürst und sein Günstling
waren Heuchler eurer Tugenden; aber ihr Würken beförderte
das Glück des Volks, weil sie beide Verstand genug hatten,
zu fühlen, der Vorteil der Untertanen sei Gewinn für
den Fürsten.
Weiß der Durstige und kümmert's ihn,
ob die Quelle, die ihn tränkt, aus dem Bauche eines Berges
springt, der mit Gift angefüllt ist?
Genug für ihn,
wenn er nur ohne Schaden sein heißes Blut abkühlt.
Dieser Heuchler mißfiel dir, weil er deiner hohen Meinung,
die du mir gerne aus gewissen Ursachen aufdrängen wolltest,
nicht entsprach, und ich mußte ihn auf deinen Befehl erwürgen.
Sein unmündiger Sohn folgte ihm in der Regierung.
Seine Vormünder
drückten und preßten das unter dem Heuchler einst glückliche
Volk, verdarben das Herz und den Geist des künftigen Regenten,
entnervten früh seinen Körper durch Wollust, beherrschen
ihn nun, da er mündig ist, und sind seine und des Volks Tyrannen.
Hätt ich nicht auf deinen Befehl den Vater erwürgen
müssen, so würde er seinen Sohn nach seinen Grundsätzen
erzogen, seine Fähigkeiten entwickelt, und ihn zum Manne
gebildet haben, der würdig sei, an der Spitze eines Volks
zu stehen.
Die Hunderttausende, die nun unter dem Druck des feigen,
tückischen Wollüstlings seufzen, und deren Jammer sich
auf deinem Haupte sammelt, würden die Glücklichsten
in Teutschland sein.
Wohl uns, du hast ein ganzes Volk elend gemacht,
da du dich zum Rächer eines einzigen aufwarfst.
Ernte ihre
Tränen, ihre Verzweiflung, die blutigen Taten ihrer künftigen
Empörung ein, und freue dich deines strengen Richteramts!
Wahnsinniger, auf dein Geheiß mußt ich das Schloß
des wilden Rauhgrafs mit allen Bewohnern, seinem Weibe und dem
Säugling verbrennen.
Was haben diese Unschuldigen verbrochen?
Es war ein Augenblick der Wonne für mich!
- dein Werk ist
es, daß der Säugling auf dem Busen der Mutter zu Asche
brannte; dein Werk, daß der Rauhgraf einen benachbarten
Edelmann als den Urheber des Brandes überfiel, des Unschuldigen
Schloß der Flamme übergab, ihn erschlug, und die Fehde,
die meine Tat veranlaßte, noch in diesem Teile Teutschlands
wütet.
Tausende sind schon unter dem Schwerte der wechselseitigen
Rache hingesunken, und es wird nicht eher ruhen, bis sich die
streitenden Familien gänzlich erschöpft und vertilgt
haben.
So warst du, Wurm, der sich in der Wollust herumwälzte,
in die Hölle drangst, um deine Lüsternheit zu sättigen,
der Rächer des Unrechts.
Heule und stöhne, ich ziehe
der Schrecken mehr aus dem Dunkel.
Die Tochter des Geizigen in Frankreich, die du zur H--e gemacht,
und in ihrem Busen die Lust nach der Sünde erweckt hast,
ergab sich bald hierauf dem jungen König als Maitresse.
Sie
beherrschte ihn, reizte ihn, daß er sie mit einem neuen
Buhler nicht stören möchte, zu dem unsinnigen Zuge nach
Italien, und zog ein Elend über Frankreich, das viele künftige
Regierungen nicht heilen werden.
Die Blüte der französischen
Jugend, die Helden des Reichs faulen in Italien, und der König
kehrte beschämt und ohne Vorteil heim.
So hast du, wohin
du dich wandtest, den Samen des Unglücks ausgestreut, und
er fruchtet zum Unheil die Ewigkeit durch.
Ich hoffe, nun begreifst du den Fingerzeig, den ich dir damals
gab, als ich das Haus über die Naturkündiger zusammenstürzte.
Ich sagte dir, so wie diese in das Fleisch der Lebenden schneiden,
um unergründliche Geheimnisse zu erforschen, so wütest
du in der moralischen Welt, durch meine zerstörende Hand.
Du hast dieses Winks nicht geachtet.
Fühle ihn nun tiefer.
Sie verdienten, unter den Ruinen ihrer Schlachtbank begraben zu
werden; aber was hatten die Unschuldigen im Unterstock verbrochen,
die nicht wußten, welche Greuel über ihrem Haupte vorgingen?
Warum mußten auch sie mit begraben werden?
Warum mußte,
deine schnelle Rache zu befriedigen, eine schuldlose, glückliche
Familie mit aufgeopfert werden?
Richter und Rächer, dieses
hast du nicht bedacht.
Fasse nun die Folgen deines Wahnsinns zusammen,
durchlaufe sie, und sinke vor der scheußlichen Vorstellung
hin.
Sagt ich dir nicht, der Mensch ist rascher in seinem Urteil
und in seiner Rache, als der Teufel in der Vollziehung des Bösen?
Auf deinen Befehl mußt ich den Zunder der Wollust an das
Herz der himmlischen Angelika legen, die die Zierde ihres Geschlechts
und der Welt war.
Du hast sie im wilden Rausche deiner Sinne genossen,
und die Unglückliche wußte nicht, was ihr geschah.
Schaudre vor den Folgen - diese Angelika - ich, der Gefallen
an der Sünde und der Zerstörung hat, könnte mitleidig
auf ihr Ende blicken!
Sie floh auf das Land, und das Gefühl
der Scham zwang sie, den Zustand zu verbergen, in den du sie gesetzt
hattest.
Sie gebar unter Todesangst, in der Einsamkeit, ohne Hülfe,
das Kind entfiel dem Schoß der Unvermögenden, und starb
in dem Augenblick, da es das Licht der Welt erblickte.
Sie, das
unglückliche Opfer deiner augenblicklichen Lust, ward eingezogen,
und öffentlich als Kindermörderin hingerichtet.
Du hättest
sie sehen sollen im letzten Augenblick ihres Lebens - sehen sollen,
wie ihr reines Blut den weißen Talar befleckte -
Faust öffnete seine starre Augen und sah gen Himmel.
Teufel.
Er ist taub gegen dich!
Sei stolz auf den Gedanken,
einen Augenblick gelebt zu haben, der das Vergehen der Teufel
leicht machen könnte, wenn das Gericht über sie nicht
geschlossen wäre!
Noch rauscht er in den düstern Gefilden
der Ewigkeit.
Ich rede von jenem, da du mich zwingen wolltest,
den Schleier zu heben, der euch den Ewigen verbirgt.
Der Engel,
der euer Schuldbuch führt, erbebte auf seinem glänzenden
Sitze, und strich deinen Namen mit weggewandtem Angesicht aus
dem Buche des Lebens.
Faust, sprang auf: Verflucht seist du!
Verflucht ich!
die Stunde meiner Geburt!
der, der mich gezeugt, die Brust, die
ich gesogen!
Teufel.
Ha des herrlichen Augenblicks!
des köstlichen
Lohns meiner Mühe!
Die Hölle freut sich deiner Flüche,
und erwartet einen noch schrecklichern von dir.
Tor, warst du
nicht frei geschaffen?
Trugst, empfandest du nicht, wie alle,
die im Fleische leben, den Trieb zum Guten, wie zum Bösen,
in deiner Brust?
Warum tratst du verwegen aus dem Gleise, das
dir so bestimmt vorgezeichnet war?
Warum wagtest du deine Kräfte
an dem und gegen den zu versuchen, der nicht zu erreichen ist?
Warum wolltest du mit dem richten und rechten, den du nicht fassen
und denken kannst?
Warum trieb Stolz die Pflanze aufwärts,
die nur an der Erde hinkriechen soll?
Hat er dich nicht so geschaffen,
daß du über den Teufel wie über die Tiere der
Erde erhaben stundest?
Dir verlieh er den unterscheidenden Sinn
des Guten und Bösen: frei war dein Wille, frei deine Wahl.
Wir sind Sklaven des Bösen und der eisernen Notwendigkeit
ohne Wahl und Willen; gezwungen, von Ewigkeit dazu verdammt, wollen
wir nur das Böse, und sind Werkzeuge der Rache und der Strafe
an euch.
Ihr seid Könige der Schöpfung, freie Geschöpfe,
Meister eures Schicksals, das ihr selbst bestimmt, Herren der
Zukunft, die von eurem Tun abhängt, um diese Vorzüge
hassen wir euch, und frohlocken, wenn ihr durch Torheit und Laster
die Herrschaft verwürkt.
Wohl uns, daß ihr diese
Vorzüge selbst vernichtet, daß ihr alles mißbraucht,
alle die Fähigkeiten zum Guten, die euch der Ewige verliehen
hat.
Tritt auch ein Weiserer unter euch auf, und schreibt euch
Regeln zu eurem Besten vor, so zernichtet ihr sein Werk in dem
Augenblick der Entstehung.
Mißbrauch eurer moralischen und
physischen Kräfte läuft durch die Kette, die das Menschengeschlecht
verbinden soll; und nie gefallt ihr euch besser, als wenn ihr
zerstört, was andre, zu eurem Glück und Heil, aufgebauet
haben.
So arten unter euren Händen, in eurem Geiste Religion,
Wissenschaften und Regierung zu Unsinn, Verzerrung und Tyrannei
aus, und du hast das deinige redlich dazu beigetragen.
Faust,
nur in der Beschränktheit liegt euer Glück, wärst
du geblieben, was du warst, hätten dich Dünkel, Stolz,
Wahn und Wollust nicht aus der glücklichen, beschränkten
Sphäre gerissen, wozu du geboren warst, so hättest du
still dein Gewerbe getrieben, dein Weib und deine Kinder ernährt,
und deine Familie, die nun in den Kot der Menschheit gesunken
ist, würde blühen.
Von ihr beweint, würdest du
ruhig auf deinem Bette gestorben sein, und dein Beispiel würde
deine Hinterlassenen auf dem dornigten Pfad des Lebens leiten.
Faust.
Ha, wohl mag dies die größte Qual der Verdammten
sein, wenn der Teufel ihnen Buße predigt!
Teufel.
Es ist lustig genug, daß ihr es dazu kommen
laßt.
Elender, und wenn die Stimme der Wahrheit und Buße
laut vom Himmel selbst erschallte, ihr würdet ihr euer Ohr
verschließen.
Faust.
Erwürge mich, und töte mich nicht mit deinem
Geschwätze, das mein Herz zerreißt, ohne meinen Geist
zu überzeugen.
Willst du, daß ich dein Gift Tropfen
für Tropfen einschlürfen soll, gieße ein!
deine
Vorstellungen laufen im Ungeheuren zusammen, und verlieren ihre
Kraft an mir.
Sieh, meine Augen sind starr und trocken, nenne
meine Stumpfheit Verzweiflung - noch kann ich ihrer spotten,
und mein Geist kämpft mit der peinlichen Wallung meines Herzens.
Nur dieser da, und die ich eben gesehen, liegen wie eine ungeheure
Last auf mir, und zerknirschen meine sich noch empörende
Kraft.
Um der guten Tat willen muß er hier henken!
Um der
guten Tat willen müssen sie im Elend verschmachten, und eine
Reihe niederträchtiger Sünder fortpflanzen!
Sah ich
was anders als Morden, Vergiften und Greuel in der Welt?
Sah ich
nicht überall den Gerechten zertreten, und den Lasterhaften
glücklich und belohnt?
Teufel.
Das kann nun wohl sein, und beweist nur, was für
Kerle ihr seid; aber was prahlst du mir immer von deiner guten
Tat vor?
Wodurch verdient sie diesen Namen?
Etwa dadurch, daß
du mir den Wink dazu gegeben, der dich wahrlich nicht viel gekostet
haben kann?
Um es zu einer edlen Handlung zu machen, hättest
du dich in das Wasser werfen, und den jungen Mann auf Gefahr deines
Lebens retten müssen.
Darauf deutete ich, als ich dir sagte:
vermutlich kannst du nicht schwimmen.
Ich warf ihn an das Ufer,
und verschwand.
Dich selbst würde er erkannt haben, und von
Dankbarkeit gerührt, hätte der Zerstörer deiner
Familie ihr Beschützer und Verteidiger werden können.
Faust.
Quälen kannst du mich, Teufel, aber die Zweifel
des Menschen kannst du aus Stumpfheit nicht lösen, oder willst
es aus Bosheit nicht tun.
Nie drangen sie giftiger in mein Herz,
als in dieser Stunde, da ich den Jammer meines Lebens, meiner
Zukunft überblicke.
Ist das menschliche Leben etwas anders,
als ein Gewebe von Pein, Laster, Qual, Heuchelei, Widersprüchen
und schielender Tugend?
Was ist Freiheit, Wahl, Wille, der gerühmte
Sinn, Böses und Gutes zu unterscheiden, wenn die Leidenschaften
die schwache Vernunft überbrüllen, wie das tosende Meer
die Stimme des Steuermanns, dessen Schiff gegen die Klippen treibt?
Wozu das Böse?
Warum das Böse?
Er wollte es so; kann
der Mensch den Samen des Bösen aus der ungeheuren Masse herausreißen,
den er mit Willen hineingelegt hat?
Noch wütender hasse ich
nun die Welt, den Menschen und mich.
Warum gab man mir, der zum
Leiden geboren ist, den Drang nach Glück?
Warum dem zur Finsternis
gebornen den Wunsch nach Licht?
Warum dem Sklaven den Durst nach
Freiheit?
Warum dem Wurme das Verlangen zu fliegen?
Wozu eine
unbeschränkte Einbildungskraft, die immer gebärende
Mutter kühner Begierden, verwegner Wünsche und Gedanken?
Freiheit dem Menschen!
in dieser verzweifelnden Stunde kann ich
noch bei diesem sinnlosen Worte hämisch lachen.
Ja, den Durst
nach ihr, den kenne ich, und darum stehe ich nun in diesem verdammten
Kreise.
Frei der, auf dessen Nacken das eiserne Joch der Notwendigkeit,
von der Wiege bis zu dem Grabe, drückt?
Wahrlich, wenn er
es umwunden hat, wie man das Joch des Pflug-Ochsens umwendet,
so geschah es nicht darum, daß er unsers Nackens schonte,
sondern darum, daß wir die mühsame Furche des Lebens
ganz durchackern sollten, und entkräftet an dem Ziele hinsänken.
Nun labe ihn mein Stöhnen, ich habe es erreicht.
Zerschlage
das Fleisch, das meine dunkle zweifelvolle Seele umhüllt,
nimm ihr das Erinnern, daß sie einen menschlichen Leib zum
Sünder gemacht hat, dann will ich einer der eurigen werden,
und nur im Wunsche des Bösen leben.
O der herrlichen Welt,
worin der blinde unterjochte Mensch weise Zwecke aus den Martern,
die ihn zerreißen, dem ihn umheulenden Jammergeschrei der
Elenden, dem Siegesgesang der Unterdrücker, der ihn umgebenden
Verwüstung und Zerstörung zusammenlesen soll; worin
er nichts fühlt und sieht, als eine unwiderstehliche Tyrannei,
die ihn hier und dort vor Gericht fodert, wenn er laut zu murren
wagt.
Ha, Teufel, reiße meine Brust auf, und schreibe mit
dem kochenden Blut meines Herzens deine schöne Theodizee,
die du mir eben vorgesagt, in jene dunkle Wolke.
Mag sie ein Philosoph
kopieren, und die Menschen damit narren.
Verherrlicht sich nicht
der Ewige in Zerstörung, und im Schaffen zur Zerstörung?
So rauche dann mein Blut an dem Altar des Furchtbaren, wie das
Blut des Opfertiers, das der Unsinn dem Götzen schlachtet!
Daß ich's mit beiden Händen fassen, gegen den dunkeln
Himmel schleudern könnte, damit es dort glühe, wie es
nun in meinen Adern glüht, und zu seinem Thron aufschreie!
Ha, Teufel, dieses gefällt deinen Ohren nicht wie der zischende,
heulende Gesang der Verzweiflung, den du erwartet hast - noch
kennst du den Menschen nicht ganz.
Was ist die Leitung des Himmels,
wenn ein Wurm wie ich, durch das Mittel eines Verworfnen wie du
bist, durch seinen eignen Willen sein Werk verpfuschen kann?
Ist
hier Gerechtigkeit?
Mußte Faust so geboren werden, sich
so entwickeln, so denken und empfinden, daß Tausende elend
durch ihn würden?
Warum mußten meine Fähigkeiten
und Leidenschaften mehr zum Mißbrauch als zu edlen Zwecken
gestimmt sein?
Wollte es meine Natur so, so wollte es auch der,
der sie mir gegeben hat.
Er muß Gefallen an diesen Verwirrungen
haben, sonst hätte er mich der moralischen Notwendigkeit
ebenso gewaltsam unterworfen, als der physischen.
Löse nur
immer deinen Zauber, der mich in diesem Kreise fesselt, ich werde
dir nicht entfliehen, und könnte ich's, ich wollte nicht,
denn die Pein der Hölle kann nicht größer sein,
als das, was ich fühle.
Teufel.
Faust, mich freut deines Muts, und ich höre
das, was du sagst, noch lieber, als die wilden Töne der Verzweiflung.
Sei stolz darauf, deine genialische Kraft bis zum Unsinn und zur
Lästerung getrieben zu haben, die Qual der Hölle erwartet
dich dafür.
Ich bin deines Geschwätzes und der Erde
müde, es ist Zeit zum Abfahren, deine Rolle ist hier gespielt,
du beginnest eine, die nie enden wird.
Tritt aus deinem Kreise,
und begrabe den Unglücklichen; dann will ich dich fassen,
deinen bebenden, mürben Leib von deiner Seele streifen, wie
man dem Aale die Haut abstreift, ihn zerstückt auf das umherliegende
Feld streuen, den Vorübergehenden zum Ekel und Abscheu.
7
Faust stieg den Galgen hinauf, und löste den Strick von dem
Halse seines Sohns; trug ihn auf das nahe Feld, das der Pflug
frisch aufgerissen, grub mit seinen Händen unter Schluchzen
und Tränen ein Grab, und legte den Unglücklichen hinein.
Hierauf trat er vor den Teufel, und sprach mit wildem Tone:
>>Das Maß meines Jammers ist voll, zerschlage das Gefäß,
das ihn nicht mehr fassen kann; aber noch habe ich Mut, mit dir
um mein Leben zu kämpfen, denn ich will nicht sterben wie
der Sklave, der unter der Gewalt seines Herrn ohne Widerstand
hinsinkt.
Erscheine mir unter welcher Gestalt du willst, ich ringe
mit dir.
Um der Freiheit, der Unabhängigkeit, zog ich dich
aus der Hölle, am Rande der Hölle will ich sie behaupten,
am Rande der furchtbaren Wohnung will ich noch meine Kraft gebrauchen,
und fühlen, daß ich dich einst an meinem Zauberkreise
gefesselt sah, und dich zu geißeln drohte.
Was du in meinen
Augen siehst, sind Tränen der Verstockung, Tränen grimmigen
Unwillens - Teufel, nicht du, mein eignes Herz siegt über
mich!
<<
Teufel.
Ekelhafter Prahler!
mit diesem Fleische reiß
ich dir die Maske ab, die mir Mut vorlügt, und stelle dich
hin in deiner elenden, scheußlichen Nacktheit.
Die Rache
rauscht heran, und Ewigkeit ist ihr Name.
Er stund in Riesengestalt vor ihm.
Seine Augen glühten wie
vollgefüllte Sturmwolken, auf denen sich die untergehende
Sonne abspiegelt.
Der Gang seines Atems glich dem Schnauben des
zornigen Löwens.
Der Boden ächzte unter seinem ehernen
Fuße, der Sturm sauste in seinen fliegenden Haaren, die
um sein Haupt schwebten, wie der Schweif um den drohenden Kometen.
Faust lag vor ihm, wie ein Wurm, der fürchterliche Anblick
hatte seine Sinne gelähmt, und alle Kraft seines Geistes
gebrochen.
Dann faßte ihn Leviathan mit einem Hohngelächter,
das über die Fläche der Erde hinzischte, zerriß
den Bebenden, wie der mutwillige Knabe eine Fliege zerreißt,
streute den Rumpf und die blutenden Glieder mit Ekel und Unwillen
auf das Feld, und fuhr mit seiner Seele zur Hölle.
8
Die Teufel waren um den Satan versammelt, der mit den Fürsten
zu Rate saß, um auszumachen, mit was für Strafen man
den Papst Alexander den Sechsten peinigen müßte.
Seine
Verbrechen, und der letzte Augenblick seines Lebens, waren so
einzig, daß auch die boshaftigsten Teufel in Verlegenheit
waren, die Pein zu bestimmen, die er verdiente.
Der Papst stund
vor seinen Richtern, die ihn so spöttisch und übermütig
behandelten, als nur immer ein fürstliches Gericht einen
Angeklagten behandelt, der weiter nichts vor sich hat, als das
Unglück, ein Mensch zu sein.
Auf einmal fuhr Leviathan triumphierend
in ihre Mitte, hielt die Seele Fausts am Schopfe, und schleuderte
ihn hin:
>>Da habt ihr den Faust!
<<
Die Hölle empfing ihn mit einem so lauten Freudengebrülle,
daß die Verdammten in ihren Pfuhlen erbebten:
>>Willkommen, Fürst Leviathan!
da ist der Faust!
da ist
der Faust!
<<
Satan.
Willkommen, Fürst der Hölle!
Willkommen
Faust, wir haben hier genug von dir gehört.
Leviathan.
Da hast du ihn nun, Satan!
Sieh selbst, was an
ihm ist.
Er hat mich nicht wenig geplagt; aber seine Torheit hat
der Hölle gewuchert, und ich hoffe, du bist mit meinem Aufenthalt
auf Erden zufrieden.
Zum Lohn bitte ich dich, mich für Jahrhunderte
mit solchen Aufträgen zu verschonen, ich bin des Menschengeschlechts
übersatt, ob ich gleich gestehen muß, daß dieser
hier den letzten Augenblick seines Lebens, so bitter er auch war,
nicht übel bestanden hat; aber dies kommt daher, daß
er sich in frühern Jahren mit jener Philosophie abgegeben,
die du die Menschen gelehrt hast.
Satan.
Ich danke dir, Fürst Leviathan, und verspreche
dir, du sollst lange mit mir in dem Dampfe der Hölle verweilen,
und die Schatten der größten Fürsten der Erde
zum Zeitvertreib reiten und geißeln.
- Hm!
ein ganzer Kerl,
und scheint mir den Menschen völlig ausgezogen zu haben.
Verzweiflung, Vermessenheit, Haß, Groll, Schmerz und Wahnsinn
haben tiefe Furchen in seine Seele gerissen.
Er sieht selbst uns
und die Hölle ohne Beben an.
Faust, bist du auf einmal stumm?
Faust.
Nicht aus Furcht, ich war gegen einen Mächtigern
kühn, und darum bin ich hier.
Satan.
He, führt doch den Trotzigen ein wenig nach dem
Pfuhl der Verdammten.
Nehmt eine Legion meiner mutwilligen Hofjungens
mit, daß sie sie zusammengeißeln, damit dieser Biedermann
mit der Wirtschaft der Hölle ein wenig bekannt werde.
Ein Teufel riß ihn nach dem Pfuhl der Verdammten.
Die Legion
schwärmte nach.
Leviathan, der den Papst wahrnimmt: Ha, willkommen
in der Hölle, Papst Alexander.
Ich hoffe, der Kitzel ist
Euch nun vergangen, den Teufel zum Ganymed machen zu wollen.
Papst, seufzend. Leider!
Satan.
Ha! ha! ha!
das ist mir ein guter Schlag von Menschen,
die jetzt auf der Erde wirtschaften!
Laß nur erst den Geist
der Reformation über sie kommen, und sie nach der neuen Welt
hinziehen, einen neuen Tummelplatz ihrer Greuel und Laster zu
entdecken, so wird es noch toller hergehen.
Papst.
Schade, daß ich nicht dabei sein kann.
Satan.
Ein sehr päpstlicher Wunsch, doch tröste
dich nur, deine Landsleute werden schon die Millionen um ihr Gold
erwürgen.
Papst.
Was tut man nicht ums Gold!
- Ma cospetto di Bacco!
Wißt Ihr wohl, Herr Satan, daß ich diese neue Welt
zwischen Spanien und Portugal geteilt habe.
Nun käme mir
wenigstens der dritte Teil des Golds zu!
Oime!
Faust kam mit der teuflischen Begleitung zurück.
Satan.
Nun, Faust, wie gefällt dir das Bad, und die,
welche sie dort abreiben?
Faust.
Unsinniger, rasender Gedanke, daß der edle Teil
des Menschen für die Sünden des aus Kot geschaffnen
leiden und büßen soll.
Die Teufel lachten, daß es durch die unendliche Hölle
ertönte.
Satan.
Bravo, Faust, das, was du sagst, und wie du dich benimmst,
zeigt mir, daß du für einen Menschen zu gut bist.
Auch
bin ich dir einen besondern Lohn für die schöne, der
Hölle so nützliche Erfindung der Buchdruckerei schuldig.
Papst.
Was? ein Buchdrucker, und hat sich an meinem Hofe
für einen Edelmann ausgegeben, und bei meiner Tochter Lucrezia
geschlafen?
Faust.
Schweig, stolzer Spanier, ich habe sie reichlich dafür
bezahlt, und du hättest dich mir für eine gleiche Summe
prostituiert, wenn ich eine Bestie gewesen wäre wie du.
Wisse,
meine große Erfindung wird mehr Gutes stiften, und dem Menschengeschlecht
mehr nützen, als alle Päpste, vom heiligen Peter, bis
auf dich Scheusal!
Satan.
Faust, darin irrst du dich.
Erstens, werden dir die
Menschen den Ruhm der Erfindung dieser Kunst rauben -
Faust.
Dieses ist noch mehr als Verdammnis!
Satan.
Merkt mir doch auf den Menschen, er steht vor mir,
dem Satan, hat den Pfuhl der Verdammten gesehen, und hält
die Qual der Hölle für nichts gegen seine Hirngespinste,
Ruhm und Wahn.
Seht mir doch, was aus diesen Ebenbildern des Höchsten
geworden ist, seitdem sie sich in Gesellschaften gesammelt, Könige
über ihren Leib und ihre Seele gewählt haben, Bücher
lesen, und ein erkünsteltes Ding ihres eignen, eitlen, stolzen,
unruhigen und wahnsinnigen Geistes geworden sind.
-
Zweitens, Faust, werden die Schatten zu hunderttausenden herunterfahren,
über dich herfallen, dich mit ihren Flüchen ängstigen,
daß du die kleine Quelle des Gifts des menschlichen Verstandes
in einen ungeheuren Strom verwandelt hast.
Fühlst du denn
nicht aus eigner Erfahrung, was euch die Wissenschaften sind,
und was sie aus euch machen; doch hiervon soll dich dein ehemaliger
Begleiter Leviathan unterhalten, und dir eröffnen, daß
das Unheil, das du über die Menschen gebracht hast, deine
sonstige Frevel noch weit übertrifft.
Ich, der Herrscher
der Hölle, der dadurch gewinnt, bin dir Lohn dafür schuldig,
und wenn du dem Ewigen fluchen willst, der dich entweder nicht
besser machen konnte, oder wollte; so sollst du der Pein der Hölle
entfliehen, und einer unsersgleichen werden.
Papst.
Satan, laßt mich der erste sein, als Papst muß
ich wenigstens den Rang über ihn haben.
Satan.
Merkt mir doch diese Menschen, ihr Teufel, und seht,
wie sie euch beschämen!
Papst, du hast es getan, da du meinem
Leviathan zu Füßen fielst.
Faust, wähle -
Faust trat hervor - die rasende Verzweiflung rollte sich in scheußlichen
Zügen auf seiner Schattengestalt - er - wer kann den Frevel
ausdrücken?
Alle Teufel bebten bei seinen Worten, und erstaunten über
seine Vermessenheit.
Seit der Entstehung der Hölle herrschte
keine solche Stille in dem dunklen furchtbaren Reiche, der Wohnung
ewigen Jammers, ewigen Geheuls.
Faust unterbrach sie, und forderte
den Satan zur Erfüllung seines Versprechens auf.
Satan.
Tor, wie kannst du von mir erwarten, daß ich,
der Herrscher der Hölle, dir mein Wort halten sollte, da
man kein Beispiel hat, daß ein Fürst der Erde je sein
Wort gehalten hätte, wenn er nichts dabei gewann.
Wenn du
vergessen kannst, daß du ein Mensch bist, so vergiß
nicht, daß du vor dem Teufel stehst.
Meine Teufel erblaßten
bei deiner Verwegenheit, mein fester, unerschütterlicher
Thron erbebte bei deinen vermeßnen Worten, und ich glaubte
einen Seigerschlag, ich hätte zu viel gewagt.
Fort, deine
Gegenwart macht mich unruhig, und du beweisest, daß der
Mensch mehr tun kann, als der Teufel ertragen kann.
Zerrt ihn
in den schrecklichsten Winkel der Hölle, dort schmachte er
in düstrer Einsamkeit, und starre hin vor der Betrachtung
seiner Taten und dieses Augenblicks, der nie zu versöhnen
ist.
Daß ihm kein Schatten nahe!
Geh und schwebe allein
und verloren, eingeschlossen zwischen ausgebrannten Klippen in
dem Lande, wo keine Hoffnung, kein Trost und kein Schlaf wohnen.
Nur im Vergangenen, im Bewußtsein deines Wahnsinns, und
deines Frevels sollst du leben.
Die Zukunft, die eure Eitelkeit
und euer Stolz so gern ausschmücken, sei für dich nichts,
als der schreckenvolle Gedanke: dein Dasein sei eine ewig fortlaufende
Reihe einer unveränderlichen Qual, eines unveränderlichen,
peinlichen Gefühl deines Selbsts.
Nur ein einziges peinvolles
Gefühl sollst du fühlen, nur einen einzigen peinvollen
Gedanken denken.
Es soll dir Genuß zu sein scheinen, diesen
endlosen Schmerz nur mit einem andern wechseln zu können.
An deiner Seele sollen ewig die Zweifel nagen, die dich in deinem
Leben gequält haben, und nie soll sich dir eins der Rätsel
enthüllen, um deren Auflösung du hier bist.
Dies ist
die peinlichste Strafe für einen Philosophen deiner Art,
und ich habe sie vorzüglich meinen Schülern vorbehalten.
Die Hölle ist voll von ihnen, und du hast den Samen zu größrer
Bevölkerung meines Reichs ausgestreut.
Reißt ihn weg,
martert ihn!
Faßt diesen Papst, und werft ihn in einen andern
Winkel, in der Hölle ist ihresgleichen nicht.
Nach den Worten Satans ward Fausts Gestalt immer schwärzer
und schwärzer.
Die Züge der Menschheit verloschen.
Ein
düstres, gestaltloses, scheußliches, schwimmendes Gewebe
umschlung seine Seele.
Noch wütete er; die Wut schoß
glühende Funken aus dem gestaltlosen Gewebe, und erleuchtete
es.
Zum letztenmal wütete er.
Leviathan brüllte: >>Ich will ihn ergreifen, und mich
nochmal an dem rächen, der mich gezwungen hat, die mir verhaßte
Erde, das mir noch verhaßtere Teutschland zu betreten.<<
Und er ergriff mit eiserner Faust das düstre verzerrte Gewebe,
samt der Seele Fausts.
Da goß sich die gedrohte Qual über
ihn aus, und ein Stöhnen erscholl aus dem Gewebe, daß,
hätte es Menschen mit Ohren, aus Fleische gebildet, vernommen,
ihr Herz wäre bei dem Stöhnen erstarrt, und die Quelle
ihres Lebens versunken.
Noch stöhnte Faust aus dem düstren Gewebe unter Leviathans
eiserner Faust.
Als er mit ihm bei den heulenden Verdammten vorüberfuhr,
fühlten sie bei dem schrecklichen Stöhnen zum erstenmal
Mitleid mit einem ihresgleichen, und vergaßen das Geheul
über ihren eignen Jammer.
Noch schwebte das Gewebe, und verlor
sich nun tiefer und tiefer in der unendlichen Ferne.
Dann schleifte
es Leviathan über die verbrannten Felsen hin, daß die
noch glühende Asche unter ihm aufloderte - schwung sich
mit ihm empor, bis zu der ehernen Wölbung der Hölle,
schleuderte ihn herunter, und er sank in den einsamen Abgrund.
So erhebt sich die kühne Seele des Forschers, verwegen bis
zu dem Begriff des Unfaßlichen, Unbegreiflichen, in die
Höhe, bis das Gefühl des menschlichen Unvermögens
ihre Flügel lähmt, und sie wirbelnd, schwindelnd, in
ihr Dunkel zurück sinkt, um in Verzweiflung zu erwachen.
Belial, der Aufseher und Beherrscher der verdammten Päpste,
Erzbischöfe, Bischöfe und gefürsteter äbte,
ergriff die Seele Alexanders; eine Mischung von scheußlichen,
widersinnigen Gestalten hatte sie umhüllt, und ein so furchtbares
Ungeheuer gebildet, daß die Verdammten, gewöhnt an
scheußliche Gestalten, gleichwohl vor Entsetzen ihre Häupter
in den glühenden stinkenden Pfuhl tauchten, da Belial mit
dem Papst bei ihnen vorüber fuhr.
Nach ihrem Verschwinden sagte Satan lächelnd: >>Das sind
mir Menschen, und wenn sie etwas Scheußliches vorstellen
wollen, malen sie den Teufel; so laßt uns denn, wenn wir
etwas Schändliches vorstellen wollen, den Menschen zur Wiedervergeltung
malen, und dazu sollen mir Philosophen, Päpste, Pfaffen,
Fürsten, Erobrer, Höflinge, Minister und Autoren sitzen!
<<
Epilogus
So fasse sich ein jeder in Geduld, und dringe nicht auf Kosten
seiner Ruhe verwegen in die Geheimnisse, die der Geist des Menschen
hier nicht enthüllen kann und soll.
Auch richte keiner; denn
keinem ist das Richteramt gegeben.
Halte deine rasche Aufwallung
bei den Erscheinungen der moralischen Welt, die dein Herz empören,
deinen Verstand verwirren, im Zaum, und bebe, ein Urteil zu fällen,
denn du kannst nicht erkennen, wie und woher sie kamen, wohin
sie zielen, und wie sie für den enden, der sie veranlasset.
Dem Geist des Menschen ist alles dunkel, er ist sich selbst ein
Rätsel.
Lebe in der Hoffnung, einst helle zu sehen, und wohl
dem, der seine Tage so hinlebt; er allein hat gewonnen, denn das
übrige ist in der Macht dessen, der den Menschen so prüfen
wollte, und ihm die Kraft, die Prüfung zu bestehen, mitgeteilt
hat.
Dies erkennt der wahre Weise, und erwartet in Unterwerfung
sein Los.
Ich hatte eine gute Absicht bei diesem Buch; doch der
Mann, der ein Buch schreibt, ist mit dem, der ein Kind zeugt,
in gleichem Fall, keiner weiß, welche Frucht seine Pflanze
tragen wird, und das Sprüchwort hat recht: Der Wurf aus der
Hand ist des Teufels.
übrigens wünsche ich den deutschen
Autoren billige Verleger, den Verlegern guten Abgang, dem Publikum
mehr Geld und Geduld.
(Geschmack würde zu oft den Handel
verderben.
) Der gesamten Klerisei weniger Toleranz und Wissenschaften.
Insbesondere wünsche ich einigen Herren der protestantischen
Klerisei, daß es ihnen vorzüglich zu ihrem Besten gelingen
möchte, das Luthertum und den Kalvinismus unter das viel
sinnlichere Papsttum zu begraben.
Nur dadurch werden sie den wankenden
Säulen dieses der Klerisei so nützlichen Gebäudes
wiederum neue Tragkraft verschaffen, und natürlich müssen
sie selbst bald ganz andere Männer im Staate werden.
Auch
läßt sich mit Gewißheit hoffen, daß der
Hauptbeförderer dieses frommen Unternehmens, der Phantast
aus ***, der erste Heilige in dem neuen römischen Kalender
werden muß.
Kann wohl der zertretne Pius der sechste weniger
für ihn tun, als seine weise Vorfahren für den großen
Loyola getan haben?
Seine Schüler und Schülerinnen,
die schon lange den heiligen Schein wie elektrische Funken aus
seinem erhitzten Gehirne strahlen sehn, werden gern die Kosten
dazu hergeben, damit der Teufel bei dem Prozesse zum Schweigen
gebracht werde.
Daß aber dieses ersprießliche Werk
bald möglichst zu Stande komme, so stehe der feurige Mann
aus *** auf, und tue das erste nötige Wunder.
Er ziehe, gleich
einem neuen Moses, eine dicke, schwarze Finsternis, eine verderbende
Seuche über die Königsstadt ***, daß ihr feiner,
beißender, attischer Witz, ihre gesunde, die Schwärmerei
zerstörende Vernunft durch ein böotisches Dunkel und
pestilenzialische Luft verdickt und getötet werde.
Soll es
aber ein wahrhaftes Wunder werden, so mache er sich schnell auf,
damit ihm das Schicksal, das ihm dorten durch einige schwarze
Kakodämonen vorzugreifen droht, nicht um den zu hoffenden
Ruhm bringe.
Ist ihm dies gelungen, so schlage er an die Gräber
der Jesuiten, bewürke ihre Auferstehung, und singe dann das
Siegeslied über den Menschenverstand.
Den Philosophen wünsche
ich, daß es ihnen gelingen möge, ihren größten
Gegner, den alles zu zermalmenden Kant, zu besiegen, damit
ihr Katheder für immer und ewig von dem metaphysischen Unsinn
erschallen möge.
Den Fürsten mehr Strenge, und mehr
von jener Kunst, die Untertanen systematisch zu schinden und zu
plündern.
Den teutschen Männern den bittersten Haß
gegen Freiheit, die zärtlichste Liebe für Sklaverei,
und den teutschen Weibern - daß sie mit eben dem Vergnügen
gebären möchten, als sie, wie man sagt, empfangen.
Glückliche,
herrliche Zeit!
so wird es dann unsern erhabenen Fürsten,
gnädigen Erzbischöfen, gefürsteten äbten,
hochgebornen Reichsgrafen, Baronen, Rittern und frommen Klöstern
unsers Vaterlands nie an Werkzeugen, zu mißbrauchen, an
Soldaten, zu verhandeln, an Schwämmen, auszudrücken,
und an Untertanen, zu schinden, mangeln.
Daß die Geduld
nicht reiße, dafür werden ihre Helfershelfer, ihre
Viziere, ihre Klerisei, Räte und die edle Schriftsteller-
nebst der Journalistenzunft sorgen.
Umsonst rufen einige Treffliche:
>>Erleichtert die Bürden eurer Lasttiere, wenn ihr nicht
wollt, daß sie dieselbe einst gewaltsam abwerfen und euch
darunter begraben.<<
Die gnädigen Herren wissen durch
ihre Räte, daß kein Tier der Erde sanftmütiger
und tapfrer leidet und trägt, als der ehrwürdige Esel,
und der aufrichtige edle Teutsche!